ich mich ganz sicher fühlte. Es blieb mir nichts zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.
Es dunkelte der Abend. Die Gäste erschie- nen und wurden mir vorgestellt. Es ward die Majestät nicht mehr berührt; aber ich hieß in tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was sollt' ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge- fallen, und blieb von Stund' an der Graf Pe- ter. Mitten im festlichen Gewühle begehrte meine Seele nur nach der Einen. Spät er- schien sie, sie, die die Krone war und trug. Sie folgte sittsam ihren Eltern, und schien nicht zu wissen, daß sie die Schönste sei. Es wur- den mir der Herr Forstmeister, seine Frau und seine Tochter vorgestellt. Ich wußte den Alten viel Angenehmes und Verbindliches zu sagen; vor der Tochter stand ich wie ein ausgescholte- ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen. Ich bat sie endlich stammelnd, dies Fest zu würdigen, das Amt, dessen Zeichen sie schmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver- schämt mit einem rührenden Blick um Scho- nung; aber verschämter vor ihr, als sie selbst, brachte ich ihr als erster Unterthan meine Hul-
ich mich ganz ſicher fühlte. Es blieb mir nichts zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.
Es dunkelte der Abend. Die Gäſte erſchie- nen und wurden mir vorgeſtellt. Es ward die Majeſtät nicht mehr berührt; aber ich hieß in tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was ſollt’ ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge- fallen, und blieb von Stund’ an der Graf Pe- ter. Mitten im feſtlichen Gewühle begehrte meine Seele nur nach der Einen. Spät er- ſchien ſie, ſie, die die Krone war und trug. Sie folgte ſittſam ihren Eltern, und ſchien nicht zu wiſſen, daß ſie die Schönſte ſei. Es wur- den mir der Herr Forſtmeiſter, ſeine Frau und ſeine Tochter vorgeſtellt. Ich wußte den Alten viel Angenehmes und Verbindliches zu ſagen; vor der Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholte- ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies Feſt zu würdigen, das Amt, deſſen Zeichen ſie ſchmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver- ſchämt mit einem rührenden Blick um Scho- nung; aber verſchämter vor ihr, als ſie ſelbſt, brachte ich ihr als erſter Unterthan meine Hul-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0069"n="59"/>
ich mich ganz ſicher fühlte. Es blieb mir nichts<lb/>
zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.</p><lb/><p>Es dunkelte der Abend. Die Gäſte erſchie-<lb/>
nen und wurden mir vorgeſtellt. Es ward die<lb/>
Majeſtät nicht mehr berührt; aber ich hieß in<lb/>
tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was<lb/>ſollt’ ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge-<lb/>
fallen, und blieb von Stund’ an der Graf <hirendition="#g">Pe-<lb/>
ter.</hi> Mitten im feſtlichen Gewühle begehrte<lb/>
meine Seele nur nach der Einen. Spät er-<lb/>ſchien ſie, ſie, die die Krone war und trug.<lb/>
Sie folgte ſittſam ihren Eltern, und ſchien nicht<lb/>
zu wiſſen, daß ſie die Schönſte ſei. Es wur-<lb/>
den mir der Herr Forſtmeiſter, ſeine Frau und<lb/>ſeine Tochter vorgeſtellt. Ich wußte den Alten<lb/>
viel Angenehmes und Verbindliches zu ſagen;<lb/>
vor der Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholte-<lb/>
ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor<lb/>
zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies<lb/>
Feſt zu würdigen, das Amt, deſſen Zeichen ſie<lb/>ſchmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver-<lb/>ſchämt mit einem rührenden Blick um Scho-<lb/>
nung; aber verſchämter vor ihr, als ſie ſelbſt,<lb/>
brachte ich ihr als erſter Unterthan meine Hul-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[59/0069]
ich mich ganz ſicher fühlte. Es blieb mir nichts
zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.
Es dunkelte der Abend. Die Gäſte erſchie-
nen und wurden mir vorgeſtellt. Es ward die
Majeſtät nicht mehr berührt; aber ich hieß in
tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was
ſollt’ ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge-
fallen, und blieb von Stund’ an der Graf Pe-
ter. Mitten im feſtlichen Gewühle begehrte
meine Seele nur nach der Einen. Spät er-
ſchien ſie, ſie, die die Krone war und trug.
Sie folgte ſittſam ihren Eltern, und ſchien nicht
zu wiſſen, daß ſie die Schönſte ſei. Es wur-
den mir der Herr Forſtmeiſter, ſeine Frau und
ſeine Tochter vorgeſtellt. Ich wußte den Alten
viel Angenehmes und Verbindliches zu ſagen;
vor der Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholte-
ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor
zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies
Feſt zu würdigen, das Amt, deſſen Zeichen ſie
ſchmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver-
ſchämt mit einem rührenden Blick um Scho-
nung; aber verſchämter vor ihr, als ſie ſelbſt,
brachte ich ihr als erſter Unterthan meine Hul-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/69>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.