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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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Wie ich längs der syrischen Küste den Weg,
auf dem ich mich zum letzten Mal vom Hause
entfernt hatte, zurücklegte, sah ich mir meinen
armen Figaro entgegen kommen. Dieser vor-
treffliche Pudel schien seinem Herrn, den er lange
zu Hause erwartet haben mochte, auf der Spur
nachgehen zu wollen. Ich stand still und rief
ihm zu. Er sprang bellend an mich mit tausend
rührenden Aeußerungen seiner unschuldigen aus-
gelassenen Freude. Ich nahm ihn unter den Arm,
denn freilich konnte er mir nicht folgen, und
brachte ihn mit mir wieder nach Hause.

Ich fand dort Alles in der alten Ordnung,
und kehrte nach und nach, so wie ich wieder
Kräfte bekam, zu meinen vormaligen Beschäfti-
gungen und zu meiner alten Lebensweise zurück.
Nur daß ich mich ein ganzes Jahr hindurch der
mir ganz unzuträglichen Polar-Kälte enthielt.

Und so, mein lieber Chamisso, leb' ich noch
heute. Meine Stiefel nutzen sich nicht ab, wie
das sehr gelehrte Werk des berühmten Tiecki-
us,
de rebus gestis Pollicilli,
es mich anfangs
befürchten lassen. Ihre Kraft bleibt ungebro-

Wie ich längs der ſyriſchen Küſte den Weg,
auf dem ich mich zum letzten Mal vom Hauſe
entfernt hatte, zurücklegte, ſah ich mir meinen
armen Figaro entgegen kommen. Dieſer vor-
treffliche Pudel ſchien ſeinem Herrn, den er lange
zu Hauſe erwartet haben mochte, auf der Spur
nachgehen zu wollen. Ich ſtand ſtill und rief
ihm zu. Er ſprang bellend an mich mit tauſend
rührenden Aeußerungen ſeiner unſchuldigen aus-
gelaſſenen Freude. Ich nahm ihn unter den Arm,
denn freilich konnte er mir nicht folgen, und
brachte ihn mit mir wieder nach Hauſe.

Ich fand dort Alles in der alten Ordnung,
und kehrte nach und nach, ſo wie ich wieder
Kräfte bekam, zu meinen vormaligen Beſchäfti-
gungen und zu meiner alten Lebensweiſe zurück.
Nur daß ich mich ein ganzes Jahr hindurch der
mir ganz unzuträglichen Polar-Kälte enthielt.

Und ſo, mein lieber Chamiſſo, leb’ ich noch
heute. Meine Stiefel nutzen ſich nicht ab, wie
das ſehr gelehrte Werk des berühmten Tiecki-
us,
de rebus gestis Pollicilli,
es mich anfangs
befürchten laſſen. Ihre Kraft bleibt ungebro-

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[140/0162] Wie ich längs der ſyriſchen Küſte den Weg, auf dem ich mich zum letzten Mal vom Hauſe entfernt hatte, zurücklegte, ſah ich mir meinen armen Figaro entgegen kommen. Dieſer vor- treffliche Pudel ſchien ſeinem Herrn, den er lange zu Hauſe erwartet haben mochte, auf der Spur nachgehen zu wollen. Ich ſtand ſtill und rief ihm zu. Er ſprang bellend an mich mit tauſend rührenden Aeußerungen ſeiner unſchuldigen aus- gelaſſenen Freude. Ich nahm ihn unter den Arm, denn freilich konnte er mir nicht folgen, und brachte ihn mit mir wieder nach Hauſe. Ich fand dort Alles in der alten Ordnung, und kehrte nach und nach, ſo wie ich wieder Kräfte bekam, zu meinen vormaligen Beſchäfti- gungen und zu meiner alten Lebensweiſe zurück. Nur daß ich mich ein ganzes Jahr hindurch der mir ganz unzuträglichen Polar-Kälte enthielt. Und ſo, mein lieber Chamiſſo, leb’ ich noch heute. Meine Stiefel nutzen ſich nicht ab, wie das ſehr gelehrte Werk des berühmten Tiecki- us, de rebus gestis Pollicilli, es mich anfangs befürchten laſſen. Ihre Kraft bleibt ungebro-

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/162>, abgerufen am 29.03.2024.