Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.Sie unterhielt sich einst am Bette Numero Sie unterhielt ſich einſt am Bette Numero <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0160" n="138"/> <p>Sie unterhielt ſich einſt am Bette Numero<lb/> Zwölf mit dem Herrn <hi rendition="#g">Bendel:</hi> «Warum, edle<lb/> Frau, wollen Sie ſich ſo oft der böſen Luft, die<lb/> hier herrſcht, ausſetzen? Sollte denn das Schick-<lb/> ſal mit Ihnen ſo hart ſein, daß Sie zu ſterben<lb/> begehrten?» — «Nein, Herr <hi rendition="#g">Bendel,</hi> ſeit ich<lb/> meinen langen Traum ausgeträumt habe, und in<lb/> mir ſelber erwacht bin, geht es mir wohl, ſeit-<lb/> dem wünſche ich nicht mehr und fürchte nicht mehr<lb/> den Tod. Seitdem denke ich heiter an Vergan-<lb/> genheit und Zukunft. Iſt es nicht auch mit ſtil-<lb/> lem innerlichen Glück, daß Sie jetzt auf ſo gott-<lb/> ſelige Weiſe Ihrem Herrn und Freunde dienen?»<lb/> — «Sei Gott gedankt, ja, edle Frau. Es iſt<lb/> uns doch wunderſam ergangen, wir haben viel<lb/> Wohl und bitt’res Weh unbedachtſam aus dem<lb/> vollen Becher geſchlürft. Nun iſt er leer; nun<lb/> möchte Einer meinen, das ſei Alles nur die Probe<lb/> geweſen, und, mit kluger Einſicht gerüſtet, den<lb/> wirklichen Anfang erwarten. Ein anderer iſt nun<lb/> der wirkliche Anfang, und man wünſcht das erſte<lb/> Gaukelſpiel nicht zurück, und iſt dennoch im Gan-<lb/> zen froh, es, wie es war, gelebt zu haben. Auch<lb/> find’ ich in mir das Zutrauen, daß es nun un-<lb/> ſerm alten Freunde beſſer ergehen muß, als da-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [138/0160]
Sie unterhielt ſich einſt am Bette Numero
Zwölf mit dem Herrn Bendel: «Warum, edle
Frau, wollen Sie ſich ſo oft der böſen Luft, die
hier herrſcht, ausſetzen? Sollte denn das Schick-
ſal mit Ihnen ſo hart ſein, daß Sie zu ſterben
begehrten?» — «Nein, Herr Bendel, ſeit ich
meinen langen Traum ausgeträumt habe, und in
mir ſelber erwacht bin, geht es mir wohl, ſeit-
dem wünſche ich nicht mehr und fürchte nicht mehr
den Tod. Seitdem denke ich heiter an Vergan-
genheit und Zukunft. Iſt es nicht auch mit ſtil-
lem innerlichen Glück, daß Sie jetzt auf ſo gott-
ſelige Weiſe Ihrem Herrn und Freunde dienen?»
— «Sei Gott gedankt, ja, edle Frau. Es iſt
uns doch wunderſam ergangen, wir haben viel
Wohl und bitt’res Weh unbedachtſam aus dem
vollen Becher geſchlürft. Nun iſt er leer; nun
möchte Einer meinen, das ſei Alles nur die Probe
geweſen, und, mit kluger Einſicht gerüſtet, den
wirklichen Anfang erwarten. Ein anderer iſt nun
der wirkliche Anfang, und man wünſcht das erſte
Gaukelſpiel nicht zurück, und iſt dennoch im Gan-
zen froh, es, wie es war, gelebt zu haben. Auch
find’ ich in mir das Zutrauen, daß es nun un-
ſerm alten Freunde beſſer ergehen muß, als da-
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