Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

mir seltsame Sylben durch die Nase zählen; ich
blickte auf: zwei Chinesen, an der asiatischen Ge-
sichtsbildung unverkennbar, wenn ich auch ihrer
Kleidung keinen Glauben beimessen wollte, rede-
ten mich mit landesüblichen Begrüßungen in ih-
rer Sprache an; ich stand auf und trat zwei
Schritte zurück. Ich sah sie nicht mehr, die Land-
schaft war ganz verändert: Bäume, Wälder, statt
der Reisfelder. Ich betrachtete diese Bäume und
die Kräuter, die um mich blühten; die ich kann-
te, waren südöstlich asiatische Gewächse; ich wollte
auf den einen Baum zugehen, ein Schritt --
und wiederum Alles verändert. Ich trat nun
an, wie ein Rekrut, der geübt wird, und schritt
langsam, gesetzt einher. Wunderbar veränderliche
Länder, Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sand-
wüsten, entrollen sich vor meinem staunenden
Blick: es war kein Zweifel, ich hatte Sieben-
meilenstiefel an den Füßen.



mir ſeltſame Sylben durch die Naſe zählen; ich
blickte auf: zwei Chineſen, an der aſiatiſchen Ge-
ſichtsbildung unverkennbar, wenn ich auch ihrer
Kleidung keinen Glauben beimeſſen wollte, rede-
ten mich mit landesüblichen Begrüßungen in ih-
rer Sprache an; ich ſtand auf und trat zwei
Schritte zurück. Ich ſah ſie nicht mehr, die Land-
ſchaft war ganz verändert: Bäume, Wälder, ſtatt
der Reisfelder. Ich betrachtete dieſe Bäume und
die Kräuter, die um mich blühten; die ich kann-
te, waren ſüdöſtlich aſiatiſche Gewächſe; ich wollte
auf den einen Baum zugehen, ein Schritt —
und wiederum Alles verändert. Ich trat nun
an, wie ein Rekrut, der geübt wird, und ſchritt
langſam, geſetzt einher. Wunderbar veränderliche
Länder, Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sand-
wüſten, entrollen ſich vor meinem ſtaunenden
Blick: es war kein Zweifel, ich hatte Sieben-
meilenſtiefel an den Füßen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="126"/>
mir &#x017F;elt&#x017F;ame Sylben durch die Na&#x017F;e zählen; ich<lb/>
blickte auf: zwei Chine&#x017F;en, an der a&#x017F;iati&#x017F;chen Ge-<lb/>
&#x017F;ichtsbildung unverkennbar, wenn ich auch ihrer<lb/>
Kleidung keinen Glauben beime&#x017F;&#x017F;en wollte, rede-<lb/>
ten mich mit landesüblichen Begrüßungen in ih-<lb/>
rer Sprache an; ich &#x017F;tand auf und trat zwei<lb/>
Schritte zurück. Ich &#x017F;ah &#x017F;ie nicht mehr, die Land-<lb/>
&#x017F;chaft war ganz verändert: Bäume, Wälder, &#x017F;tatt<lb/>
der Reisfelder. Ich betrachtete die&#x017F;e Bäume und<lb/>
die Kräuter, die um mich blühten; die ich kann-<lb/>
te, waren &#x017F;üdö&#x017F;tlich a&#x017F;iati&#x017F;che Gewäch&#x017F;e; ich wollte<lb/>
auf den einen Baum zugehen, ein Schritt &#x2014;<lb/>
und wiederum Alles verändert. Ich trat nun<lb/>
an, wie ein Rekrut, der geübt wird, und &#x017F;chritt<lb/>
lang&#x017F;am, ge&#x017F;etzt einher. Wunderbar veränderliche<lb/>
Länder, Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sand-<lb/>&#x017F;ten, entrollen &#x017F;ich vor meinem &#x017F;taunenden<lb/>
Blick: es war kein Zweifel, ich hatte Sieben-<lb/>
meilen&#x017F;tiefel an den Füßen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0144] mir ſeltſame Sylben durch die Naſe zählen; ich blickte auf: zwei Chineſen, an der aſiatiſchen Ge- ſichtsbildung unverkennbar, wenn ich auch ihrer Kleidung keinen Glauben beimeſſen wollte, rede- ten mich mit landesüblichen Begrüßungen in ih- rer Sprache an; ich ſtand auf und trat zwei Schritte zurück. Ich ſah ſie nicht mehr, die Land- ſchaft war ganz verändert: Bäume, Wälder, ſtatt der Reisfelder. Ich betrachtete dieſe Bäume und die Kräuter, die um mich blühten; die ich kann- te, waren ſüdöſtlich aſiatiſche Gewächſe; ich wollte auf den einen Baum zugehen, ein Schritt — und wiederum Alles verändert. Ich trat nun an, wie ein Rekrut, der geübt wird, und ſchritt langſam, geſetzt einher. Wunderbar veränderliche Länder, Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sand- wüſten, entrollen ſich vor meinem ſtaunenden Blick: es war kein Zweifel, ich hatte Sieben- meilenſtiefel an den Füßen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/144
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/144>, abgerufen am 27.11.2024.