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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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Ich setzte traurigen Herzens meinen Weg
fort und suchte ferner keines Menschen Gesell-
schaft. Ich hielt mich im dunkelsten Walde, und
mußte manchmal, um über einen Strich, wo die
Sonne schien, zu kommen, stundenlang darauf
warten, daß mir keines Menschen Aug' den
Durchgang verbot. Am Abend suchte ich Her-
berge in den Dörfern zu nehmen. Ich ging ei-
gentlich nach einem Bergwerk im Gebirge, wo
ich Arbeit unter der Erde zu finden gedachte;
denn, davon abgesehen, daß meine jetzige Lage
mir gebot, für meinen Lebensunterhalt selbst zu
sorgen, hatte ich dieses wohl erkannt, daß mich
allein angestrengte Arbeit gegen meine zerstören-
den Gedanken schützen könnte.

Ein paar regnichte Tage förderten mich leicht
auf den Weg, aber auf Kosten meiner Stiefel,
deren Sohlen für den Grafen Peter, und
nicht für den Fußknecht berechnet worden. Ich
ging schon auf den bloßen Füßen. Ich mußte
ein Paar neue Stiefel anschaffen. Am näch-
sten Morgen besorgte ich dieses Geschäft mit
vielem Ernst in einem Flecken, wo Kirmeß war,
und wo in einer Bude alte und neue Stiefel

Ich ſetzte traurigen Herzens meinen Weg
fort und ſuchte ferner keines Menſchen Geſell-
ſchaft. Ich hielt mich im dunkelſten Walde, und
mußte manchmal, um über einen Strich, wo die
Sonne ſchien, zu kommen, ſtundenlang darauf
warten, daß mir keines Menſchen Aug’ den
Durchgang verbot. Am Abend ſuchte ich Her-
berge in den Dörfern zu nehmen. Ich ging ei-
gentlich nach einem Bergwerk im Gebirge, wo
ich Arbeit unter der Erde zu finden gedachte;
denn, davon abgeſehen, daß meine jetzige Lage
mir gebot, für meinen Lebensunterhalt ſelbſt zu
ſorgen, hatte ich dieſes wohl erkannt, daß mich
allein angeſtrengte Arbeit gegen meine zerſtören-
den Gedanken ſchützen könnte.

Ein paar regnichte Tage förderten mich leicht
auf den Weg, aber auf Koſten meiner Stiefel,
deren Sohlen für den Grafen Peter, und
nicht für den Fußknecht berechnet worden. Ich
ging ſchon auf den bloßen Füßen. Ich mußte
ein Paar neue Stiefel anſchaffen. Am näch-
ſten Morgen beſorgte ich dieſes Geſchäft mit
vielem Ernſt in einem Flecken, wo Kirmeß war,
und wo in einer Bude alte und neue Stiefel

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[123/0141] Ich ſetzte traurigen Herzens meinen Weg fort und ſuchte ferner keines Menſchen Geſell- ſchaft. Ich hielt mich im dunkelſten Walde, und mußte manchmal, um über einen Strich, wo die Sonne ſchien, zu kommen, ſtundenlang darauf warten, daß mir keines Menſchen Aug’ den Durchgang verbot. Am Abend ſuchte ich Her- berge in den Dörfern zu nehmen. Ich ging ei- gentlich nach einem Bergwerk im Gebirge, wo ich Arbeit unter der Erde zu finden gedachte; denn, davon abgeſehen, daß meine jetzige Lage mir gebot, für meinen Lebensunterhalt ſelbſt zu ſorgen, hatte ich dieſes wohl erkannt, daß mich allein angeſtrengte Arbeit gegen meine zerſtören- den Gedanken ſchützen könnte. Ein paar regnichte Tage förderten mich leicht auf den Weg, aber auf Koſten meiner Stiefel, deren Sohlen für den Grafen Peter, und nicht für den Fußknecht berechnet worden. Ich ging ſchon auf den bloßen Füßen. Ich mußte ein Paar neue Stiefel anſchaffen. Am näch- ſten Morgen beſorgte ich dieſes Geſchäft mit vielem Ernſt in einem Flecken, wo Kirmeß war, und wo in einer Bude alte und neue Stiefel

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/141>, abgerufen am 23.04.2024.