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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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Die Mutter trat heraus und das Gespräch
begann. -- "Was macht Mina?" -- "Sie
weint." -- "Einfältiges Kind! es ist doch nicht
zu ändern!" -- "Freilich nicht; aber sie so früh
einem Andern zu geben -- -- O Mann, Du bist
grausam gegen Dein eigenes Kind." -- "Nein,
Mutter, das siehst Du sehr falsch. Wenn sie,
noch bevor sie ihre doch kindischen Thränen aus-
geweint hat, sich als die Frau eines sehr reichen
und geehrten Mannes findet, wird sie getröstet
aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er-
wachen, und Gott und uns danken, das wirst
Du sehen!" -- "Gott gebe es!" -- "Sie
besitzt freilich jetzt sehr ansehnliche Güter; aber
nach dem Aufsehen, das die unglückliche Geschichte
mit dem Abentheurer gemacht hat, glaubst Du,
daß sich sobald eine andere, für sie so passende
Partie, als der Herr Rascal, finden möchte?
Weißt Du, was für ein Vermögen er besitzt,
der Herr Rascal? Er hat für sechs Millionen
Güter hier im Lande, frei von allen Schulden,
baar bezahlt. Ich habe die Documente in Hän-
den gehabt! Er war's, der mir überall das Beste
vorweg genommen hat; und außerdem im Porte-
feuille Papiere auf Thomas John für circa

Die Mutter trat heraus und das Geſpräch
begann. — «Was macht Mina?» — «Sie
weint.» — «Einfältiges Kind! es iſt doch nicht
zu ändern!» — «Freilich nicht; aber ſie ſo früh
einem Andern zu geben — — O Mann, Du biſt
grauſam gegen Dein eigenes Kind.» — «Nein,
Mutter, das ſiehſt Du ſehr falſch. Wenn ſie,
noch bevor ſie ihre doch kindiſchen Thränen aus-
geweint hat, ſich als die Frau eines ſehr reichen
und geehrten Mannes findet, wird ſie getröſtet
aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er-
wachen, und Gott und uns danken, das wirſt
Du ſehen!» — «Gott gebe es!» — «Sie
beſitzt freilich jetzt ſehr anſehnliche Güter; aber
nach dem Aufſehen, das die unglückliche Geſchichte
mit dem Abentheurer gemacht hat, glaubſt Du,
daß ſich ſobald eine andere, für ſie ſo paſſende
Partie, als der Herr Rascal, finden möchte?
Weißt Du, was für ein Vermögen er beſitzt,
der Herr Rascal? Er hat für ſechs Millionen
Güter hier im Lande, frei von allen Schulden,
baar bezahlt. Ich habe die Documente in Hän-
den gehabt! Er war’s, der mir überall das Beſte
vorweg genommen hat; und außerdem im Porte-
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[94/0108] Die Mutter trat heraus und das Geſpräch begann. — «Was macht Mina?» — «Sie weint.» — «Einfältiges Kind! es iſt doch nicht zu ändern!» — «Freilich nicht; aber ſie ſo früh einem Andern zu geben — — O Mann, Du biſt grauſam gegen Dein eigenes Kind.» — «Nein, Mutter, das ſiehſt Du ſehr falſch. Wenn ſie, noch bevor ſie ihre doch kindiſchen Thränen aus- geweint hat, ſich als die Frau eines ſehr reichen und geehrten Mannes findet, wird ſie getröſtet aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er- wachen, und Gott und uns danken, das wirſt Du ſehen!» — «Gott gebe es!» — «Sie beſitzt freilich jetzt ſehr anſehnliche Güter; aber nach dem Aufſehen, das die unglückliche Geſchichte mit dem Abentheurer gemacht hat, glaubſt Du, daß ſich ſobald eine andere, für ſie ſo paſſende Partie, als der Herr Rascal, finden möchte? Weißt Du, was für ein Vermögen er beſitzt, der Herr Rascal? Er hat für ſechs Millionen Güter hier im Lande, frei von allen Schulden, baar bezahlt. Ich habe die Documente in Hän- den gehabt! Er war’s, der mir überall das Beſte vorweg genommen hat; und außerdem im Porte- feuille Papiere auf Thomas John für circa

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/108>, abgerufen am 25.04.2024.