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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

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Ich stand noch wie im Schlafe da. -- "Auf
den heutigen Tag angemeldet --?" ich überdachte
noch einmal die Zeit -- er hatte Recht, ich hatte
mich stets um einen Tag verrechnet. Ich suchte
mit der rechten Hand nach dem Seckel auf mei-
ner Brust, -- er errieth meine Meinung, und
trat zwei Schritte zurück.

"Nein, Herr Graf, der ist in zu guten
Händen, den behalten sie." -- Ich sah ihn mit
stieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr
fort: "Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit
zum Andenken: Sie sind nur so gut, und un-
terschreiben mir den Zettel da." -- Auf dem
Pergament standen die Worte:

"Kraft dieser meiner Unterschrift vermache
ich dem Inhaber dieses meine Seele nach
ihrer natürlichen Trennung von meinem
Leibe."

Ich sah mit stummem Staunen die Schrift
und den grauen Unbekannten abwechselnd an. --
Er hatte unterdessen mit einer neu geschnittenen
Feder einen Tropfen Bluts aufgefangen, der

Ich ſtand noch wie im Schlafe da. — “Auf
den heutigen Tag angemeldet —?„ ich überdachte
noch einmal die Zeit — er hatte Recht, ich hatte
mich ſtets um einen Tag verrechnet. Ich ſuchte
mit der rechten Hand nach dem Seckel auf mei-
ner Bruſt, — er errieth meine Meinung, und
trat zwei Schritte zurück.

“Nein, Herr Graf, der iſt in zu guten
Händen, den behalten ſie.„ — Ich ſah ihn mit
ſtieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr
fort: “Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit
zum Andenken: Sie ſind nur ſo gut, und un-
terſchreiben mir den Zettel da.„ — Auf dem
Pergament ſtanden die Worte:

“Kraft dieſer meiner Unterſchrift vermache
ich dem Inhaber dieſes meine Seele nach
ihrer natürlichen Trennung von meinem
Leibe.„

Ich ſah mit ſtummem Staunen die Schrift
und den grauen Unbekannten abwechſelnd an. —
Er hatte unterdeſſen mit einer neu geſchnittenen
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[63/0087] Ich ſtand noch wie im Schlafe da. — “Auf den heutigen Tag angemeldet —?„ ich überdachte noch einmal die Zeit — er hatte Recht, ich hatte mich ſtets um einen Tag verrechnet. Ich ſuchte mit der rechten Hand nach dem Seckel auf mei- ner Bruſt, — er errieth meine Meinung, und trat zwei Schritte zurück. “Nein, Herr Graf, der iſt in zu guten Händen, den behalten ſie.„ — Ich ſah ihn mit ſtieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr fort: “Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit zum Andenken: Sie ſind nur ſo gut, und un- terſchreiben mir den Zettel da.„ — Auf dem Pergament ſtanden die Worte: “Kraft dieſer meiner Unterſchrift vermache ich dem Inhaber dieſes meine Seele nach ihrer natürlichen Trennung von meinem Leibe.„ Ich ſah mit ſtummem Staunen die Schrift und den grauen Unbekannten abwechſelnd an. — Er hatte unterdeſſen mit einer neu geſchnittenen Feder einen Tropfen Bluts aufgefangen, der

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/87>, abgerufen am 01.05.2024.