Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

mich besonnen, mich selbst scharf angeschaut, der
ich ohne Schatten mit tückischer Selbstsucht, die-
sen Engel verderbend, die reine Seele an mich
gelogen und gestolen! Dann beschloß ich, mich
ihr selber zu verrathen; dann gelobt' ich mit theu-
ren Eidschwüren, mich von ihr zu reißen und zu
entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus,
und verabredete mit Bendel'n, wie ich sie auf
den Abend im Förstergarten besuchen wolle. --

Zu andern Zeiten log ich mir selber vom na-
he bevorstehenden Besuch des grauen Unbekannten
große Hoffnungen vor, und weinte wieder, wann
ich daran zu glauben vergebens versucht hatte.
Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den
Furchtbaren wieder zu sehen erwartete; denn
er hatte gesagt, in Jahr und Tag, und ich
glaubte an sein Wort.

Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute,
die ihr einziges Kind sehr liebten, das ganze Ver-
hältniß überraschte sie, als es schon bestand, und
sie wußten nicht, was sie dabei thun sollten. Sie
hatten früher nicht geträumt, der Graf Peter
könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er sie

mich beſonnen, mich ſelbſt ſcharf angeſchaut, der
ich ohne Schatten mit tückiſcher Selbſtſucht, die-
ſen Engel verderbend, die reine Seele an mich
gelogen und geſtolen! Dann beſchloß ich, mich
ihr ſelber zu verrathen; dann gelobt’ ich mit theu-
ren Eidſchwüren, mich von ihr zu reißen und zu
entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus,
und verabredete mit Bendel’n, wie ich ſie auf
den Abend im Förſtergarten beſuchen wolle. —

Zu andern Zeiten log ich mir ſelber vom na-
he bevorſtehenden Beſuch des grauen Unbekannten
große Hoffnungen vor, und weinte wieder, wann
ich daran zu glauben vergebens verſucht hatte.
Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den
Furchtbaren wieder zu ſehen erwartete; denn
er hatte geſagt, in Jahr und Tag, und ich
glaubte an ſein Wort.

Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute,
die ihr einziges Kind ſehr liebten, das ganze Ver-
hältniß überraſchte ſie, als es ſchon beſtand, und
ſie wußten nicht, was ſie dabei thun ſollten. Sie
hatten früher nicht geträumt, der Graf Peter
könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="48"/>
mich be&#x017F;onnen, mich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;charf ange&#x017F;chaut, der<lb/>
ich ohne Schatten mit tücki&#x017F;cher Selb&#x017F;t&#x017F;ucht, die-<lb/>
&#x017F;en Engel verderbend, die reine Seele an mich<lb/>
gelogen und ge&#x017F;tolen! Dann be&#x017F;chloß ich, mich<lb/>
ihr &#x017F;elber zu verrathen; dann gelobt&#x2019; ich mit theu-<lb/>
ren Eid&#x017F;chwüren, mich von ihr zu reißen und zu<lb/>
entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus,<lb/>
und verabredete mit <hi rendition="#g">Bendel&#x2019;n,</hi> wie ich &#x017F;ie auf<lb/>
den Abend im För&#x017F;tergarten be&#x017F;uchen wolle. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Zu andern Zeiten log ich mir &#x017F;elber vom na-<lb/>
he bevor&#x017F;tehenden Be&#x017F;uch des grauen Unbekannten<lb/>
große Hoffnungen vor, und weinte wieder, wann<lb/>
ich daran zu glauben vergebens ver&#x017F;ucht hatte.<lb/>
Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den<lb/>
Furchtbaren wieder zu &#x017F;ehen erwartete; denn<lb/>
er hatte ge&#x017F;agt, in Jahr und Tag, und ich<lb/>
glaubte an &#x017F;ein Wort.</p><lb/>
        <p>Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute,<lb/>
die ihr einziges Kind &#x017F;ehr liebten, das ganze Ver-<lb/>
hältniß überra&#x017F;chte &#x017F;ie, als es &#x017F;chon be&#x017F;tand, und<lb/>
&#x017F;ie wußten nicht, was &#x017F;ie dabei thun &#x017F;ollten. Sie<lb/>
hatten früher nicht geträumt, der <hi rendition="#g">Graf Peter</hi><lb/>
könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0072] mich beſonnen, mich ſelbſt ſcharf angeſchaut, der ich ohne Schatten mit tückiſcher Selbſtſucht, die- ſen Engel verderbend, die reine Seele an mich gelogen und geſtolen! Dann beſchloß ich, mich ihr ſelber zu verrathen; dann gelobt’ ich mit theu- ren Eidſchwüren, mich von ihr zu reißen und zu entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus, und verabredete mit Bendel’n, wie ich ſie auf den Abend im Förſtergarten beſuchen wolle. — Zu andern Zeiten log ich mir ſelber vom na- he bevorſtehenden Beſuch des grauen Unbekannten große Hoffnungen vor, und weinte wieder, wann ich daran zu glauben vergebens verſucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den Furchtbaren wieder zu ſehen erwartete; denn er hatte geſagt, in Jahr und Tag, und ich glaubte an ſein Wort. Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute, die ihr einziges Kind ſehr liebten, das ganze Ver- hältniß überraſchte ſie, als es ſchon beſtand, und ſie wußten nicht, was ſie dabei thun ſollten. Sie hatten früher nicht geträumt, der Graf Peter könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/72
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/72>, abgerufen am 24.11.2024.