Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Und dieser Auftritt, lieber Freund, mitten
in der Sonne, -- sie kniete noch immer zwei
Schritte von mir, und ich, ohne Schatten, konn-
te die Kluft nicht überspringen, nicht wieder vor
dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt'
ich nicht da für einen Schatten gegeben. Ich
mußte meine Schaam, meine Angst, meine Ver-
zweiflung tief in den Grund meines Wagens
verbergen. Bendel besann sich endlich für
mich, er sprang von der andern Seite aus dem
Wagen heraus, ich rief ihn noch zurück und
reichte ihm aus meinem Kästchen, das mir eben
zur Hand lag, eine reiche diamantene Krone,
die die schöne Fanny hatte zieren sollen. Er
trat vor, und sprach im Namen seines Herrn,
welcher solche Ehrenbezeugungen nicht annehmen
könne noch wolle; es müsse hier ein Irrthum
vorwalten, jedoch seien die guten Einwohner
der Stadt für ihren guten Willen bedankt.
Er nahm indeß den dargehaltenen Kranz von
seinem Ort, und legte den brillantenen Reif an
dessen Stelle; dann reichte er ehrerbietig der
schönen Jungfrau die Hand zum Aufstehen, ent-
fernte mit einem Wink Geistlichkeit, Magistratus

Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten
in der Sonne, — ſie kniete noch immer zwei
Schritte von mir, und ich, ohne Schatten, konn-
te die Kluft nicht überſpringen, nicht wieder vor
dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt’
ich nicht da für einen Schatten gegeben. Ich
mußte meine Schaam, meine Angſt, meine Ver-
zweiflung tief in den Grund meines Wagens
verbergen. Bendel beſann ſich endlich für
mich, er ſprang von der andern Seite aus dem
Wagen heraus, ich rief ihn noch zurück und
reichte ihm aus meinem Käſtchen, das mir eben
zur Hand lag, eine reiche diamantene Krone,
die die ſchöne Fanny hatte zieren ſollen. Er
trat vor, und ſprach im Namen ſeines Herrn,
welcher ſolche Ehrenbezeugungen nicht annehmen
könne noch wolle; es müſſe hier ein Irrthum
vorwalten, jedoch ſeien die guten Einwohner
der Stadt für ihren guten Willen bedankt.
Er nahm indeß den dargehaltenen Kranz von
ſeinem Ort, und legte den brillantenen Reif an
deſſen Stelle; dann reichte er ehrerbietig der
ſchönen Jungfrau die Hand zum Aufſtehen, ent-
fernte mit einem Wink Geiſtlichkeit, Magistratus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0063" n="39"/>
        <p>Und die&#x017F;er Auftritt, lieber Freund, mitten<lb/>
in der Sonne, &#x2014; &#x017F;ie kniete noch immer zwei<lb/>
Schritte von mir, und ich, ohne Schatten, konn-<lb/>
te die Kluft nicht über&#x017F;pringen, nicht wieder vor<lb/>
dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt&#x2019;<lb/>
ich nicht da für einen Schatten gegeben. Ich<lb/>
mußte meine Schaam, meine Ang&#x017F;t, meine Ver-<lb/>
zweiflung tief in den Grund meines Wagens<lb/>
verbergen. <hi rendition="#g">Bendel</hi> be&#x017F;ann &#x017F;ich endlich für<lb/>
mich, er &#x017F;prang von der andern Seite aus dem<lb/>
Wagen heraus, ich rief ihn noch zurück und<lb/>
reichte ihm aus meinem Kä&#x017F;tchen, das mir eben<lb/>
zur Hand lag, eine reiche diamantene Krone,<lb/>
die die &#x017F;chöne <hi rendition="#g">Fanny</hi> hatte zieren &#x017F;ollen. Er<lb/>
trat vor, und &#x017F;prach im Namen &#x017F;eines Herrn,<lb/>
welcher &#x017F;olche Ehrenbezeugungen nicht annehmen<lb/>
könne noch wolle; es mü&#x017F;&#x017F;e hier ein Irrthum<lb/>
vorwalten, jedoch &#x017F;eien die guten Einwohner<lb/>
der Stadt für ihren guten Willen bedankt.<lb/>
Er nahm indeß den dargehaltenen Kranz von<lb/>
&#x017F;einem Ort, und legte den brillantenen Reif an<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Stelle; dann reichte er ehrerbietig der<lb/>
&#x017F;chönen Jungfrau die Hand zum Auf&#x017F;tehen, ent-<lb/>
fernte mit einem Wink Gei&#x017F;tlichkeit, <hi rendition="#aq">Magistratus</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0063] Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der Sonne, — ſie kniete noch immer zwei Schritte von mir, und ich, ohne Schatten, konn- te die Kluft nicht überſpringen, nicht wieder vor dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt’ ich nicht da für einen Schatten gegeben. Ich mußte meine Schaam, meine Angſt, meine Ver- zweiflung tief in den Grund meines Wagens verbergen. Bendel beſann ſich endlich für mich, er ſprang von der andern Seite aus dem Wagen heraus, ich rief ihn noch zurück und reichte ihm aus meinem Käſtchen, das mir eben zur Hand lag, eine reiche diamantene Krone, die die ſchöne Fanny hatte zieren ſollen. Er trat vor, und ſprach im Namen ſeines Herrn, welcher ſolche Ehrenbezeugungen nicht annehmen könne noch wolle; es müſſe hier ein Irrthum vorwalten, jedoch ſeien die guten Einwohner der Stadt für ihren guten Willen bedankt. Er nahm indeß den dargehaltenen Kranz von ſeinem Ort, und legte den brillantenen Reif an deſſen Stelle; dann reichte er ehrerbietig der ſchönen Jungfrau die Hand zum Aufſtehen, ent- fernte mit einem Wink Geiſtlichkeit, Magistratus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/63
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/63>, abgerufen am 01.05.2024.