vorbehalten habe." -- "Wenn Sie befehlen, so pack' ich ein." Die Drohung war ihm ge- läufig. Ich schwieg; er setzte sich gleich daran, meinen Schatten wieder zusammen zu rollen. Ich erblaßte, aber ich ließ es stumm geschehen. Es erfolgte ein langes Stillschweigen. Er nahm zuerst das Wort:
"Sie können mich nicht leiden, mein Herr, Sie hassen mich, ich weiß es; doch warum has- sen Sie mich? Ist es etwa, weil Sie mich auf öffentlicher Strasse angefallen, und mir mein Vogelnest mit Gewalt zu rauben gemeint, oder ist es darum, daß Sie mein Gut, den Schat- ten, den Sie Ihrer bloßen Ehrlichkeit anver- traut glaubten, mir diebischer Weise zu ent- wenden gesucht haben? Ich meinerseits hasse Sie darum nicht; ich finde ganz natürlich, daß Sie alle Ihre Vortheile, List und Gewalt gel- tend zu machen suchen; daß sie übrigens die al- lerstrengsten Grundsätze haben, und, wie die Ehrlichkeit selbst denken, ist eine Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. -- Ich denke in der That nicht so streng als Sie; ich handle
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vorbehalten habe.„ — “Wenn Sie befehlen, ſo pack’ ich ein.„ Die Drohung war ihm ge- läufig. Ich ſchwieg; er ſetzte ſich gleich daran, meinen Schatten wieder zuſammen zu rollen. Ich erblaßte, aber ich ließ es ſtumm geſchehen. Es erfolgte ein langes Stillſchweigen. Er nahm zuerſt das Wort:
“Sie können mich nicht leiden, mein Herr, Sie haſſen mich, ich weiß es; doch warum haſ- ſen Sie mich? Iſt es etwa, weil Sie mich auf öffentlicher Straſſe angefallen, und mir mein Vogelneſt mit Gewalt zu rauben gemeint, oder iſt es darum, daß Sie mein Gut, den Schat- ten, den Sie Ihrer bloßen Ehrlichkeit anver- traut glaubten, mir diebiſcher Weiſe zu ent- wenden geſucht haben? Ich meinerſeits haſſe Sie darum nicht; ich finde ganz natürlich, daß Sie alle Ihre Vortheile, Liſt und Gewalt gel- tend zu machen ſuchen; daß ſie übrigens die al- lerſtrengſten Grundſätze haben, und, wie die Ehrlichkeit ſelbſt denken, iſt eine Liebhaberei, wogegen ich auch nichts habe. — Ich denke in der That nicht ſo ſtreng als Sie; ich handle
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vorbehalten habe.„ — “Wenn Sie befehlen,
ſo pack’ ich ein.„ Die Drohung war ihm ge-
läufig. Ich ſchwieg; er ſetzte ſich gleich daran,
meinen Schatten wieder zuſammen zu rollen.
Ich erblaßte, aber ich ließ es ſtumm geſchehen.
Es erfolgte ein langes Stillſchweigen. Er nahm
zuerſt das Wort:
“Sie können mich nicht leiden, mein Herr,
Sie haſſen mich, ich weiß es; doch warum haſ-
ſen Sie mich? Iſt es etwa, weil Sie mich auf
öffentlicher Straſſe angefallen, und mir mein
Vogelneſt mit Gewalt zu rauben gemeint, oder
iſt es darum, daß Sie mein Gut, den Schat-
ten, den Sie Ihrer bloßen Ehrlichkeit anver-
traut glaubten, mir diebiſcher Weiſe zu ent-
wenden geſucht haben? Ich meinerſeits haſſe
Sie darum nicht; ich finde ganz natürlich, daß
Sie alle Ihre Vortheile, Liſt und Gewalt gel-
tend zu machen ſuchen; daß ſie übrigens die al-
lerſtrengſten Grundſätze haben, und, wie die
Ehrlichkeit ſelbſt denken, iſt eine Liebhaberei,
wogegen ich auch nichts habe. — Ich denke in
der That nicht ſo ſtreng als Sie; ich handle
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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