Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

Er führte mich durch die verödeten Zimmer nach einem
innern, verschont gebliebenen Gemach; er holte Speise und
Trank herbei, wir setzten uns, er fing wieder an zu wei-
nen. Er erzählte mir, daß er letzthin den grau gekleideten
dürren Mann, den er mit meinem Schatten angetroffen
hatte, so lange und so weit geschlagen habe, bis er selbst meine
Spur verloren und vor Müdigkeit hingesunken sei; daß nach-
her, wie er mich nicht wieder finden gekonnt, er nach
Hause zurückgekehrt, wo bald darauf der Pöbel, auf Ras-
cal's
Anstiften, herangestürmt, die Fenster eingeschlagen
und feine Zerstörungslust gebüßt. So hatten sie an ihrem
Wohlthäter gehandelt. Meine Dienerschaft war aus ein-
ander geflohen. Die örtliche Polizei hatte mich als ver-
dächtig aus der Stadt verwiesen, und mir eine Frist von
vier und zwanzig Stunden festgesetzt, um deren Gebiet zu
verlassen. Zu dem, was mir von Rascal's Reichthum
und Vermählung bekannt war, wußte er noch Vieles hin-
zuzufügen. Dieser Bösewicht, von dem Alles ausgegangen,
was hier gegen mich geschehen war, mußte von Anbeginn
mein Geheimniß besessen haben, es schien, er habe, vom
Golde angezogen, sich an mich zu drängen gewußt, und
schon in der ersten Zeit einen Schlüssel zu jenem Gold-
schrank sich verschafft, wo er den Grund zu dem Vermögen
gelegt, den noch zu vermehren er jetzt verschmähen konnte.

Das Alles erzählte mir Bendel unter häufigen Thrä-
nen, und weinte dann wieder vor Freuden, daß er mich
wieder sah, mich wieder hatte, und daß, nachdem er lang
gezweifelt, wohin das Unglück mich gebracht haben möchte,

Er fuͤhrte mich durch die veroͤdeten Zimmer nach einem
innern, verſchont gebliebenen Gemach; er holte Speiſe und
Trank herbei, wir ſetzten uns, er fing wieder an zu wei-
nen. Er erzaͤhlte mir, daß er letzthin den grau gekleideten
duͤrren Mann, den er mit meinem Schatten angetroffen
hatte, ſo lange und ſo weit geſchlagen habe, bis er ſelbſt meine
Spur verloren und vor Muͤdigkeit hingeſunken ſei; daß nach-
her, wie er mich nicht wieder finden gekonnt, er nach
Hauſe zuruͤckgekehrt, wo bald darauf der Poͤbel, auf Ras-
cal’s
Anſtiften, herangeſtuͤrmt, die Fenſter eingeſchlagen
und feine Zerſtoͤrungsluſt gebuͤßt. So hatten ſie an ihrem
Wohlthaͤter gehandelt. Meine Dienerſchaft war aus ein-
ander geflohen. Die oͤrtliche Polizei hatte mich als ver-
daͤchtig aus der Stadt verwieſen, und mir eine Friſt von
vier und zwanzig Stunden feſtgeſetzt, um deren Gebiet zu
verlaſſen. Zu dem, was mir von Rascal’s Reichthum
und Vermaͤhlung bekannt war, wußte er noch Vieles hin-
zuzufuͤgen. Dieſer Boͤſewicht, von dem Alles ausgegangen,
was hier gegen mich geſchehen war, mußte von Anbeginn
mein Geheimniß beſeſſen haben, es ſchien, er habe, vom
Golde angezogen, ſich an mich zu draͤngen gewußt, und
ſchon in der erſten Zeit einen Schluͤſſel zu jenem Gold-
ſchrank ſich verſchafft, wo er den Grund zu dem Vermoͤgen
gelegt, den noch zu vermehren er jetzt verſchmaͤhen konnte.

Das Alles erzaͤhlte mir Bendel unter haͤufigen Thraͤ-
nen, und weinte dann wieder vor Freuden, daß er mich
wieder ſah, mich wieder hatte, und daß, nachdem er lang
gezweifelt, wohin das Ungluͤck mich gebracht haben moͤchte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <pb facs="#f0087" n="299"/>
          <p>Er fu&#x0364;hrte mich durch die vero&#x0364;deten Zimmer nach einem<lb/>
innern, ver&#x017F;chont gebliebenen Gemach; er holte Spei&#x017F;e und<lb/>
Trank herbei, wir &#x017F;etzten uns, er fing wieder an zu wei-<lb/>
nen. Er erza&#x0364;hlte mir, daß er letzthin den grau gekleideten<lb/>
du&#x0364;rren Mann, den er mit meinem Schatten angetroffen<lb/>
hatte, &#x017F;o lange und &#x017F;o weit ge&#x017F;chlagen habe, bis er &#x017F;elb&#x017F;t meine<lb/>
Spur verloren und vor Mu&#x0364;digkeit hinge&#x017F;unken &#x017F;ei; daß nach-<lb/>
her, wie er mich nicht wieder finden gekonnt, er nach<lb/>
Hau&#x017F;e zuru&#x0364;ckgekehrt, wo bald darauf der Po&#x0364;bel, auf <hi rendition="#g">Ras-<lb/>
cal&#x2019;s</hi> An&#x017F;tiften, herange&#x017F;tu&#x0364;rmt, die Fen&#x017F;ter einge&#x017F;chlagen<lb/>
und feine Zer&#x017F;to&#x0364;rungslu&#x017F;t gebu&#x0364;ßt. So hatten &#x017F;ie an ihrem<lb/>
Wohltha&#x0364;ter gehandelt. Meine Diener&#x017F;chaft war aus ein-<lb/>
ander geflohen. Die o&#x0364;rtliche Polizei hatte mich als ver-<lb/>
da&#x0364;chtig aus der Stadt verwie&#x017F;en, und mir eine Fri&#x017F;t von<lb/>
vier und zwanzig Stunden fe&#x017F;tge&#x017F;etzt, um deren Gebiet zu<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en. Zu dem, was mir von <hi rendition="#g">Rascal&#x2019;s</hi> Reichthum<lb/>
und Verma&#x0364;hlung bekannt war, wußte er noch Vieles hin-<lb/>
zuzufu&#x0364;gen. Die&#x017F;er Bo&#x0364;&#x017F;ewicht, von dem Alles ausgegangen,<lb/>
was hier gegen mich ge&#x017F;chehen war, mußte von Anbeginn<lb/>
mein Geheimniß be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en haben, es &#x017F;chien, er habe, vom<lb/>
Golde angezogen, &#x017F;ich an mich zu dra&#x0364;ngen gewußt, und<lb/>
&#x017F;chon in der er&#x017F;ten Zeit einen Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zu jenem Gold-<lb/>
&#x017F;chrank &#x017F;ich ver&#x017F;chafft, wo er den Grund zu dem Vermo&#x0364;gen<lb/>
gelegt, den noch zu vermehren er jetzt ver&#x017F;chma&#x0364;hen konnte.</p><lb/>
          <p>Das Alles erza&#x0364;hlte mir <hi rendition="#g">Bendel</hi> unter ha&#x0364;ufigen Thra&#x0364;-<lb/>
nen, und weinte dann wieder vor Freuden, daß er mich<lb/>
wieder &#x017F;ah, mich wieder hatte, und daß, nachdem er lang<lb/>
gezweifelt, wohin das Unglu&#x0364;ck mich gebracht haben mo&#x0364;chte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0087] Er fuͤhrte mich durch die veroͤdeten Zimmer nach einem innern, verſchont gebliebenen Gemach; er holte Speiſe und Trank herbei, wir ſetzten uns, er fing wieder an zu wei- nen. Er erzaͤhlte mir, daß er letzthin den grau gekleideten duͤrren Mann, den er mit meinem Schatten angetroffen hatte, ſo lange und ſo weit geſchlagen habe, bis er ſelbſt meine Spur verloren und vor Muͤdigkeit hingeſunken ſei; daß nach- her, wie er mich nicht wieder finden gekonnt, er nach Hauſe zuruͤckgekehrt, wo bald darauf der Poͤbel, auf Ras- cal’s Anſtiften, herangeſtuͤrmt, die Fenſter eingeſchlagen und feine Zerſtoͤrungsluſt gebuͤßt. So hatten ſie an ihrem Wohlthaͤter gehandelt. Meine Dienerſchaft war aus ein- ander geflohen. Die oͤrtliche Polizei hatte mich als ver- daͤchtig aus der Stadt verwieſen, und mir eine Friſt von vier und zwanzig Stunden feſtgeſetzt, um deren Gebiet zu verlaſſen. Zu dem, was mir von Rascal’s Reichthum und Vermaͤhlung bekannt war, wußte er noch Vieles hin- zuzufuͤgen. Dieſer Boͤſewicht, von dem Alles ausgegangen, was hier gegen mich geſchehen war, mußte von Anbeginn mein Geheimniß beſeſſen haben, es ſchien, er habe, vom Golde angezogen, ſich an mich zu draͤngen gewußt, und ſchon in der erſten Zeit einen Schluͤſſel zu jenem Gold- ſchrank ſich verſchafft, wo er den Grund zu dem Vermoͤgen gelegt, den noch zu vermehren er jetzt verſchmaͤhen konnte. Das Alles erzaͤhlte mir Bendel unter haͤufigen Thraͤ- nen, und weinte dann wieder vor Freuden, daß er mich wieder ſah, mich wieder hatte, und daß, nachdem er lang gezweifelt, wohin das Ungluͤck mich gebracht haben moͤchte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/87
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/87>, abgerufen am 21.11.2024.