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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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die besten Zimmer vorn heraus anweisen, und verschloß
mich darin, sobald ich konnte.

Was denkest Du, das ich nun anfing? -- O mein
lieber Chamisso, selbst vor Dir es zu gestehen, macht
mich erröthen. Ich zog den unglücklichen Seckel aus mei-
ner Brust hervor, und mit einer Art Wuth, die, wie eine
flackernde Feuersbrunst, sich in mir durch sich selbst mehrte,
zog ich Gold daraus, und Gold, und Gold, und immer mehr
Gold, und streute es auf den Estrich, und schritt darüber hin,
und ließ es klirren, und warf, mein armes Herz an dem
Glanze, an dem Klange weidend, immer des Metalles
mehr zu dem Metalle, bis ich ermüdet selbst auf das reiche
Lager sank und schwelgend darin wühlte, mich darüber
wälzte. So verging der Tag, der Abend, ich schloß meine
Thür nicht auf, die Nacht fand mich liegend auf dem
Golde, und darauf übermannte mich der Schlaf.

Da träumt' es mir von Dir, es ward mir, als stünde
ich hinter der Glasthüre Deines kleinen Zimmers, und
sähe Dich von da an Deinem Arbeitstische zwischen einem
Skelet und einem Bunde getrockneter Pflanzen sitzen, vor
Dir waren Haller, Humboldt und Linne aufgeschlagen,
auf Deinem Sopha lagen ein Band Goethe und der
Zauberring, ich betrachtete Dich lange und jedes Ding in
Deiner Stube, und dann Dich wieder, Du rührtest Dich
aber nicht, Du holtest auch nicht Athem, Du warst todt.

Ich erwachte. Es schien noch sehr früh zu sein.
Meine Uhr stand. Ich war wie zerschlagen, durstig und
hungrig auch noch; ich hatte seit dem vorigen Morgen

die beſten Zimmer vorn heraus anweiſen, und verſchloß
mich darin, ſobald ich konnte.

Was denkeſt Du, das ich nun anfing? — O mein
lieber Chamiſſo, ſelbſt vor Dir es zu geſtehen, macht
mich erroͤthen. Ich zog den ungluͤcklichen Seckel aus mei-
ner Bruſt hervor, und mit einer Art Wuth, die, wie eine
flackernde Feuersbrunſt, ſich in mir durch ſich ſelbſt mehrte,
zog ich Gold daraus, und Gold, und Gold, und immer mehr
Gold, und ſtreute es auf den Eſtrich, und ſchritt daruͤber hin,
und ließ es klirren, und warf, mein armes Herz an dem
Glanze, an dem Klange weidend, immer des Metalles
mehr zu dem Metalle, bis ich ermuͤdet ſelbſt auf das reiche
Lager ſank und ſchwelgend darin wuͤhlte, mich daruͤber
waͤlzte. So verging der Tag, der Abend, ich ſchloß meine
Thuͤr nicht auf, die Nacht fand mich liegend auf dem
Golde, und darauf uͤbermannte mich der Schlaf.

Da traͤumt’ es mir von Dir, es ward mir, als ſtuͤnde
ich hinter der Glasthuͤre Deines kleinen Zimmers, und
ſaͤhe Dich von da an Deinem Arbeitstiſche zwiſchen einem
Skelet und einem Bunde getrockneter Pflanzen ſitzen, vor
Dir waren Haller, Humboldt und Linné aufgeſchlagen,
auf Deinem Sopha lagen ein Band Goethe und der
Zauberring, ich betrachtete Dich lange und jedes Ding in
Deiner Stube, und dann Dich wieder, Du ruͤhrteſt Dich
aber nicht, Du holteſt auch nicht Athem, Du warſt todt.

Ich erwachte. Es ſchien noch ſehr fruͤh zu ſein.
Meine Uhr ſtand. Ich war wie zerſchlagen, durſtig und
hungrig auch noch; ich hatte ſeit dem vorigen Morgen

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[249/0035] die beſten Zimmer vorn heraus anweiſen, und verſchloß mich darin, ſobald ich konnte. Was denkeſt Du, das ich nun anfing? — O mein lieber Chamiſſo, ſelbſt vor Dir es zu geſtehen, macht mich erroͤthen. Ich zog den ungluͤcklichen Seckel aus mei- ner Bruſt hervor, und mit einer Art Wuth, die, wie eine flackernde Feuersbrunſt, ſich in mir durch ſich ſelbſt mehrte, zog ich Gold daraus, und Gold, und Gold, und immer mehr Gold, und ſtreute es auf den Eſtrich, und ſchritt daruͤber hin, und ließ es klirren, und warf, mein armes Herz an dem Glanze, an dem Klange weidend, immer des Metalles mehr zu dem Metalle, bis ich ermuͤdet ſelbſt auf das reiche Lager ſank und ſchwelgend darin wuͤhlte, mich daruͤber waͤlzte. So verging der Tag, der Abend, ich ſchloß meine Thuͤr nicht auf, die Nacht fand mich liegend auf dem Golde, und darauf uͤbermannte mich der Schlaf. Da traͤumt’ es mir von Dir, es ward mir, als ſtuͤnde ich hinter der Glasthuͤre Deines kleinen Zimmers, und ſaͤhe Dich von da an Deinem Arbeitstiſche zwiſchen einem Skelet und einem Bunde getrockneter Pflanzen ſitzen, vor Dir waren Haller, Humboldt und Linné aufgeſchlagen, auf Deinem Sopha lagen ein Band Goethe und der Zauberring, ich betrachtete Dich lange und jedes Ding in Deiner Stube, und dann Dich wieder, Du ruͤhrteſt Dich aber nicht, Du holteſt auch nicht Athem, Du warſt todt. Ich erwachte. Es ſchien noch ſehr fruͤh zu ſein. Meine Uhr ſtand. Ich war wie zerſchlagen, durſtig und hungrig auch noch; ich hatte ſeit dem vorigen Morgen

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/35>, abgerufen am 24.11.2024.