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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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Schwindel, und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten
vor den Augen. --

"Belieben gnädigst der Herr diesen Seckel zu besichti-
gen und zu erproben." Er steckte die Hand in die Tasche
und zog einen mäßig großen, festgenähten Beutel, von
starkem Korduanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren
heraus und händigte mir selbigen ein. Ich griff hinein,
und zog zehn Goldstücke daraus, und wieder zehn, und
wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm schnell die
Hand hin: "Topp! der Handel gilt, für den Beutel
haben Sie meinen Schatten." Er schlug ein, kniete dann
ungesäumt vor mir nieder, und mit einer bewundernswür-
digen Geschicklichkeit sah ich ihn meinen Schatten, vom
Kopf bis zu meinen Füßen, leise von dem Grase lösen,
aufheben, zusammenrollen und falten, und zuletzt einstecken.
Er stand auf, verbeugte sich noch einmal vor mir, und
zog sich dann nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt',
ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den
Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich her war die
Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung.



Schwindel, und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten
vor den Augen. —

〟Belieben gnaͤdigſt der Herr dieſen Seckel zu beſichti-
gen und zu erproben.〞 Er ſteckte die Hand in die Taſche
und zog einen maͤßig großen, feſtgenaͤhten Beutel, von
ſtarkem Korduanleder, an zwei tuͤchtigen ledernen Schnuͤren
heraus und haͤndigte mir ſelbigen ein. Ich griff hinein,
und zog zehn Goldſtuͤcke daraus, und wieder zehn, und
wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm ſchnell die
Hand hin: 〟Topp! der Handel gilt, fuͤr den Beutel
haben Sie meinen Schatten.〞 Er ſchlug ein, kniete dann
ungeſaͤumt vor mir nieder, und mit einer bewundernswuͤr-
digen Geſchicklichkeit ſah ich ihn meinen Schatten, vom
Kopf bis zu meinen Fuͤßen, leiſe von dem Graſe loͤſen,
aufheben, zuſammenrollen und falten, und zuletzt einſtecken.
Er ſtand auf, verbeugte ſich noch einmal vor mir, und
zog ſich dann nach dem Roſengebuͤſche zuruͤck. Mich duͤnkt’,
ich hoͤrte ihn da leiſe fuͤr ſich lachen. Ich aber hielt den
Beutel bei den Schnuͤren feſt, rund um mich her war die
Erde ſonnenhell, und in mir war noch keine Beſinnung.



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[246/0028] Schwindel, und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten vor den Augen. — 〟Belieben gnaͤdigſt der Herr dieſen Seckel zu beſichti- gen und zu erproben.〞 Er ſteckte die Hand in die Taſche und zog einen maͤßig großen, feſtgenaͤhten Beutel, von ſtarkem Korduanleder, an zwei tuͤchtigen ledernen Schnuͤren heraus und haͤndigte mir ſelbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Goldſtuͤcke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm ſchnell die Hand hin: 〟Topp! der Handel gilt, fuͤr den Beutel haben Sie meinen Schatten.〞 Er ſchlug ein, kniete dann ungeſaͤumt vor mir nieder, und mit einer bewundernswuͤr- digen Geſchicklichkeit ſah ich ihn meinen Schatten, vom Kopf bis zu meinen Fuͤßen, leiſe von dem Graſe loͤſen, aufheben, zuſammenrollen und falten, und zuletzt einſtecken. Er ſtand auf, verbeugte ſich noch einmal vor mir, und zog ſich dann nach dem Roſengebuͤſche zuruͤck. Mich duͤnkt’, ich hoͤrte ihn da leiſe fuͤr ſich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnuͤren feſt, rund um mich her war die Erde ſonnenhell, und in mir war noch keine Beſinnung.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/28>, abgerufen am 28.03.2024.