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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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zu mir, und setzte mich alsbald auf den Weg zu dem
Manne, der mir bei meinen bescheidenen Hoffnungen för-
derlich sein sollte.

Nachdem ich die lange Norderstraße hinaufgestiegen,
und das Thor erreicht, sah ich bald die Säulen durch das
Grüne schimmern -- "also hier," dacht' ich. Ich wischte
den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch
ab, setzte mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes
Namen die Klingel. Die Thür sprang auf. Auf dem
Flur hatt' ich ein Verhör zu bestehn, der Portier ließ
mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park
gerufen zu werden, wo Herr John -- mit einer kleinen
Gesellschaft sich erging. Ich erkannte gleich den Mann
am Glanze seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit. Er
empfing mich sehr gut, -- wie ein Reicher einen armen
Teufel, wandte sich sogar gegen mich, ohne sich jedoch von
der übrigen Gesellschaft abzuwenden, und nahm mir den
dargehaltenen Brief aus der Hand. -- "So, so! von
meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehört.
Er ist doch gesund? -- Dort," fuhr er gegen die Gesell-
schaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit
dem Brief auf einen Hügel, "dort lass' ich das neue
Gebäude aufführen." Er brach das Siegel auf und das
Gespräch nicht ab, das sich auf den Reichthum lenkte.
"Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million," warf er
hinein, "der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft!"
"O wie wahr!" rief ich aus mit vollem überströmenden
Gefühl. Das mußte ihm gefallen, er lächelte mich an

zu mir, und ſetzte mich alsbald auf den Weg zu dem
Manne, der mir bei meinen beſcheidenen Hoffnungen foͤr-
derlich ſein ſollte.

Nachdem ich die lange Norderſtraße hinaufgeſtiegen,
und das Thor erreicht, ſah ich bald die Saͤulen durch das
Gruͤne ſchimmern — 〟alſo hier,〞 dacht’ ich. Ich wiſchte
den Staub von meinen Fuͤßen mit meinem Schnupftuch
ab, ſetzte mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes
Namen die Klingel. Die Thuͤr ſprang auf. Auf dem
Flur hatt’ ich ein Verhoͤr zu beſtehn, der Portier ließ
mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park
gerufen zu werden, wo Herr John — mit einer kleinen
Geſellſchaft ſich erging. Ich erkannte gleich den Mann
am Glanze ſeiner wohlbeleibten Selbſtzufriedenheit. Er
empfing mich ſehr gut, — wie ein Reicher einen armen
Teufel, wandte ſich ſogar gegen mich, ohne ſich jedoch von
der uͤbrigen Geſellſchaft abzuwenden, und nahm mir den
dargehaltenen Brief aus der Hand. — 〟So, ſo! von
meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehoͤrt.
Er iſt doch geſund? — Dort,〞 fuhr er gegen die Geſell-
ſchaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit
dem Brief auf einen Huͤgel, 〟dort laſſ’ ich das neue
Gebaͤude auffuͤhren.〞 Er brach das Siegel auf und das
Geſpraͤch nicht ab, das ſich auf den Reichthum lenkte.
〟Wer nicht Herr iſt wenigſtens einer Million,〞 warf er
hinein, 〟der iſt, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft!〞
〟O wie wahr!〞 rief ich aus mit vollem uͤberſtroͤmenden
Gefuͤhl. Das mußte ihm gefallen, er laͤchelte mich an

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[238/0020] zu mir, und ſetzte mich alsbald auf den Weg zu dem Manne, der mir bei meinen beſcheidenen Hoffnungen foͤr- derlich ſein ſollte. Nachdem ich die lange Norderſtraße hinaufgeſtiegen, und das Thor erreicht, ſah ich bald die Saͤulen durch das Gruͤne ſchimmern — 〟alſo hier,〞 dacht’ ich. Ich wiſchte den Staub von meinen Fuͤßen mit meinem Schnupftuch ab, ſetzte mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes Namen die Klingel. Die Thuͤr ſprang auf. Auf dem Flur hatt’ ich ein Verhoͤr zu beſtehn, der Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo Herr John — mit einer kleinen Geſellſchaft ſich erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze ſeiner wohlbeleibten Selbſtzufriedenheit. Er empfing mich ſehr gut, — wie ein Reicher einen armen Teufel, wandte ſich ſogar gegen mich, ohne ſich jedoch von der uͤbrigen Geſellſchaft abzuwenden, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus der Hand. — 〟So, ſo! von meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehoͤrt. Er iſt doch geſund? — Dort,〞 fuhr er gegen die Geſell- ſchaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit dem Brief auf einen Huͤgel, 〟dort laſſ’ ich das neue Gebaͤude auffuͤhren.〞 Er brach das Siegel auf und das Geſpraͤch nicht ab, das ſich auf den Reichthum lenkte. 〟Wer nicht Herr iſt wenigſtens einer Million,〞 warf er hinein, 〟der iſt, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft!〞 〟O wie wahr!〞 rief ich aus mit vollem uͤberſtroͤmenden Gefuͤhl. Das mußte ihm gefallen, er laͤchelte mich an

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/20>, abgerufen am 25.04.2024.