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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

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Das Andere Buch/
[Spaltenumbruch]
Eigenschafft.

Speltz/ so viel die Wärme und Kälte be-
trifft/ hat eine Mittel-art zwischen dem
Weitzen und Gersten/ trocknet sanfftiglich:
Gibt wegen temperiert flüchtigem saltz/ und
rechten balsamischen Schwefel-theilen eine
bey nahem so gute Nahrung als der Weitzen.

Gebrauch.

Auß dem Speltzen oder Dinckel macht
man/ sonderlich in unserer Eydgnoßschafft/
darinnen der Weitzen wegen mangel guten
bodens nicht gesäet wird/ Mehl und Brot/
das nicht unlieblich zu essen/ zur Leibs-
nahrung zwar etwas geringer denn das
Weitzen/ aber besser denn das Gersten-brodt.

Ein Süpplein von geröstetem Speltzen-
Bauchflüß.brot mit Milch oder Hüner-brühen zuge-
richtet/ ist eine gute Speiß und Artzney vor
die Bauch-flüß.

Die Brosam des Speltzen-brots mit
Knollen
von ver-
stockter
Milch in
der Wei-
ber brüsten.
frischer Milch und Rosen-öl zu einem pfla-
ster gesotten/ zertreibet die Knollen von ver-
stockter Milch in der Weiber Brüsten/ auff
ein tuch gestrichen/ und warm übergelegt.

Hat in dem übrigen auch gleiche wür-
ckung mit dem Weitzen/ so daß man ihn
an statt desselben überall gebrauchen kan.



CAPUT XV.
[Abbildung] Gersten. Hordeum.
Namen.

GErsten heißt Griechisch/ [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]. La-
teinisch/ Hordeum. Jtaliänisch/ Or-
zo.
Frantzösisch/ Orge. Spanisch/
Cevada. Englisch/ Barley. Dänisch/ Byg.
Niderländisch/ Geerste.

Geschlecht.

Die Gersten ist ins gemein zweyerley/
groß und klein. Die Grosse hat grosse kol-
[Spaltenumbruch] bichte Aehren/ ein jeder kolb aber ist mit zei-
len besetzt/ etlicher mit vieren/ ein ander
mit sechsen/ und etlicher mit achten. De-
rohalben wird diß Geschlecht bey den Grie-
chen [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt], Polystichum, das ist vollzei-
tig/ genant: Hordeum polystichum hyber-
num, C. B.

Die kleine oder gemeine Futter-gersten/
hat nur zwo zeilen/ wird derowegen [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt],
Distichum, das ist zwey zeitig/ geheissen.

Sonsten sind diese beyde Geschlechte mit
Keimen/ Graß/ Stroh/ und den rauchen
Granen nicht wol zu underscheiden.

Jn Franckreich findet man ein Geschlecht
der Gersten/ genant Hordeum mundum,
das ist/ reine Gersten/ darumb daß die Kör-
ner selbst auß den Hülsen fallen/ so man doch
in der anderen Gersten die Körner schwerlich
von den Hülsen ablösen kan.

Gestalt.

Am sibenden tag nach dem die Gersten
gesäet ist/ schleicht gemeiniglich der Keimen
herfür/ also daß ein jedes Gersten-korn
zween Keimen gewinnet/ an jeder Spitzen
einen. Der erste bringet die Wurtzel/ die
begehret untersich. Der ander den Halm.
Das Gras der Gersten ist breiter und frew-
diger anzusehen/ dargegen ist Weitzen-stroh
stärcker und höher denn der Gersten. Steigt
ohn alle Blüth in die Aehren/ und bringet
ihre Körner in rauchen häutlein verwahret/
erscheinen erstlich gantz weich und weiß/ als
kein Milch. Die Spitzen an den Aehren
sind länger/ stärcker und schärffer/ denn
im Weitzen. Die wurtzel ist zasicht.

Die Winter-gersten wird im Heumonat/
die Sommer-gersten aber erst im Augstmo-
nat reiff eingesamlet. Wil gesäet seyn auff
gut/ fett und wolgedünget Erdreich/ sonst
mißrathet sie/ und wird zu Unkraut/ für-
nemlich aber so das Gewitter sehr naß ist.

Die beste Gersten ist weiß/ lauter/ wol
gediegen/ derb und schwer/ läßt sich bald
kochen.

Eigenschafft.

Die Gersten hat mehr saurlicht-flüchtiges
temperiertes saltz/ und weniger ölichte theil/
als der Weitzen und Dinckel bey sich/ wird
deßwegen von den Alten kalt und trucken im
ersten grad geachtet. Säuberet/ öffnet/ zei-
tiget/ erweichet und linderet; deren Mehl
und Brot nicht so viel Nahrung gibt/ als
der vorigen Früchten.

Gebrauch.

Es haben die Alten die Gersten vor ande-
rem Geträid in den Küchen sehr gebrauchet/
ist eine gute Speiß/ nicht allein den gesun-
den Menschen dienlich/ sondern auch den
krancken in viel weg nutzlich.

Die alten Fechter haben sich bey der Ger-
sten als einer kräfftigen Speiß beholffen/ und
dieselbige in stätigem gebrauch gehabt/ de-
rowegen sie auch/ als Plinius Lib. 18. Cap. 7.
vermeldet/ wie heutiges tags die Studen-
ten/ Hordearii, Gersten-fresser genant wer-
den. Es wird in keiner Landschafft der gan-
tzen Christenheit die Gersten mehr in der Ku-
chen und Speisen genutzet/ denn in unserem
Teutschland/ und wäre wol zu wünschen/

daß
Das Andere Buch/
[Spaltenumbruch]
Eigenſchafft.

Speltz/ ſo viel die Waͤrme und Kaͤlte be-
trifft/ hat eine Mittel-art zwiſchen dem
Weitzen und Gerſten/ trocknet ſanfftiglich:
Gibt wegen temperiert fluͤchtigem ſaltz/ und
rechten balſamiſchen Schwefel-theilen eine
bey nahem ſo gute Nahrung als der Weitzen.

Gebrauch.

Auß dem Speltzen oder Dinckel macht
man/ ſonderlich in unſerer Eydgnoßſchafft/
darinnen der Weitzen wegen mangel guten
bodens nicht geſaͤet wird/ Mehl und Brot/
das nicht unlieblich zu eſſen/ zur Leibs-
nahrung zwar etwas geringer denn das
Weitzen/ aber beſſer denn das Gerſten-brodt.

Ein Suͤpplein von geroͤſtetem Speltzen-
Bauchfluͤß.brot mit Milch oder Huͤner-bruͤhen zuge-
richtet/ iſt eine gute Speiß und Artzney vor
die Bauch-fluͤß.

Die Broſam des Speltzen-brots mit
Knollen
von ver-
ſtockter
Milch in
der Wei-
ber bruͤſtẽ.
friſcher Milch und Roſen-oͤl zu einem pfla-
ſter geſotten/ zertreibet die Knollen von ver-
ſtockter Milch in der Weiber Bruͤſten/ auff
ein tuch geſtrichen/ und warm uͤbergelegt.

Hat in dem uͤbrigen auch gleiche wuͤr-
ckung mit dem Weitzen/ ſo daß man ihn
an ſtatt deſſelben uͤberall gebrauchen kan.



CAPUT XV.
[Abbildung] Gerſten. Hordeum.
Namen.

GErſten heißt Griechiſch/ [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]. La-
teiniſch/ Hordeum. Jtaliaͤniſch/ Or-
zo.
Frantzoͤſiſch/ Orge. Spaniſch/
Cevada. Engliſch/ Barley. Daͤniſch/ Byg.
Niderlaͤndiſch/ Geerſte.

Geſchlecht.

Die Gerſten iſt ins gemein zweyerley/
groß und klein. Die Groſſe hat groſſe kol-
[Spaltenumbruch] bichte Aehren/ ein jeder kolb aber iſt mit zei-
len beſetzt/ etlicher mit vieren/ ein ander
mit ſechſen/ und etlicher mit achten. De-
rohalben wird diß Geſchlecht bey den Grie-
chen [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt], Polyſtichum, das iſt vollzei-
tig/ genant: Hordeum polyſtichum hyber-
num, C. B.

Die kleine oder gemeine Futter-gerſten/
hat nur zwo zeilen/ wird derowegen [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt],
Diſtichum, das iſt zwey zeitig/ geheiſſen.

Sonſten ſind dieſe beyde Geſchlechte mit
Keimen/ Graß/ Stroh/ und den rauchen
Granen nicht wol zu underſcheiden.

Jn Franckreich findet man ein Geſchlecht
der Gerſten/ genant Hordeum mundum,
das iſt/ reine Gerſten/ darumb daß die Koͤr-
ner ſelbſt auß den Huͤlſen fallen/ ſo man doch
in der anderen Gerſten die Koͤrner ſchwerlich
von den Huͤlſen abloͤſen kan.

Geſtalt.

Am ſibenden tag nach dem die Gerſten
geſaͤet iſt/ ſchleicht gemeiniglich der Keimen
herfuͤr/ alſo daß ein jedes Gerſten-korn
zween Keimen gewinnet/ an jeder Spitzen
einen. Der erſte bringet die Wurtzel/ die
begehret unterſich. Der ander den Halm.
Das Gras der Gerſten iſt breiter und frew-
diger anzuſehen/ dargegen iſt Weitzen-ſtroh
ſtaͤrcker und hoͤher denn der Gerſten. Steigt
ohn alle Bluͤth in die Aehren/ und bringet
ihre Koͤrner in rauchen haͤutlein verwahret/
erſcheinen erſtlich gantz weich und weiß/ als
kein Milch. Die Spitzen an den Aehren
ſind laͤnger/ ſtaͤrcker und ſchaͤrffer/ denn
im Weitzen. Die wurtzel iſt zaſicht.

Die Winter-gerſten wird im Heumonat/
die Sommer-gerſten aber erſt im Augſtmo-
nat reiff eingeſamlet. Wil geſaͤet ſeyn auff
gut/ fett und wolgeduͤnget Erdreich/ ſonſt
mißrathet ſie/ und wird zu Unkraut/ fuͤr-
nemlich aber ſo das Gewitter ſehr naß iſt.

Die beſte Gerſten iſt weiß/ lauter/ wol
gediegen/ derb und ſchwer/ laͤßt ſich bald
kochen.

Eigenſchafft.

Die Gerſten hat mehr ſaurlicht-fluͤchtiges
temperiertes ſaltz/ und weniger oͤlichte theil/
als der Weitzen und Dinckel bey ſich/ wird
deßwegen von den Alten kalt und trucken im
erſten grad geachtet. Saͤuberet/ oͤffnet/ zei-
tiget/ erweichet und linderet; deren Mehl
und Brot nicht ſo viel Nahrung gibt/ als
der vorigen Fruͤchten.

Gebrauch.

Es haben die Alten die Gerſten vor ande-
rem Getraͤid in den Kuͤchen ſehr gebrauchet/
iſt eine gute Speiß/ nicht allein den geſun-
den Menſchen dienlich/ ſondern auch den
krancken in viel weg nutzlich.

Die alten Fechter haben ſich bey der Ger-
ſten als einer kraͤfftigen Speiß beholffen/ und
dieſelbige in ſtaͤtigem gebrauch gehabt/ de-
rowegen ſie auch/ als Plinius Lib. 18. Cap. 7.
vermeldet/ wie heutiges tags die Studen-
ten/ Hordearii, Gerſten-freſſer genant wer-
den. Es wird in keiner Landſchafft der gan-
tzen Chriſtenheit die Gerſten mehr in der Ku-
chen und Speiſen genutzet/ denn in unſerem
Teutſchland/ und waͤre wol zu wuͤnſchen/

daß
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[318/0334] Das Andere Buch/ Eigenſchafft. Speltz/ ſo viel die Waͤrme und Kaͤlte be- trifft/ hat eine Mittel-art zwiſchen dem Weitzen und Gerſten/ trocknet ſanfftiglich: Gibt wegen temperiert fluͤchtigem ſaltz/ und rechten balſamiſchen Schwefel-theilen eine bey nahem ſo gute Nahrung als der Weitzen. Gebrauch. Auß dem Speltzen oder Dinckel macht man/ ſonderlich in unſerer Eydgnoßſchafft/ darinnen der Weitzen wegen mangel guten bodens nicht geſaͤet wird/ Mehl und Brot/ das nicht unlieblich zu eſſen/ zur Leibs- nahrung zwar etwas geringer denn das Weitzen/ aber beſſer denn das Gerſten-brodt. Ein Suͤpplein von geroͤſtetem Speltzen- brot mit Milch oder Huͤner-bruͤhen zuge- richtet/ iſt eine gute Speiß und Artzney vor die Bauch-fluͤß. Bauchfluͤß. Die Broſam des Speltzen-brots mit friſcher Milch und Roſen-oͤl zu einem pfla- ſter geſotten/ zertreibet die Knollen von ver- ſtockter Milch in der Weiber Bruͤſten/ auff ein tuch geſtrichen/ und warm uͤbergelegt. Knollen von ver- ſtockter Milch in der Wei- ber bruͤſtẽ. Hat in dem uͤbrigen auch gleiche wuͤr- ckung mit dem Weitzen/ ſo daß man ihn an ſtatt deſſelben uͤberall gebrauchen kan. CAPUT XV. [Abbildung Gerſten. Hordeum. ] Namen. GErſten heißt Griechiſch/ _. La- teiniſch/ Hordeum. Jtaliaͤniſch/ Or- zo. Frantzoͤſiſch/ Orge. Spaniſch/ Cevada. Engliſch/ Barley. Daͤniſch/ Byg. Niderlaͤndiſch/ Geerſte. Geſchlecht. Die Gerſten iſt ins gemein zweyerley/ groß und klein. Die Groſſe hat groſſe kol- bichte Aehren/ ein jeder kolb aber iſt mit zei- len beſetzt/ etlicher mit vieren/ ein ander mit ſechſen/ und etlicher mit achten. De- rohalben wird diß Geſchlecht bey den Grie- chen _, Polyſtichum, das iſt vollzei- tig/ genant: Hordeum polyſtichum hyber- num, C. B. Die kleine oder gemeine Futter-gerſten/ hat nur zwo zeilen/ wird derowegen _, Diſtichum, das iſt zwey zeitig/ geheiſſen. Sonſten ſind dieſe beyde Geſchlechte mit Keimen/ Graß/ Stroh/ und den rauchen Granen nicht wol zu underſcheiden. Jn Franckreich findet man ein Geſchlecht der Gerſten/ genant Hordeum mundum, das iſt/ reine Gerſten/ darumb daß die Koͤr- ner ſelbſt auß den Huͤlſen fallen/ ſo man doch in der anderen Gerſten die Koͤrner ſchwerlich von den Huͤlſen abloͤſen kan. Geſtalt. Am ſibenden tag nach dem die Gerſten geſaͤet iſt/ ſchleicht gemeiniglich der Keimen herfuͤr/ alſo daß ein jedes Gerſten-korn zween Keimen gewinnet/ an jeder Spitzen einen. Der erſte bringet die Wurtzel/ die begehret unterſich. Der ander den Halm. Das Gras der Gerſten iſt breiter und frew- diger anzuſehen/ dargegen iſt Weitzen-ſtroh ſtaͤrcker und hoͤher denn der Gerſten. Steigt ohn alle Bluͤth in die Aehren/ und bringet ihre Koͤrner in rauchen haͤutlein verwahret/ erſcheinen erſtlich gantz weich und weiß/ als kein Milch. Die Spitzen an den Aehren ſind laͤnger/ ſtaͤrcker und ſchaͤrffer/ denn im Weitzen. Die wurtzel iſt zaſicht. Die Winter-gerſten wird im Heumonat/ die Sommer-gerſten aber erſt im Augſtmo- nat reiff eingeſamlet. Wil geſaͤet ſeyn auff gut/ fett und wolgeduͤnget Erdreich/ ſonſt mißrathet ſie/ und wird zu Unkraut/ fuͤr- nemlich aber ſo das Gewitter ſehr naß iſt. Die beſte Gerſten iſt weiß/ lauter/ wol gediegen/ derb und ſchwer/ laͤßt ſich bald kochen. Eigenſchafft. Die Gerſten hat mehr ſaurlicht-fluͤchtiges temperiertes ſaltz/ und weniger oͤlichte theil/ als der Weitzen und Dinckel bey ſich/ wird deßwegen von den Alten kalt und trucken im erſten grad geachtet. Saͤuberet/ oͤffnet/ zei- tiget/ erweichet und linderet; deren Mehl und Brot nicht ſo viel Nahrung gibt/ als der vorigen Fruͤchten. Gebrauch. Es haben die Alten die Gerſten vor ande- rem Getraͤid in den Kuͤchen ſehr gebrauchet/ iſt eine gute Speiß/ nicht allein den geſun- den Menſchen dienlich/ ſondern auch den krancken in viel weg nutzlich. Die alten Fechter haben ſich bey der Ger- ſten als einer kraͤfftigen Speiß beholffen/ und dieſelbige in ſtaͤtigem gebrauch gehabt/ de- rowegen ſie auch/ als Plinius Lib. 18. Cap. 7. vermeldet/ wie heutiges tags die Studen- ten/ Hordearii, Gerſten-freſſer genant wer- den. Es wird in keiner Landſchafft der gan- tzen Chriſtenheit die Gerſten mehr in der Ku- chen und Speiſen genutzet/ denn in unſerem Teutſchland/ und waͤre wol zu wuͤnſchen/ daß

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Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/334>, abgerufen am 21.12.2024.