Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
VII.
Der Arsitz des Menschengeschlechts:
wo gelegen?, ob einer?, ob mehrere?

Die Frage nach dem Schauplatze der Menschheitsgeschichte während
ihres seligen Urzustandes oder nach der Lage des Paradieses ist
zwar von nur mittelbarem Belange für unser Problem, kann in-
dessen doch nicht ganz unerörtert bleiben. Sie hier wenigstens kurz
abzuhandeln sind wir schon deßhalb genöthigt, weil erst im Zusammen-
hange mit ihr die schon mehrmals im Obigen berührte Frage wegen
der Einheitlichkeit des Ursprungs unsres Geschlechts zum Austrage
gebracht werden kann. Geht man nemlich, unter Beiseitlassung alles
Sonstigen was die Paradiesessage in sich schließt: ihren Beziehungen
zur Welt- und Menschenschöpfung einerseits und zum Sündenfalle
andrerseits, ihren Bäumen, Naturproducten u. s. f., hauptsächlich
nur dem in ihr enthaltenen geographischen Problem nach; fragt
man, gestützt auf biblische Andeutungen, auf das Zeugniß der
Mythen des Heidenthums und auf die neuere anthropologisch-natur-
wissenschaftliche Forschung: wo der Ursitz der Menschheit wahrschein-
licherweise zu suchen sei?, so scheinen aus dem wirren Widerstreit
der Meinungen älteren und jüngeren Datums mehrere Oertlichkeiten
mit gegründeten Ansprüchen darauf, einst Sitz des Paradieses gewesen
zu sein, hervorzutauchen. Die Untersuchung über die regio Paradisi
scheint -- wenigstens ist dieß neuerdings mehrfach angenommen
worden -- vom Festhalten an der Einheitlichkeit des Menschheits-
ursprungs abzuführen und irgendwelche Form des Polygenismus zu

VII.
Der Arſitz des Menſchengeſchlechts:
wo gelegen?, ob einer?, ob mehrere?

Die Frage nach dem Schauplatze der Menſchheitsgeſchichte während
ihres ſeligen Urzuſtandes oder nach der Lage des Paradieſes iſt
zwar von nur mittelbarem Belange für unſer Problem, kann in-
deſſen doch nicht ganz unerörtert bleiben. Sie hier wenigſtens kurz
abzuhandeln ſind wir ſchon deßhalb genöthigt, weil erſt im Zuſammen-
hange mit ihr die ſchon mehrmals im Obigen berührte Frage wegen
der Einheitlichkeit des Urſprungs unſres Geſchlechts zum Austrage
gebracht werden kann. Geht man nemlich, unter Beiſeitlaſſung alles
Sonſtigen was die Paradieſesſage in ſich ſchließt: ihren Beziehungen
zur Welt- und Menſchenſchöpfung einerſeits und zum Sündenfalle
andrerſeits, ihren Bäumen, Naturproducten u. ſ. f., hauptſächlich
nur dem in ihr enthaltenen geographiſchen Problem nach; fragt
man, geſtützt auf bibliſche Andeutungen, auf das Zeugniß der
Mythen des Heidenthums und auf die neuere anthropologiſch-natur-
wiſſenſchaftliche Forſchung: wo der Urſitz der Menſchheit wahrſchein-
licherweiſe zu ſuchen ſei?, ſo ſcheinen aus dem wirren Widerſtreit
der Meinungen älteren und jüngeren Datums mehrere Oertlichkeiten
mit gegründeten Anſprüchen darauf, einſt Sitz des Paradieſes geweſen
zu ſein, hervorzutauchen. Die Unterſuchung über die regio Paradisi
ſcheint — wenigſtens iſt dieß neuerdings mehrfach angenommen
worden — vom Feſthalten an der Einheitlichkeit des Menſchheits-
urſprungs abzuführen und irgendwelche Form des Polygenismus zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0226" n="[216]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq">VII.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Der Ar&#x017F;itz des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts:</hi><lb/> <hi rendition="#g">wo gelegen?, ob einer?, ob mehrere?</hi> </head><lb/>
        <p>Die Frage nach dem Schauplatze der Men&#x017F;chheitsge&#x017F;chichte während<lb/>
ihres &#x017F;eligen Urzu&#x017F;tandes oder nach der Lage des Paradie&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
zwar von nur mittelbarem Belange für un&#x017F;er Problem, kann in-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en doch nicht ganz unerörtert bleiben. Sie hier wenig&#x017F;tens kurz<lb/>
abzuhandeln &#x017F;ind wir &#x017F;chon deßhalb genöthigt, weil er&#x017F;t im Zu&#x017F;ammen-<lb/>
hange mit ihr die &#x017F;chon mehrmals im Obigen berührte Frage wegen<lb/>
der Einheitlichkeit des Ur&#x017F;prungs un&#x017F;res Ge&#x017F;chlechts zum Austrage<lb/>
gebracht werden kann. Geht man nemlich, unter Bei&#x017F;eitla&#x017F;&#x017F;ung alles<lb/>
Son&#x017F;tigen was die Paradie&#x017F;es&#x017F;age in &#x017F;ich &#x017F;chließt: ihren Beziehungen<lb/>
zur Welt- und Men&#x017F;chen&#x017F;chöpfung einer&#x017F;eits und zum Sündenfalle<lb/>
andrer&#x017F;eits, ihren Bäumen, Naturproducten u. &#x017F;. f., haupt&#x017F;ächlich<lb/>
nur dem in ihr enthaltenen <hi rendition="#g">geographi&#x017F;chen</hi> Problem nach; fragt<lb/>
man, ge&#x017F;tützt auf bibli&#x017F;che Andeutungen, auf das Zeugniß der<lb/>
Mythen des Heidenthums und auf die neuere anthropologi&#x017F;ch-natur-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche For&#x017F;chung: <hi rendition="#g">wo</hi> der Ur&#x017F;itz der Men&#x017F;chheit wahr&#x017F;chein-<lb/>
licherwei&#x017F;e zu &#x017F;uchen &#x017F;ei?, &#x017F;o &#x017F;cheinen aus dem wirren Wider&#x017F;treit<lb/>
der Meinungen älteren und jüngeren Datums mehrere Oertlichkeiten<lb/>
mit gegründeten An&#x017F;prüchen darauf, ein&#x017F;t Sitz des Paradie&#x017F;es gewe&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;ein, hervorzutauchen. Die Unter&#x017F;uchung über die <hi rendition="#aq">regio Paradisi</hi><lb/>
&#x017F;cheint &#x2014; wenig&#x017F;tens i&#x017F;t dieß neuerdings mehrfach angenommen<lb/>
worden &#x2014; vom Fe&#x017F;thalten an der Einheitlichkeit des Men&#x017F;chheits-<lb/>
ur&#x017F;prungs abzuführen und irgendwelche Form des Polygenismus zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[216]/0226] VII. Der Arſitz des Menſchengeſchlechts: wo gelegen?, ob einer?, ob mehrere? Die Frage nach dem Schauplatze der Menſchheitsgeſchichte während ihres ſeligen Urzuſtandes oder nach der Lage des Paradieſes iſt zwar von nur mittelbarem Belange für unſer Problem, kann in- deſſen doch nicht ganz unerörtert bleiben. Sie hier wenigſtens kurz abzuhandeln ſind wir ſchon deßhalb genöthigt, weil erſt im Zuſammen- hange mit ihr die ſchon mehrmals im Obigen berührte Frage wegen der Einheitlichkeit des Urſprungs unſres Geſchlechts zum Austrage gebracht werden kann. Geht man nemlich, unter Beiſeitlaſſung alles Sonſtigen was die Paradieſesſage in ſich ſchließt: ihren Beziehungen zur Welt- und Menſchenſchöpfung einerſeits und zum Sündenfalle andrerſeits, ihren Bäumen, Naturproducten u. ſ. f., hauptſächlich nur dem in ihr enthaltenen geographiſchen Problem nach; fragt man, geſtützt auf bibliſche Andeutungen, auf das Zeugniß der Mythen des Heidenthums und auf die neuere anthropologiſch-natur- wiſſenſchaftliche Forſchung: wo der Urſitz der Menſchheit wahrſchein- licherweiſe zu ſuchen ſei?, ſo ſcheinen aus dem wirren Widerſtreit der Meinungen älteren und jüngeren Datums mehrere Oertlichkeiten mit gegründeten Anſprüchen darauf, einſt Sitz des Paradieſes geweſen zu ſein, hervorzutauchen. Die Unterſuchung über die regio Paradisi ſcheint — wenigſtens iſt dieß neuerdings mehrfach angenommen worden — vom Feſthalten an der Einheitlichkeit des Menſchheits- urſprungs abzuführen und irgendwelche Form des Polygenismus zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/226
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. [216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/226>, abgerufen am 21.11.2024.