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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit.
Prodikos von Keos den Herakles am scheidewege zwischen Arete und
Edone selbst erfunden hat, d. h. selbst das alte motiv, das in Sophokles
Krisis reiner als in den Kyprien dargestellt war, von Paris auf Herakles
übertragen, so hat er sich als einen würdigen sohn der insel des Simo-
nides erwiesen: er oder genauer der verkünder seiner lehre, Xenophon,
hat es jedenfalls bewirkt, dass dieses eine stück den hellenischen wie
unsern knaben den echten sinn des Herakles, wenn auch etwas farblos
und derb moralisirend, vor augen führte 126). viel wirksamer und in
ihrer art ein prachtstück ward die umprägung des Herakles zum heros
des kynismus durch Antisthenes. es kommt dafür weniger auf den inhalt
seines Herakles an als auf das bild, welches seitdem die Kyniker immer
weiter ausbilden und auf allen gassen zur schau stellen. zwei der kyni-
schen cardinaltugenden, autarkeia und philanthropia, besass Herakles
von der ältesten zeit her; streifte man ihm den epischen und dorischen
schmuck ab, so kam er nur um so reiner selbst zum vorschein. aber dass
er ponerotatos war, dass es ihm menschlich zu reden schlecht gieng,
er von ponos zu ponos schritt, Eurystheus und Hera ihn verfolgten, das
nahm der Kyniker gern mit auf, und wenn die Athener über dorische
amousia gescholten und gelacht hatten, so war dem Kyniker der nur
lieber, den so viel tuphos nicht berührte. gelernt musste er freilich haben,

hat). Pindar ist dann aber weiter gegangen und hat aus dem Geryonesexempel den
berühmten satz gezogen nomos o panton basileus, thneton te kai athanaton, agei
dikaion to biaiotaton upertata kheiri (169). er hat nur sagen wollen, dass oti nomi-
zetai dikaion estin, dass Herakles und die götter die ihm halfen den raub der rinder
für nomimon hielten, und er nicht anders urteilen dürfte: aber damit sagte er im
grunde dasselbe, was Eur. Hek. 799 zu der lästerlichen consequenz treibt, dass die
götter auch nur nomo verehrt werden, und was der brave Xenophon, Mem. IV 4, 20, aus
frömmigkeit verdirbt. offenbar hatte Pindar, was ihm manchmal (auch mit den pytha-
goreischen lehren Ol. 2) begegnet, eine neue lehre übernommen, ohne sich ihre für
seine weltanschauung vernichtenden consequenzen klar zu machen. leider kann man
weder sagen, wann er die Geryonesgedichte gemacht hat, noch für wen. das erste,
bescheidnere, war ein dithyrambus. Peisandros von Rhodos soll Herakles dikaio-
tatos phoneus genannt haben: das klingt stark an Pindar an, beruht aber auf dem
bedenklichen zeugen Olympiodor zu Alkibiades I: also ist vorsicht geboten. es klingt
auch an das noch ungelöste rätsel der Kleobulina an, das in den dorischen dialexeis
erhalten ist andr' eidon kleptonta kai exapatonta biaios, kai to bia drasai
touto dikaiotaton.
126) Auf einer herme im Vatican steht Elikien pais eimie bretas d' este-
atto Phelix Erakleous eikoe oistha me kak Prodikou (Kaibel 831 a). die abhängig-
keit des Prodikos von dem Parisurteil ist schon von dem philosophen erkannt, den
Athenaeus im anfange von buch XII ausschreibt. es ist ein späterer peripatetiker,
der wol besonders von Theophrast peri edones abhängt.

Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit.
Prodikos von Keos den Herakles am scheidewege zwischen Ἀρετή und
Ἡδονή selbst erfunden hat, d. h. selbst das alte motiv, das in Sophokles
Κρίσις reiner als in den Kyprien dargestellt war, von Paris auf Herakles
übertragen, so hat er sich als einen würdigen sohn der insel des Simo-
nides erwiesen: er oder genauer der verkünder seiner lehre, Xenophon,
hat es jedenfalls bewirkt, daſs dieses eine stück den hellenischen wie
unsern knaben den echten sinn des Herakles, wenn auch etwas farblos
und derb moralisirend, vor augen führte 126). viel wirksamer und in
ihrer art ein prachtstück ward die umprägung des Herakles zum heros
des kynismus durch Antisthenes. es kommt dafür weniger auf den inhalt
seines Herakles an als auf das bild, welches seitdem die Kyniker immer
weiter ausbilden und auf allen gassen zur schau stellen. zwei der kyni-
schen cardinaltugenden, αὐτάρκεια und φιλανϑρωπία, besaſs Herakles
von der ältesten zeit her; streifte man ihm den epischen und dorischen
schmuck ab, so kam er nur um so reiner selbst zum vorschein. aber daſs
er πονηρότατος war, daſs es ihm menschlich zu reden schlecht gieng,
er von πόνος zu πόνος schritt, Eurystheus und Hera ihn verfolgten, das
nahm der Kyniker gern mit auf, und wenn die Athener über dorische
ἀμουσία gescholten und gelacht hatten, so war dem Kyniker der nur
lieber, den so viel τῡφος nicht berührte. gelernt muſste er freilich haben,

hat). Pindar ist dann aber weiter gegangen und hat aus dem Geryonesexempel den
berühmten satz gezogen νόμος ὁ πάντων βασιλεύς, ϑνητῶν τε καὶ ἀϑανάτων, ἄγει
δικαιῶν τὸ βιαιότατον ὑπερτάτᾳ χειρί (169). er hat nur sagen wollen, daſs ὅτι νομί-
ζεται δίκαιόν ἐστιν, daſs Herakles und die götter die ihm halfen den raub der rinder
für νόμιμον hielten, und er nicht anders urteilen dürfte: aber damit sagte er im
grunde dasselbe, was Eur. Hek. 799 zu der lästerlichen consequenz treibt, daſs die
götter auch nur νόμῳ verehrt werden, und was der brave Xenophon, Mem. IV 4, 20, aus
frömmigkeit verdirbt. offenbar hatte Pindar, was ihm manchmal (auch mit den pytha-
goreischen lehren Ol. 2) begegnet, eine neue lehre übernommen, ohne sich ihre für
seine weltanschauung vernichtenden consequenzen klar zu machen. leider kann man
weder sagen, wann er die Geryonesgedichte gemacht hat, noch für wen. das erste,
bescheidnere, war ein dithyrambus. Peisandros von Rhodos soll Herakles δικαιό-
τατος φονεύς genannt haben: das klingt stark an Pindar an, beruht aber auf dem
bedenklichen zeugen Olympiodor zu Alkibiades I: also ist vorsicht geboten. es klingt
auch an das noch ungelöste rätsel der Kleobulina an, das in den dorischen διαλέξεις
erhalten ist ἄνδρ᾽ εἶδον κλέπτοντα καὶ ἐξαπατῶντα βιαίως, καὶ τὸ βίᾳ δρᾱσαι
τοῦτο δικαιότατον.
126) Auf einer herme im Vatican steht Ἡλικίην παῖς εἰμίη βρέτας δ᾽ ἐστή-
αττο Φῆλιξ Ἡρακλέους εἰκῶη οἶσϑά με κἀκ Προδίκου (Kaibel 831 a). die abhängig-
keit des Prodikos von dem Parisurteil ist schon von dem philosophen erkannt, den
Athenaeus im anfange von buch XII ausschreibt. es ist ein späterer peripatetiker,
der wol besonders von Theophrast περἰ ἡδονῆς abhängt.
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[335/0355] Die Heraklesreligion seit der archaischen zeit. Prodikos von Keos den Herakles am scheidewege zwischen Ἀρετή und Ἡδονή selbst erfunden hat, d. h. selbst das alte motiv, das in Sophokles Κρίσις reiner als in den Kyprien dargestellt war, von Paris auf Herakles übertragen, so hat er sich als einen würdigen sohn der insel des Simo- nides erwiesen: er oder genauer der verkünder seiner lehre, Xenophon, hat es jedenfalls bewirkt, daſs dieses eine stück den hellenischen wie unsern knaben den echten sinn des Herakles, wenn auch etwas farblos und derb moralisirend, vor augen führte 126). viel wirksamer und in ihrer art ein prachtstück ward die umprägung des Herakles zum heros des kynismus durch Antisthenes. es kommt dafür weniger auf den inhalt seines Herakles an als auf das bild, welches seitdem die Kyniker immer weiter ausbilden und auf allen gassen zur schau stellen. zwei der kyni- schen cardinaltugenden, αὐτάρκεια und φιλανϑρωπία, besaſs Herakles von der ältesten zeit her; streifte man ihm den epischen und dorischen schmuck ab, so kam er nur um so reiner selbst zum vorschein. aber daſs er πονηρότατος war, daſs es ihm menschlich zu reden schlecht gieng, er von πόνος zu πόνος schritt, Eurystheus und Hera ihn verfolgten, das nahm der Kyniker gern mit auf, und wenn die Athener über dorische ἀμουσία gescholten und gelacht hatten, so war dem Kyniker der nur lieber, den so viel τῡφος nicht berührte. gelernt muſste er freilich haben, 125) 126) Auf einer herme im Vatican steht Ἡλικίην παῖς εἰμίη βρέτας δ᾽ ἐστή- αττο Φῆλιξ Ἡρακλέους εἰκῶη οἶσϑά με κἀκ Προδίκου (Kaibel 831 a). die abhängig- keit des Prodikos von dem Parisurteil ist schon von dem philosophen erkannt, den Athenaeus im anfange von buch XII ausschreibt. es ist ein späterer peripatetiker, der wol besonders von Theophrast περἰ ἡδονῆς abhängt. 125) hat). Pindar ist dann aber weiter gegangen und hat aus dem Geryonesexempel den berühmten satz gezogen νόμος ὁ πάντων βασιλεύς, ϑνητῶν τε καὶ ἀϑανάτων, ἄγει δικαιῶν τὸ βιαιότατον ὑπερτάτᾳ χειρί (169). er hat nur sagen wollen, daſs ὅτι νομί- ζεται δίκαιόν ἐστιν, daſs Herakles und die götter die ihm halfen den raub der rinder für νόμιμον hielten, und er nicht anders urteilen dürfte: aber damit sagte er im grunde dasselbe, was Eur. Hek. 799 zu der lästerlichen consequenz treibt, daſs die götter auch nur νόμῳ verehrt werden, und was der brave Xenophon, Mem. IV 4, 20, aus frömmigkeit verdirbt. offenbar hatte Pindar, was ihm manchmal (auch mit den pytha- goreischen lehren Ol. 2) begegnet, eine neue lehre übernommen, ohne sich ihre für seine weltanschauung vernichtenden consequenzen klar zu machen. leider kann man weder sagen, wann er die Geryonesgedichte gemacht hat, noch für wen. das erste, bescheidnere, war ein dithyrambus. Peisandros von Rhodos soll Herakles δικαιό- τατος φονεύς genannt haben: das klingt stark an Pindar an, beruht aber auf dem bedenklichen zeugen Olympiodor zu Alkibiades I: also ist vorsicht geboten. es klingt auch an das noch ungelöste rätsel der Kleobulina an, das in den dorischen διαλέξεις erhalten ist ἄνδρ᾽ εἶδον κλέπτοντα καὶ ἐξαπατῶντα βιαίως, καὶ τὸ βίᾳ δρᾱσαι τοῦτο δικαιότατον.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/355>, abgerufen am 26.04.2024.