mit ihm sterben sollte. Schon lange hatte er einen jungen Menschen gesucht, bey dem er das natürliche Geschike, der Nachfolger eines Hippias zu seyn, in derjenigen Vollkommenheit finden möchte, die dazu er- fodert wurde. Seine Gabe, aus der Gestalt und Mine das Jnnwendige eines Menschen zu errathen, beredete ihn, im Agathon zu finden, was er suchte; wenigstens hielt er es der Mühe werth, den Versuch mit ihm zu machen; und da er von seiner Tüchtigkeit ein so gutes Vorurtheil gefasset hatte, so fiel ihm nur nicht ein, in seine Willigkeit zu den grossen Absichten, die er mit ihm vorhatte, einigen Zweifel zu sezen.
Drittes Capitel. Verwunderung, in welche Agathon gesezt wird.
Agathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne zugehöre, dessen äusserliches Ansehen ihm gefiel; als er bey dem Eintritt in sein Haus durch die Schön- heit des Gebäudes, die Bequemlichkeiten der Einrich- tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten, und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit, der ihm allenthalben entgegen glänzte, in eine Art von Verwunderung gesezt wurde, die ihm sonst nicht ge- wöhnlich war, und die nur desto mehr zunahm, wie er hörte, daß er die Ehre haben sollte, ein Haus-Genosse
von
Agathon.
mit ihm ſterben ſollte. Schon lange hatte er einen jungen Menſchen geſucht, bey dem er das natuͤrliche Geſchike, der Nachfolger eines Hippias zu ſeyn, in derjenigen Vollkommenheit finden moͤchte, die dazu er- fodert wurde. Seine Gabe, aus der Geſtalt und Mine das Jnnwendige eines Menſchen zu errathen, beredete ihn, im Agathon zu finden, was er ſuchte; wenigſtens hielt er es der Muͤhe werth, den Verſuch mit ihm zu machen; und da er von ſeiner Tuͤchtigkeit ein ſo gutes Vorurtheil gefaſſet hatte, ſo fiel ihm nur nicht ein, in ſeine Willigkeit zu den groſſen Abſichten, die er mit ihm vorhatte, einigen Zweifel zu ſezen.
Drittes Capitel. Verwunderung, in welche Agathon geſezt wird.
Agathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne zugehoͤre, deſſen aͤuſſerliches Anſehen ihm gefiel; als er bey dem Eintritt in ſein Haus durch die Schoͤn- heit des Gebaͤudes, die Bequemlichkeiten der Einrich- tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten, und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit, der ihm allenthalben entgegen glaͤnzte, in eine Art von Verwunderung geſezt wurde, die ihm ſonſt nicht ge- woͤhnlich war, und die nur deſto mehr zunahm, wie er hoͤrte, daß er die Ehre haben ſollte, ein Haus-Genoſſe
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Agathon.
mit ihm ſterben ſollte. Schon lange hatte er einen
jungen Menſchen geſucht, bey dem er das natuͤrliche
Geſchike, der Nachfolger eines Hippias zu ſeyn, in
derjenigen Vollkommenheit finden moͤchte, die dazu er-
fodert wurde. Seine Gabe, aus der Geſtalt und Mine
das Jnnwendige eines Menſchen zu errathen, beredete
ihn, im Agathon zu finden, was er ſuchte; wenigſtens
hielt er es der Muͤhe werth, den Verſuch mit ihm zu
machen; und da er von ſeiner Tuͤchtigkeit ein ſo gutes
Vorurtheil gefaſſet hatte, ſo fiel ihm nur nicht ein, in
ſeine Willigkeit zu den groſſen Abſichten, die er mit
ihm vorhatte, einigen Zweifel zu ſezen.
Drittes Capitel.
Verwunderung, in welche Agathon geſezt
wird.
Agathon wußte noch nichts, als daß er einem Manne
zugehoͤre, deſſen aͤuſſerliches Anſehen ihm gefiel; als
er bey dem Eintritt in ſein Haus durch die Schoͤn-
heit des Gebaͤudes, die Bequemlichkeiten der Einrich-
tung, die Menge und die gute Mine der Bedienten,
und durch einen Schimmer von Pracht und Ueppigkeit,
der ihm allenthalben entgegen glaͤnzte, in eine Art von
Verwunderung geſezt wurde, die ihm ſonſt nicht ge-
woͤhnlich war, und die nur deſto mehr zunahm, wie er
hoͤrte, daß er die Ehre haben ſollte, ein Haus-Genoſſe
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/68>, abgerufen am 24.02.2025.
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