Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

aufhörlich dem Luxus der Reichen neuen Verzehrungsstoff
vorwirft, indem der Arme, aus Bedürfniß der Nahrung
für seine Lebenskraft, diese eigene Lebenskraft dem Reichen
opfert.

So hat auch einst die Lebenskraft, das Lebensbedürf¬
niß der tellurischen Natur, diejenigen schädlichen Kräfte,
oder vielmehr die Macht des Vorhandenseins derjenigen
Elementarverbindungen und Erzeugungen genährt, welche
sie daran verhinderten, die ihrer Lebenskraft und Fähigkeit
wahrhaft entsprechende Aeußerung von sich zu geben. Der
Grund hiervon ist der in Wirklichkeit vorhandene Ueber¬
fluß, die strotzende Ueberfülle vorhandener Zeugungskraft
und Lebensstoffes, die unerschöpfliche Ergiebigkeit der
Materie: das Bedürfniß der Natur ist daher höchste Man¬
nigfaltigkeit und Vielheit, und die Befriedigung dieses
Bedürfnisses erreichte sie endlich dadurch oder vielmehr da¬
mit, daß sie -- um so zu sagen -- der Ausschließlichkeit,
der massenhaften, durch sie selbst zuvor aber üppig genähr¬
ten, Einzelheit ihre Kraft versagte, d. h. sie in die Viel¬
heit auflöste. -- Das Ausschließliche, Einzelne, Egoistische,
vermag nur zu nehmen, nicht aber zu geben: es kann sich
nur zeugen lassen, ist selbst aber zeugungsunfähig; zur
Zeugung gehört das Ich und das Du, das Aufgehen des
Egoismus in den Kommunismus. Die reichste Zeugungs¬
kraft ist daher in der größten Vielheit, und als die Erd¬

aufhörlich dem Luxus der Reichen neuen Verzehrungsſtoff
vorwirft, indem der Arme, aus Bedürfniß der Nahrung
für ſeine Lebenskraft, dieſe eigene Lebenskraft dem Reichen
opfert.

So hat auch einſt die Lebenskraft, das Lebensbedürf¬
niß der telluriſchen Natur, diejenigen ſchädlichen Kräfte,
oder vielmehr die Macht des Vorhandenſeins derjenigen
Elementarverbindungen und Erzeugungen genährt, welche
ſie daran verhinderten, die ihrer Lebenskraft und Fähigkeit
wahrhaft entſprechende Aeußerung von ſich zu geben. Der
Grund hiervon iſt der in Wirklichkeit vorhandene Ueber¬
fluß, die ſtrotzende Ueberfülle vorhandener Zeugungskraft
und Lebensſtoffes, die unerſchöpfliche Ergiebigkeit der
Materie: das Bedürfniß der Natur iſt daher höchſte Man¬
nigfaltigkeit und Vielheit, und die Befriedigung dieſes
Bedürfniſſes erreichte ſie endlich dadurch oder vielmehr da¬
mit, daß ſie — um ſo zu ſagen — der Ausſchließlichkeit,
der maſſenhaften, durch ſie ſelbſt zuvor aber üppig genähr¬
ten, Einzelheit ihre Kraft verſagte, d. h. ſie in die Viel¬
heit auflöſte. — Das Ausſchließliche, Einzelne, Egoiſtiſche,
vermag nur zu nehmen, nicht aber zu geben: es kann ſich
nur zeugen laſſen, iſt ſelbſt aber zeugungsunfähig; zur
Zeugung gehört das Ich und das Du, das Aufgehen des
Egoismus in den Kommunismus. Die reichſte Zeugungs¬
kraft iſt daher in der größten Vielheit, und als die Erd¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="16"/>
aufhörlich dem Luxus der Reichen neuen Verzehrungs&#x017F;toff<lb/>
vorwirft, indem der Arme, aus Bedürfniß der Nahrung<lb/>
für &#x017F;eine Lebenskraft, die&#x017F;e eigene Lebenskraft dem Reichen<lb/>
opfert.</p><lb/>
          <p>So hat auch ein&#x017F;t die Lebenskraft, das Lebensbedürf¬<lb/>
niß der telluri&#x017F;chen Natur, diejenigen &#x017F;chädlichen Kräfte,<lb/>
oder vielmehr die Macht des Vorhanden&#x017F;eins derjenigen<lb/>
Elementarverbindungen und Erzeugungen genährt, welche<lb/>
&#x017F;ie daran verhinderten, die ihrer Lebenskraft und Fähigkeit<lb/>
wahrhaft ent&#x017F;prechende Aeußerung von &#x017F;ich zu geben. Der<lb/>
Grund hiervon i&#x017F;t der in Wirklichkeit vorhandene Ueber¬<lb/>
fluß, die &#x017F;trotzende Ueberfülle vorhandener Zeugungskraft<lb/>
und Lebens&#x017F;toffes, die uner&#x017F;chöpfliche Ergiebigkeit der<lb/>
Materie: das Bedürfniß der Natur i&#x017F;t daher höch&#x017F;te Man¬<lb/>
nigfaltigkeit und Vielheit, und die Befriedigung die&#x017F;es<lb/>
Bedürfni&#x017F;&#x017F;es erreichte &#x017F;ie endlich dadurch oder vielmehr da¬<lb/>
mit, daß &#x017F;ie &#x2014; um &#x017F;o zu &#x017F;agen &#x2014; der Aus&#x017F;chließlichkeit,<lb/>
der ma&#x017F;&#x017F;enhaften, durch &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zuvor aber üppig genähr¬<lb/>
ten, Einzelheit ihre Kraft ver&#x017F;agte, d. h. &#x017F;ie in die Viel¬<lb/>
heit auflö&#x017F;te. &#x2014; Das Aus&#x017F;chließliche, Einzelne, Egoi&#x017F;ti&#x017F;che,<lb/>
vermag nur zu nehmen, nicht aber zu geben: es kann &#x017F;ich<lb/>
nur zeugen la&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t aber zeugungsunfähig; zur<lb/>
Zeugung gehört das Ich und das Du, das Aufgehen des<lb/>
Egoismus in den Kommunismus. Die reich&#x017F;te Zeugungs¬<lb/>
kraft i&#x017F;t daher in der größten Vielheit, und als die Erd¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0032] aufhörlich dem Luxus der Reichen neuen Verzehrungsſtoff vorwirft, indem der Arme, aus Bedürfniß der Nahrung für ſeine Lebenskraft, dieſe eigene Lebenskraft dem Reichen opfert. So hat auch einſt die Lebenskraft, das Lebensbedürf¬ niß der telluriſchen Natur, diejenigen ſchädlichen Kräfte, oder vielmehr die Macht des Vorhandenſeins derjenigen Elementarverbindungen und Erzeugungen genährt, welche ſie daran verhinderten, die ihrer Lebenskraft und Fähigkeit wahrhaft entſprechende Aeußerung von ſich zu geben. Der Grund hiervon iſt der in Wirklichkeit vorhandene Ueber¬ fluß, die ſtrotzende Ueberfülle vorhandener Zeugungskraft und Lebensſtoffes, die unerſchöpfliche Ergiebigkeit der Materie: das Bedürfniß der Natur iſt daher höchſte Man¬ nigfaltigkeit und Vielheit, und die Befriedigung dieſes Bedürfniſſes erreichte ſie endlich dadurch oder vielmehr da¬ mit, daß ſie — um ſo zu ſagen — der Ausſchließlichkeit, der maſſenhaften, durch ſie ſelbſt zuvor aber üppig genähr¬ ten, Einzelheit ihre Kraft verſagte, d. h. ſie in die Viel¬ heit auflöſte. — Das Ausſchließliche, Einzelne, Egoiſtiſche, vermag nur zu nehmen, nicht aber zu geben: es kann ſich nur zeugen laſſen, iſt ſelbſt aber zeugungsunfähig; zur Zeugung gehört das Ich und das Du, das Aufgehen des Egoismus in den Kommunismus. Die reichſte Zeugungs¬ kraft iſt daher in der größten Vielheit, und als die Erd¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/32
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/32>, abgerufen am 26.04.2024.