Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

früher war sie als Freundschaftszeichen schon bei den Scythen üblich.


Boa (M. der Tungusen), Name des obersten Gottes, des Herrn über Himmel und Erde. Die Verwandtschaft ihrer Religionslehre mit dem Buddhaismus lässt vermuthen, dass dieser B. Niemand anders als Buddha selbst sei.


Boarmia (Gr. M.), "Stier-Anspannerin", ward Minerva in Böotien zubenannt, weil man sagte, dass sie es gewesen, die den Menschen gelehrt, den Stier an den Pflug zu spannen.


Bobuns (Ind. M.), die einzelnen Regionen des Weltalls, deren fünfzehn sind, sieben unter, sieben über der Erdfläche (die Erde selbst als fünfzehnte Region zwischen ihnen); dort werden die gefallenen Geister gestraft, in den oberen geläutert, gebessert.


Bochuta Fig. 58. (Slav. M.), ein schlesischer Götze, dessen Bedeutung uns verloren gegangen ist. Ihn zeigt unsere Abbildung nach einer Statue gezeichnet, welche man unweit Liegnitz beim Ausgraben eines Brunnens gefunden haben soll. Das Gesicht hat einen Bocksbart und Bockshörner, seine rechte Hand trägt einen grossen Ring; hieraus wollen die Erklärer schliessen, dass er ein Ehestandsgötze gewesen, der Bocksbart und die Hörner auf die Fruchtbarkeit deuten, und der Ring das Zeichen ehelichen Gelöbnisses sei.


Fig. 58.

Bocksweihe (Litth. Rel.), ein Versöhnungsfest, das lange nach Einführung des Christenthums sich noch bei den Litthauern, Liev- und Kurländern erhalten hat. Die Bewohner eines Dorfes versammelten sich in der geräumigsten Scheuer; während die Frauen den Teig zu den Festkuchen kneteten, hielt der Priester einen schwarzen Bock bei den Hörnern, die Männer legten ihre rechte Hand auf dessen Rücken und beichteten laut ihre üblen Thaten; darauf ward Jeder der Beichtenden, nach Massgabe seiner Sünden, von dem Priester geschlagen, bei den Haaren gerauft oder auf eine andere Art empfindlich gestraft. Nun schlachtete der Priester den mit Sünden beladenen Bock, besprengte die Bauern mit dem Blute desselben, um sie zu entsündigen, und nahm das Fleisch nach Hause, um es den Göttern zu opfern - wie er sagte. Hierauf ward getrunken und von dem Priester Heldenthaten der Vorfahren erzählt, bis vor Trunkenheit er nicht mehr sprechen konnte.


Bodn (Nord. M.), eines von den drei Gefässen, in welchen die Zwerge Fialar und Galar das Blut des von ihnen ermordeten weisen Quaser auffassten, worauf sie es mit Honig vermischten und daraus den Weisheits- oder Götter-Trank, Quasersblod, bereiteten.


Boedromia (Gr. M.), ein in Attica jährlich zum Andenken an die Hülfe, welche Ion, oder nach Anderen dessen Vater Apollo, den Athenern gegen Eleusis geleistet, gefeiertes Fest; es fiel in den Monat Boedromion, der um die Mitte des August begann.


Boedromius (Gr. M.), "der auf den Ruf Herbeieilende", Beiname, unter welchem Apollo von den Athenern verehrt wurde; nach Einigen eingeführt von König Erechtheus, welcher, von den Eleusiniern unter Eumolpus angegriffen, auf Eingeben des Apollo mit einem furchtbaren Geschrei die Schlacht eröffnete, was die Feinde so sehr in Schrecken setzte, dass sie eiligst flohen; nach Andern von Theseus, dem Apollo zu Hülfe eilte, um die in das Gebiet von Attica eingedrungenen Amazonen zurückzuschlagen.


Bog, slavisch: Gott, woher die vielen mit dieser Sylbe zusammengesetzten Götternamen, wie: Czernebog, Ipabog u. s. w. Insbesondere scheint als oberster Gott von den slavischen Völkern B.-Triglaw verehrt worden zu sein; indessen ist durchaus kein Bildniss desselben unter den Denkmälern des wendischen, insbesondere obotritischen Heidenthums gefunden worden, die man im Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts bei Prilwiz in Mecklenburg-Streliz, auf der Stelle des alten berühmten Rethra, der Hauptstadt der Obotriten, gefunden hat, daher sehr zu vermuthen, dass B.-Triglaw als ein unbekannter Gott gedacht, und, da seine Verehrung nicht unmittelbar zeitliche Vortheile versprach, auch am wenigsten verehrt worden ist.


Bogdo Lama (Mong. Rel.), die Personification, die ewig dauernde Menschwerdung des Gottes Xaka oder Fo. Er ward 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung von einer reinen Jungfrau ohne Erzeugung geboren, verbreitete eine gereinigte Lehre, und ging lebendig in den Himmel ein, sein Geist aber senkte sich auf einen unschuldigen Knaben, welcher seitdem, in stets sich wiederholender Palingenesie, den B. L. vorstellt. Die Mitte von Asien, Kaschmir als die westliche, Japan von Niphon als die östliche Grenze, ist der Sitz des weit verbreiteten Lamaismus, welcher früher dadurch heftige Religionskriege verursachte, dass sich mehrere Personen für die gottbegeisterten Repräsentanten des Fo ausgaben; doch jetzt regieren diese alle friedlich neben einander, jeder in seinem Reiche als der sichtbare Gott verehrt, jeder überzeugt, dereinst alle Anderen seine Unter-Lama's zu nennen, so auch der B. L., von welchem, eine Weissagung verkündet, er werde über das Weltmeer nach dem paradiesischen Lande Schambala gehen, während der Dalai Lama (s. d.) alle westlich gelegenen Länder unterjochen wird; endlich besiegt aber B. L. diesen letzten Nebenbuhler, und regiert alle Völker. Der seit Jahrtausenden lebende B. L. pflanzt, wenn er alt und hinfällig wird, sein Ich auf einen andern jüngern fort, welcher diesen Gott nunmehr in sein Innerstes aufnimmt, als Lama verehrt wird, sich anbeten lässt, durch Kopfnicken segnet, und eine durchaus passive Rolle spielt, bis er, alt geworden, wiederum den inwohnenden Geist auf einen neuen Körper überträgt. Der B. L. gebietet über zahlreiche Mönchs- und Nonnen-Klöster, sowie über weltliche Geistliche, und sein Reich ist eine wohleingerichtete Hierarchie, in welcher die Priester Beichte hören, Segen spenden, mit dem Fegfeuer oder mit der Hölle drohen, wie sie mit dem Paradiese und der Fürbitte bei Heiligen belohnen; in welcher sich überhaupt manche Aehnlichkeit mit gewissen Lehren und Gebräuchen der christlichen Kirche nachweisen lassen, was man dadurch erklären will, dass 250 Jahre nach Christi Geburt Manes, und später (800) die vertriebenen Nestorianer sich nach Asien gewendet, und seit 1000 Jahren ihre Lehre dort verbreitet haben, so dass der Lamaismus für ein ausgeartetes Christenthum anzusehen wäre.


Boies, die Zauberer der Karaiben. Sie bilden eine Zunft; die Lehrlinge erhalten förmlichen Unterricht in ihren Heil- und andern Künsten, müssen sich durch Fasten Monate lang dazu vorbereiten, dann werden sie durch Haifischzähne verwundet, durch Tabakssaft berauscht, mit Oel eingerieben und mit Federn bestreut, um den grossen Geist zu versöhnen, und um zu demselben fliegen zu lernen; hierauf erst beginnt der Unterricht. Sie rufen die Geister an, um den Ausgang einer Krankheit, um den Verlauf einer Schlacht zu erfahren; die Beschwörung geschieht nur Nachts in völlig verfinsterter Hütte.


Bolina (Gr. M.), eine achäische Jungfrau, welche Apollo's Leidenschaft erregte, aber ihn floh, und da die Götter sie nicht verwandelten, sich in's Meer stürzte.

früher war sie als Freundschaftszeichen schon bei den Scythen üblich.


Boa (M. der Tungusen), Name des obersten Gottes, des Herrn über Himmel und Erde. Die Verwandtschaft ihrer Religionslehre mit dem Buddhaismus lässt vermuthen, dass dieser B. Niemand anders als Buddha selbst sei.


Boarmia (Gr. M.), »Stier-Anspannerin«, ward Minerva in Böotien zubenannt, weil man sagte, dass sie es gewesen, die den Menschen gelehrt, den Stier an den Pflug zu spannen.


Bobuns (Ind. M.), die einzelnen Regionen des Weltalls, deren fünfzehn sind, sieben unter, sieben über der Erdfläche (die Erde selbst als fünfzehnte Region zwischen ihnen); dort werden die gefallenen Geister gestraft, in den oberen geläutert, gebessert.


Bochuta Fig. 58. (Slav. M.), ein schlesischer Götze, dessen Bedeutung uns verloren gegangen ist. Ihn zeigt unsere Abbildung nach einer Statue gezeichnet, welche man unweit Liegnitz beim Ausgraben eines Brunnens gefunden haben soll. Das Gesicht hat einen Bocksbart und Bockshörner, seine rechte Hand trägt einen grossen Ring; hieraus wollen die Erklärer schliessen, dass er ein Ehestandsgötze gewesen, der Bocksbart und die Hörner auf die Fruchtbarkeit deuten, und der Ring das Zeichen ehelichen Gelöbnisses sei.


Fig. 58.

Bocksweihe (Litth. Rel.), ein Versöhnungsfest, das lange nach Einführung des Christenthums sich noch bei den Litthauern, Liev- und Kurländern erhalten hat. Die Bewohner eines Dorfes versammelten sich in der geräumigsten Scheuer; während die Frauen den Teig zu den Festkuchen kneteten, hielt der Priester einen schwarzen Bock bei den Hörnern, die Männer legten ihre rechte Hand auf dessen Rücken und beichteten laut ihre üblen Thaten; darauf ward Jeder der Beichtenden, nach Massgabe seiner Sünden, von dem Priester geschlagen, bei den Haaren gerauft oder auf eine andere Art empfindlich gestraft. Nun schlachtete der Priester den mit Sünden beladenen Bock, besprengte die Bauern mit dem Blute desselben, um sie zu entsündigen, und nahm das Fleisch nach Hause, um es den Göttern zu opfern – wie er sagte. Hierauf ward getrunken und von dem Priester Heldenthaten der Vorfahren erzählt, bis vor Trunkenheit er nicht mehr sprechen konnte.


Bodn (Nord. M.), eines von den drei Gefässen, in welchen die Zwerge Fialar und Galar das Blut des von ihnen ermordeten weisen Quaser auffassten, worauf sie es mit Honig vermischten und daraus den Weisheits- oder Götter-Trank, Quasersblod, bereiteten.


Boëdromia (Gr. M.), ein in Attica jährlich zum Andenken an die Hülfe, welche Ion, oder nach Anderen dessen Vater Apollo, den Athenern gegen Eleusis geleistet, gefeiertes Fest; es fiel in den Monat Boëdromion, der um die Mitte des August begann.


Boëdromius (Gr. M.), »der auf den Ruf Herbeieilende«, Beiname, unter welchem Apollo von den Athenern verehrt wurde; nach Einigen eingeführt von König Erechtheus, welcher, von den Eleusiniern unter Eumolpus angegriffen, auf Eingeben des Apollo mit einem furchtbaren Geschrei die Schlacht eröffnete, was die Feinde so sehr in Schrecken setzte, dass sie eiligst flohen; nach Andern von Theseus, dem Apollo zu Hülfe eilte, um die in das Gebiet von Attica eingedrungenen Amazonen zurückzuschlagen.


Bog, slavisch: Gott, woher die vielen mit dieser Sylbe zusammengesetzten Götternamen, wie: Czernebog, Ipabog u. s. w. Insbesondere scheint als oberster Gott von den slavischen Völkern B.-Triglaw verehrt worden zu sein; indessen ist durchaus kein Bildniss desselben unter den Denkmälern des wendischen, insbesondere obotritischen Heidenthums gefunden worden, die man im Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts bei Prilwiz in Mecklenburg-Streliz, auf der Stelle des alten berühmten Rethra, der Hauptstadt der Obotriten, gefunden hat, daher sehr zu vermuthen, dass B.-Triglaw als ein unbekannter Gott gedacht, und, da seine Verehrung nicht unmittelbar zeitliche Vortheile versprach, auch am wenigsten verehrt worden ist.


Bogdo Lama (Mong. Rel.), die Personification, die ewig dauernde Menschwerdung des Gottes Xaka oder Fo. Er ward 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung von einer reinen Jungfrau ohne Erzeugung geboren, verbreitete eine gereinigte Lehre, und ging lebendig in den Himmel ein, sein Geist aber senkte sich auf einen unschuldigen Knaben, welcher seitdem, in stets sich wiederholender Palingenesie, den B. L. vorstellt. Die Mitte von Asien, Kaschmir als die westliche, Japan von Niphon als die östliche Grenze, ist der Sitz des weit verbreiteten Lamaismus, welcher früher dadurch heftige Religionskriege verursachte, dass sich mehrere Personen für die gottbegeisterten Repräsentanten des Fo ausgaben; doch jetzt regieren diese alle friedlich neben einander, jeder in seinem Reiche als der sichtbare Gott verehrt, jeder überzeugt, dereinst alle Anderen seine Unter-Lama's zu nennen, so auch der B. L., von welchem, eine Weissagung verkündet, er werde über das Weltmeer nach dem paradiesischen Lande Schambala gehen, während der Dalai Lama (s. d.) alle westlich gelegenen Länder unterjochen wird; endlich besiegt aber B. L. diesen letzten Nebenbuhler, und regiert alle Völker. Der seit Jahrtausenden lebende B. L. pflanzt, wenn er alt und hinfällig wird, sein Ich auf einen andern jüngern fort, welcher diesen Gott nunmehr in sein Innerstes aufnimmt, als Lama verehrt wird, sich anbeten lässt, durch Kopfnicken segnet, und eine durchaus passive Rolle spielt, bis er, alt geworden, wiederum den inwohnenden Geist auf einen neuen Körper überträgt. Der B. L. gebietet über zahlreiche Mönchs- und Nonnen-Klöster, sowie über weltliche Geistliche, und sein Reich ist eine wohleingerichtete Hierarchie, in welcher die Priester Beichte hören, Segen spenden, mit dem Fegfeuer oder mit der Hölle drohen, wie sie mit dem Paradiese und der Fürbitte bei Heiligen belohnen; in welcher sich überhaupt manche Aehnlichkeit mit gewissen Lehren und Gebräuchen der christlichen Kirche nachweisen lassen, was man dadurch erklären will, dass 250 Jahre nach Christi Geburt Manes, und später (800) die vertriebenen Nestorianer sich nach Asien gewendet, und seit 1000 Jahren ihre Lehre dort verbreitet haben, so dass der Lamaismus für ein ausgeartetes Christenthum anzusehen wäre.


Boies, die Zauberer der Karaiben. Sie bilden eine Zunft; die Lehrlinge erhalten förmlichen Unterricht in ihren Heil- und andern Künsten, müssen sich durch Fasten Monate lang dazu vorbereiten, dann werden sie durch Haifischzähne verwundet, durch Tabakssaft berauscht, mit Oel eingerieben und mit Federn bestreut, um den grossen Geist zu versöhnen, und um zu demselben fliegen zu lernen; hierauf erst beginnt der Unterricht. Sie rufen die Geister an, um den Ausgang einer Krankheit, um den Verlauf einer Schlacht zu erfahren; die Beschwörung geschieht nur Nachts in völlig verfinsterter Hütte.


Bolina (Gr. M.), eine achäische Jungfrau, welche Apollo's Leidenschaft erregte, aber ihn floh, und da die Götter sie nicht verwandelten, sich in's Meer stürzte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0178" n="108"/>
früher war sie als Freundschaftszeichen schon bei den Scythen üblich.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Boa</hi> (M. der Tungusen), Name des obersten Gottes, des Herrn über Himmel und Erde. Die Verwandtschaft ihrer Religionslehre mit dem Buddhaismus lässt vermuthen, dass dieser B. Niemand anders als Buddha selbst sei.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Boarmia</hi> (Gr. M.), »Stier-Anspannerin«, ward Minerva in Böotien zubenannt, weil man sagte, dass sie es gewesen, die den Menschen gelehrt, den Stier an den Pflug zu spannen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bobuns</hi> (Ind. M.), die einzelnen Regionen des Weltalls, deren fünfzehn sind, sieben unter, sieben über der Erdfläche (die Erde selbst als fünfzehnte Region zwischen ihnen); dort werden die gefallenen Geister gestraft, in den oberen geläutert, gebessert.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bochuta</hi> Fig. 58. (Slav. M.), ein schlesischer Götze, dessen Bedeutung uns verloren gegangen ist. Ihn zeigt unsere Abbildung nach einer Statue gezeichnet, welche man unweit Liegnitz beim Ausgraben eines Brunnens gefunden haben soll. Das Gesicht hat einen Bocksbart und Bockshörner, seine rechte Hand trägt einen grossen Ring; hieraus wollen die Erklärer schliessen, dass er ein Ehestandsgötze gewesen, der Bocksbart und die Hörner auf die Fruchtbarkeit deuten, und der Ring das Zeichen ehelichen Gelöbnisses sei.</p><lb/>
          <figure facs="https://media.dwds.de/dta/images/vollmer_mythologie_1874/figures/vollmer_mythologie_1874_figure-0058.jpg" rendition="#c">
            <head>Fig. 58.</head><lb/>
          </figure>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bocksweihe</hi> (Litth. Rel.), ein Versöhnungsfest, das lange nach Einführung des Christenthums sich noch bei den Litthauern, Liev- und Kurländern erhalten hat. Die Bewohner eines Dorfes versammelten sich in der geräumigsten Scheuer; während die Frauen den Teig zu den Festkuchen kneteten, hielt der Priester einen schwarzen Bock bei den Hörnern, die Männer legten ihre rechte Hand auf dessen Rücken und beichteten laut ihre üblen Thaten; darauf ward Jeder der Beichtenden, nach Massgabe seiner Sünden, von dem Priester geschlagen, bei den Haaren gerauft oder auf eine andere Art empfindlich gestraft. Nun schlachtete der Priester den mit Sünden beladenen Bock, besprengte die Bauern mit dem Blute desselben, um sie zu entsündigen, und nahm das Fleisch nach Hause, um es den Göttern zu opfern &#x2013; wie er sagte. Hierauf ward getrunken und von dem Priester Heldenthaten der Vorfahren erzählt, bis vor Trunkenheit er nicht mehr sprechen konnte.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bodn</hi> (Nord. M.), eines von den drei Gefässen, in welchen die Zwerge Fialar und Galar das Blut des von ihnen ermordeten weisen Quaser auffassten, worauf sie es mit Honig vermischten und daraus den Weisheits- oder Götter-Trank, Quasersblod, bereiteten.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Boëdromia</hi> (Gr. M.), ein in Attica jährlich zum Andenken an die Hülfe, welche Ion, oder nach Anderen dessen Vater Apollo, den Athenern gegen Eleusis geleistet, gefeiertes Fest; es fiel in den Monat Boëdromion, der um die Mitte des August begann.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Boëdromius</hi> (Gr. M.), »der auf den Ruf Herbeieilende«, Beiname, unter welchem Apollo von den Athenern verehrt wurde; nach Einigen eingeführt von König Erechtheus, welcher, von den Eleusiniern unter Eumolpus angegriffen, auf Eingeben des Apollo mit einem furchtbaren Geschrei die Schlacht eröffnete, was die Feinde so sehr in Schrecken setzte, dass sie eiligst flohen; nach Andern von Theseus, dem Apollo zu Hülfe eilte, um die in das Gebiet von Attica eingedrungenen Amazonen zurückzuschlagen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bog</hi>, slavisch: Gott, woher die vielen mit dieser Sylbe zusammengesetzten Götternamen, wie: Czernebog, Ipabog u. s. w. Insbesondere scheint als oberster Gott von den slavischen Völkern B.-Triglaw verehrt worden zu sein; indessen ist durchaus kein Bildniss desselben unter den Denkmälern des wendischen, insbesondere obotritischen Heidenthums gefunden worden, die man im Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts bei Prilwiz in Mecklenburg-Streliz, auf der Stelle des alten berühmten Rethra, der Hauptstadt der Obotriten, gefunden hat, daher sehr zu vermuthen, dass B.-Triglaw als ein unbekannter Gott gedacht, und, da seine Verehrung nicht unmittelbar zeitliche Vortheile versprach, auch am wenigsten verehrt worden ist.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bogdo Lama</hi> (Mong. Rel.), die Personification, die ewig dauernde Menschwerdung des Gottes Xaka oder Fo. Er ward 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung von einer reinen Jungfrau ohne Erzeugung geboren, verbreitete eine gereinigte Lehre, und ging lebendig in den Himmel ein, sein Geist aber senkte sich auf einen unschuldigen Knaben, welcher seitdem, in stets sich wiederholender Palingenesie, den B. L. vorstellt. Die Mitte von Asien, Kaschmir als die westliche, Japan von Niphon als die östliche Grenze, ist der Sitz des weit verbreiteten Lamaismus, welcher früher dadurch heftige Religionskriege verursachte, dass sich mehrere Personen für die gottbegeisterten Repräsentanten des Fo ausgaben; doch jetzt regieren diese alle friedlich neben einander, jeder in seinem Reiche als der sichtbare Gott verehrt, jeder überzeugt, dereinst alle Anderen seine Unter-Lama's zu nennen, so auch der B. L., von welchem, eine Weissagung verkündet, er werde über das Weltmeer nach dem paradiesischen Lande Schambala gehen, während der Dalai Lama (s. d.) alle westlich gelegenen Länder unterjochen wird; endlich besiegt aber B. L. diesen letzten Nebenbuhler, und regiert alle Völker. Der seit Jahrtausenden lebende B. L. pflanzt, wenn er alt und hinfällig wird, sein Ich auf einen andern jüngern fort, welcher diesen Gott nunmehr in sein Innerstes aufnimmt, als Lama verehrt wird, sich anbeten lässt, durch Kopfnicken segnet, und eine durchaus passive Rolle spielt, bis er, alt geworden, wiederum den inwohnenden Geist auf einen neuen Körper überträgt. Der B. L. gebietet über zahlreiche Mönchs- und Nonnen-Klöster, sowie über weltliche Geistliche, und sein Reich ist eine wohleingerichtete Hierarchie, in welcher die Priester Beichte hören, Segen spenden, mit dem Fegfeuer oder mit der Hölle drohen, wie sie mit dem Paradiese und der Fürbitte bei Heiligen belohnen; in welcher sich überhaupt manche Aehnlichkeit mit gewissen Lehren und Gebräuchen der christlichen Kirche nachweisen lassen, was man dadurch erklären will, dass 250 Jahre nach Christi Geburt Manes, und später (800) die vertriebenen Nestorianer sich nach Asien gewendet, und seit 1000 Jahren ihre Lehre dort verbreitet haben, so dass der Lamaismus für ein ausgeartetes Christenthum anzusehen wäre.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Boies</hi>, die Zauberer der Karaiben. Sie bilden eine Zunft; die Lehrlinge erhalten förmlichen Unterricht in ihren Heil- und andern Künsten, müssen sich durch Fasten Monate lang dazu vorbereiten, dann werden sie durch Haifischzähne verwundet, durch Tabakssaft berauscht, mit Oel eingerieben und mit Federn bestreut, um den grossen Geist zu versöhnen, und um zu demselben fliegen zu lernen; hierauf erst beginnt der Unterricht. Sie rufen die Geister an, um den Ausgang einer Krankheit, um den Verlauf einer Schlacht zu erfahren; die Beschwörung geschieht nur Nachts in völlig verfinsterter Hütte.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Bolina</hi> (Gr. M.), eine achäische Jungfrau, welche Apollo's Leidenschaft erregte, aber ihn floh, und da die Götter sie nicht verwandelten, sich in's Meer stürzte.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0178] früher war sie als Freundschaftszeichen schon bei den Scythen üblich. Boa (M. der Tungusen), Name des obersten Gottes, des Herrn über Himmel und Erde. Die Verwandtschaft ihrer Religionslehre mit dem Buddhaismus lässt vermuthen, dass dieser B. Niemand anders als Buddha selbst sei. Boarmia (Gr. M.), »Stier-Anspannerin«, ward Minerva in Böotien zubenannt, weil man sagte, dass sie es gewesen, die den Menschen gelehrt, den Stier an den Pflug zu spannen. Bobuns (Ind. M.), die einzelnen Regionen des Weltalls, deren fünfzehn sind, sieben unter, sieben über der Erdfläche (die Erde selbst als fünfzehnte Region zwischen ihnen); dort werden die gefallenen Geister gestraft, in den oberen geläutert, gebessert. Bochuta Fig. 58. (Slav. M.), ein schlesischer Götze, dessen Bedeutung uns verloren gegangen ist. Ihn zeigt unsere Abbildung nach einer Statue gezeichnet, welche man unweit Liegnitz beim Ausgraben eines Brunnens gefunden haben soll. Das Gesicht hat einen Bocksbart und Bockshörner, seine rechte Hand trägt einen grossen Ring; hieraus wollen die Erklärer schliessen, dass er ein Ehestandsgötze gewesen, der Bocksbart und die Hörner auf die Fruchtbarkeit deuten, und der Ring das Zeichen ehelichen Gelöbnisses sei. [Abbildung Fig. 58. ] Bocksweihe (Litth. Rel.), ein Versöhnungsfest, das lange nach Einführung des Christenthums sich noch bei den Litthauern, Liev- und Kurländern erhalten hat. Die Bewohner eines Dorfes versammelten sich in der geräumigsten Scheuer; während die Frauen den Teig zu den Festkuchen kneteten, hielt der Priester einen schwarzen Bock bei den Hörnern, die Männer legten ihre rechte Hand auf dessen Rücken und beichteten laut ihre üblen Thaten; darauf ward Jeder der Beichtenden, nach Massgabe seiner Sünden, von dem Priester geschlagen, bei den Haaren gerauft oder auf eine andere Art empfindlich gestraft. Nun schlachtete der Priester den mit Sünden beladenen Bock, besprengte die Bauern mit dem Blute desselben, um sie zu entsündigen, und nahm das Fleisch nach Hause, um es den Göttern zu opfern – wie er sagte. Hierauf ward getrunken und von dem Priester Heldenthaten der Vorfahren erzählt, bis vor Trunkenheit er nicht mehr sprechen konnte. Bodn (Nord. M.), eines von den drei Gefässen, in welchen die Zwerge Fialar und Galar das Blut des von ihnen ermordeten weisen Quaser auffassten, worauf sie es mit Honig vermischten und daraus den Weisheits- oder Götter-Trank, Quasersblod, bereiteten. Boëdromia (Gr. M.), ein in Attica jährlich zum Andenken an die Hülfe, welche Ion, oder nach Anderen dessen Vater Apollo, den Athenern gegen Eleusis geleistet, gefeiertes Fest; es fiel in den Monat Boëdromion, der um die Mitte des August begann. Boëdromius (Gr. M.), »der auf den Ruf Herbeieilende«, Beiname, unter welchem Apollo von den Athenern verehrt wurde; nach Einigen eingeführt von König Erechtheus, welcher, von den Eleusiniern unter Eumolpus angegriffen, auf Eingeben des Apollo mit einem furchtbaren Geschrei die Schlacht eröffnete, was die Feinde so sehr in Schrecken setzte, dass sie eiligst flohen; nach Andern von Theseus, dem Apollo zu Hülfe eilte, um die in das Gebiet von Attica eingedrungenen Amazonen zurückzuschlagen. Bog, slavisch: Gott, woher die vielen mit dieser Sylbe zusammengesetzten Götternamen, wie: Czernebog, Ipabog u. s. w. Insbesondere scheint als oberster Gott von den slavischen Völkern B.-Triglaw verehrt worden zu sein; indessen ist durchaus kein Bildniss desselben unter den Denkmälern des wendischen, insbesondere obotritischen Heidenthums gefunden worden, die man im Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts bei Prilwiz in Mecklenburg-Streliz, auf der Stelle des alten berühmten Rethra, der Hauptstadt der Obotriten, gefunden hat, daher sehr zu vermuthen, dass B.-Triglaw als ein unbekannter Gott gedacht, und, da seine Verehrung nicht unmittelbar zeitliche Vortheile versprach, auch am wenigsten verehrt worden ist. Bogdo Lama (Mong. Rel.), die Personification, die ewig dauernde Menschwerdung des Gottes Xaka oder Fo. Er ward 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung von einer reinen Jungfrau ohne Erzeugung geboren, verbreitete eine gereinigte Lehre, und ging lebendig in den Himmel ein, sein Geist aber senkte sich auf einen unschuldigen Knaben, welcher seitdem, in stets sich wiederholender Palingenesie, den B. L. vorstellt. Die Mitte von Asien, Kaschmir als die westliche, Japan von Niphon als die östliche Grenze, ist der Sitz des weit verbreiteten Lamaismus, welcher früher dadurch heftige Religionskriege verursachte, dass sich mehrere Personen für die gottbegeisterten Repräsentanten des Fo ausgaben; doch jetzt regieren diese alle friedlich neben einander, jeder in seinem Reiche als der sichtbare Gott verehrt, jeder überzeugt, dereinst alle Anderen seine Unter-Lama's zu nennen, so auch der B. L., von welchem, eine Weissagung verkündet, er werde über das Weltmeer nach dem paradiesischen Lande Schambala gehen, während der Dalai Lama (s. d.) alle westlich gelegenen Länder unterjochen wird; endlich besiegt aber B. L. diesen letzten Nebenbuhler, und regiert alle Völker. Der seit Jahrtausenden lebende B. L. pflanzt, wenn er alt und hinfällig wird, sein Ich auf einen andern jüngern fort, welcher diesen Gott nunmehr in sein Innerstes aufnimmt, als Lama verehrt wird, sich anbeten lässt, durch Kopfnicken segnet, und eine durchaus passive Rolle spielt, bis er, alt geworden, wiederum den inwohnenden Geist auf einen neuen Körper überträgt. Der B. L. gebietet über zahlreiche Mönchs- und Nonnen-Klöster, sowie über weltliche Geistliche, und sein Reich ist eine wohleingerichtete Hierarchie, in welcher die Priester Beichte hören, Segen spenden, mit dem Fegfeuer oder mit der Hölle drohen, wie sie mit dem Paradiese und der Fürbitte bei Heiligen belohnen; in welcher sich überhaupt manche Aehnlichkeit mit gewissen Lehren und Gebräuchen der christlichen Kirche nachweisen lassen, was man dadurch erklären will, dass 250 Jahre nach Christi Geburt Manes, und später (800) die vertriebenen Nestorianer sich nach Asien gewendet, und seit 1000 Jahren ihre Lehre dort verbreitet haben, so dass der Lamaismus für ein ausgeartetes Christenthum anzusehen wäre. Boies, die Zauberer der Karaiben. Sie bilden eine Zunft; die Lehrlinge erhalten förmlichen Unterricht in ihren Heil- und andern Künsten, müssen sich durch Fasten Monate lang dazu vorbereiten, dann werden sie durch Haifischzähne verwundet, durch Tabakssaft berauscht, mit Oel eingerieben und mit Federn bestreut, um den grossen Geist zu versöhnen, und um zu demselben fliegen zu lernen; hierauf erst beginnt der Unterricht. Sie rufen die Geister an, um den Ausgang einer Krankheit, um den Verlauf einer Schlacht zu erfahren; die Beschwörung geschieht nur Nachts in völlig verfinsterter Hütte. Bolina (Gr. M.), eine achäische Jungfrau, welche Apollo's Leidenschaft erregte, aber ihn floh, und da die Götter sie nicht verwandelten, sich in's Meer stürzte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-11T12:20:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-11T12:20:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/178
Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/178>, abgerufen am 22.12.2024.