Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
Unterklasse der Insekten mit unvollkommener Verwandlung.
(Hemimetabola).


Die Ordnung der Schnabelkerfe oder Halbflügler (Rhyn-
gota
s. Hemiptera) bietet in der Unterklasse der Insekten mit
unvollkommener Verwandlung das einzige Beispiel saugender Mund-
theile, sonst aber mancherlei wechselnde Formen, die eine stets zu grö-
ßerer Vollkommenheit anstrebende Reihe darstellen.

Man unterscheidet bei ihnen stets deutlich die drei Abtheilungen

[Abbildung] Fig. 676.

Pentatoma von unten,
mit angezogener, zwi-
schen den Hüften lie-
gender Schnabelschei-
de. Die Beine sind
abgeschnitten.

des Körpers. Der Kopf ist klein, oft breit, meist
aber schmal, dreieckig, vom Halsschilde deutlich abge-
setzt und nach unten in einen Schnabel (rostrum)
verlängert, der bald mehr an der Spitze des Kopfes,
bald mehr nach hinten entspringt und an der Unter-
fläche des Leibes, zwischen den Einlenkungen der Beine,
zuweilen selbst in einer Rinne verborgen liegt. Man
unterscheidet an diesem Schnabel, sobald er vollstän-
dig ausgebildet ist, folgende Theile: Die Hauptmasse
bildet eine gegliederte, von vornher tief ausgehöhlte
Halbröhre, deren Rinne vorn offen ist und die mei-
stens aus drei oder vier zusammengelenkten Abthei-
lungen besteht. Diese Schnabelscheide geht oben
[Abbildung] Fig. 677.

a Kopf einer Pentatoma von vorn,
mit unversehrter Schnabelscheide. b Die
Schnabelscheide ist weggenommen, so daß
man die Oberlippen und die vier zum
Stilett vereinigten Borsten sieht. c Die
Borsten isolirt.

aus der Unterhaut des Kopfes her-
vor und ist offenbar die ausgewach-
sene, quergegliederte Unterlippe.
In ihr liegen vier feine Horn-
borsten
, die an ihrem Ursprunge
im Kopfe spindelförmige Muskeln
haben, wodurch sie bewegt werden
und neben der Mundöffnung her-
vortreten. Die äußeren dieser Bor-
sten sind meist an der Spitze etwas
umgebogen, stärker, leichter zu tren-
nen, es sind die verwandelten Kie-
fer
oder Mandibeln. Die inneren
Borsten liegen fester zusammen --
es sind die Kinnladen oder
Maxillen. Zusammen bilden die

Unterklaſſe der Inſekten mit unvollkommener Verwandlung.
(Hemimetabola).


Die Ordnung der Schnabelkerfe oder Halbflügler (Rhyn-
gota
s. Hemiptera) bietet in der Unterklaſſe der Inſekten mit
unvollkommener Verwandlung das einzige Beiſpiel ſaugender Mund-
theile, ſonſt aber mancherlei wechſelnde Formen, die eine ſtets zu grö-
ßerer Vollkommenheit anſtrebende Reihe darſtellen.

Man unterſcheidet bei ihnen ſtets deutlich die drei Abtheilungen

[Abbildung] Fig. 676.

Pentatoma von unten,
mit angezogener, zwi-
ſchen den Hüften lie-
gender Schnabelſchei-
de. Die Beine ſind
abgeſchnitten.

des Körpers. Der Kopf iſt klein, oft breit, meiſt
aber ſchmal, dreieckig, vom Halsſchilde deutlich abge-
ſetzt und nach unten in einen Schnabel (rostrum)
verlängert, der bald mehr an der Spitze des Kopfes,
bald mehr nach hinten entſpringt und an der Unter-
fläche des Leibes, zwiſchen den Einlenkungen der Beine,
zuweilen ſelbſt in einer Rinne verborgen liegt. Man
unterſcheidet an dieſem Schnabel, ſobald er vollſtän-
dig ausgebildet iſt, folgende Theile: Die Hauptmaſſe
bildet eine gegliederte, von vornher tief ausgehöhlte
Halbröhre, deren Rinne vorn offen iſt und die mei-
ſtens aus drei oder vier zuſammengelenkten Abthei-
lungen beſteht. Dieſe Schnabelſcheide geht oben
[Abbildung] Fig. 677.

a Kopf einer Pentatoma von vorn,
mit unverſehrter Schnabelſcheide. b Die
Schnabelſcheide iſt weggenommen, ſo daß
man die Oberlippen und die vier zum
Stilett vereinigten Borſten ſieht. c Die
Borſten iſolirt.

aus der Unterhaut des Kopfes her-
vor und iſt offenbar die ausgewach-
ſene, quergegliederte Unterlippe.
In ihr liegen vier feine Horn-
borſten
, die an ihrem Urſprunge
im Kopfe ſpindelförmige Muskeln
haben, wodurch ſie bewegt werden
und neben der Mundöffnung her-
vortreten. Die äußeren dieſer Bor-
ſten ſind meiſt an der Spitze etwas
umgebogen, ſtärker, leichter zu tren-
nen, es ſind die verwandelten Kie-
fer
oder Mandibeln. Die inneren
Borſten liegen feſter zuſammen —
es ſind die Kinnladen oder
Maxillen. Zuſammen bilden die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0570" n="564"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b">Unterkla&#x017F;&#x017F;e der In&#x017F;ekten mit unvollkommener Verwandlung.</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq">Hemimetabola</hi>).</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Die Ordnung der <hi rendition="#b">Schnabelkerfe</hi> oder <hi rendition="#b">Halbflügler <hi rendition="#aq">(Rhyn-<lb/>
gota</hi></hi> <hi rendition="#aq">s. <hi rendition="#b">Hemiptera)</hi></hi> bietet in der Unterkla&#x017F;&#x017F;e der In&#x017F;ekten mit<lb/>
unvollkommener Verwandlung das einzige Bei&#x017F;piel &#x017F;augender Mund-<lb/>
theile, &#x017F;on&#x017F;t aber mancherlei wech&#x017F;elnde Formen, die eine &#x017F;tets zu grö-<lb/>
ßerer Vollkommenheit an&#x017F;trebende Reihe dar&#x017F;tellen.</p><lb/>
            <p>Man unter&#x017F;cheidet bei ihnen &#x017F;tets deutlich die drei Abtheilungen<lb/><figure><head>Fig. 676.</head><lb/><p><hi rendition="#aq">Pentatoma</hi> von unten,<lb/>
mit angezogener, zwi-<lb/>
&#x017F;chen den Hüften lie-<lb/>
gender Schnabel&#x017F;chei-<lb/>
de. Die Beine &#x017F;ind<lb/>
abge&#x017F;chnitten.</p></figure><lb/>
des Körpers. Der <hi rendition="#g">Kopf</hi> i&#x017F;t klein, oft breit, mei&#x017F;t<lb/>
aber &#x017F;chmal, dreieckig, vom Hals&#x017F;childe deutlich abge-<lb/>
&#x017F;etzt und nach unten in einen Schnabel (<hi rendition="#aq">rostrum</hi>)<lb/>
verlängert, der bald mehr an der Spitze des Kopfes,<lb/>
bald mehr nach hinten ent&#x017F;pringt und an der Unter-<lb/>
fläche des Leibes, zwi&#x017F;chen den Einlenkungen der Beine,<lb/>
zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t in einer Rinne verborgen liegt. Man<lb/>
unter&#x017F;cheidet an die&#x017F;em Schnabel, &#x017F;obald er voll&#x017F;tän-<lb/>
dig ausgebildet i&#x017F;t, folgende Theile: Die Hauptma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
bildet eine gegliederte, von vornher tief ausgehöhlte<lb/>
Halbröhre, deren Rinne vorn offen i&#x017F;t und die mei-<lb/>
&#x017F;tens aus drei oder vier zu&#x017F;ammengelenkten Abthei-<lb/>
lungen be&#x017F;teht. Die&#x017F;e <hi rendition="#g">Schnabel&#x017F;cheide</hi> geht oben<lb/><figure><head>Fig. 677.</head><lb/><p><hi rendition="#aq">a</hi> Kopf einer <hi rendition="#aq">Pentatoma</hi> von vorn,<lb/>
mit unver&#x017F;ehrter Schnabel&#x017F;cheide. <hi rendition="#aq">b</hi> Die<lb/>
Schnabel&#x017F;cheide i&#x017F;t weggenommen, &#x017F;o daß<lb/>
man die Oberlippen und die vier zum<lb/>
Stilett vereinigten Bor&#x017F;ten &#x017F;ieht. <hi rendition="#aq">c</hi> Die<lb/>
Bor&#x017F;ten i&#x017F;olirt.</p></figure><lb/>
aus der Unterhaut des Kopfes her-<lb/>
vor und i&#x017F;t offenbar die ausgewach-<lb/>
&#x017F;ene, quergegliederte <hi rendition="#g">Unterlippe</hi>.<lb/>
In ihr liegen vier feine <hi rendition="#g">Horn-<lb/>
bor&#x017F;ten</hi>, die an ihrem Ur&#x017F;prunge<lb/>
im Kopfe &#x017F;pindelförmige Muskeln<lb/>
haben, wodurch &#x017F;ie bewegt werden<lb/>
und neben der Mundöffnung her-<lb/>
vortreten. Die äußeren die&#x017F;er Bor-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;ind mei&#x017F;t an der Spitze etwas<lb/>
umgebogen, &#x017F;tärker, leichter zu tren-<lb/>
nen, es &#x017F;ind die verwandelten <hi rendition="#g">Kie-<lb/>
fer</hi> oder Mandibeln. Die inneren<lb/>
Bor&#x017F;ten liegen fe&#x017F;ter zu&#x017F;ammen &#x2014;<lb/>
es &#x017F;ind die <hi rendition="#g">Kinnladen</hi> oder<lb/>
Maxillen. Zu&#x017F;ammen bilden die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[564/0570] Unterklaſſe der Inſekten mit unvollkommener Verwandlung. (Hemimetabola). Die Ordnung der Schnabelkerfe oder Halbflügler (Rhyn- gota s. Hemiptera) bietet in der Unterklaſſe der Inſekten mit unvollkommener Verwandlung das einzige Beiſpiel ſaugender Mund- theile, ſonſt aber mancherlei wechſelnde Formen, die eine ſtets zu grö- ßerer Vollkommenheit anſtrebende Reihe darſtellen. Man unterſcheidet bei ihnen ſtets deutlich die drei Abtheilungen [Abbildung Fig. 676. Pentatoma von unten, mit angezogener, zwi- ſchen den Hüften lie- gender Schnabelſchei- de. Die Beine ſind abgeſchnitten.] des Körpers. Der Kopf iſt klein, oft breit, meiſt aber ſchmal, dreieckig, vom Halsſchilde deutlich abge- ſetzt und nach unten in einen Schnabel (rostrum) verlängert, der bald mehr an der Spitze des Kopfes, bald mehr nach hinten entſpringt und an der Unter- fläche des Leibes, zwiſchen den Einlenkungen der Beine, zuweilen ſelbſt in einer Rinne verborgen liegt. Man unterſcheidet an dieſem Schnabel, ſobald er vollſtän- dig ausgebildet iſt, folgende Theile: Die Hauptmaſſe bildet eine gegliederte, von vornher tief ausgehöhlte Halbröhre, deren Rinne vorn offen iſt und die mei- ſtens aus drei oder vier zuſammengelenkten Abthei- lungen beſteht. Dieſe Schnabelſcheide geht oben [Abbildung Fig. 677. a Kopf einer Pentatoma von vorn, mit unverſehrter Schnabelſcheide. b Die Schnabelſcheide iſt weggenommen, ſo daß man die Oberlippen und die vier zum Stilett vereinigten Borſten ſieht. c Die Borſten iſolirt.] aus der Unterhaut des Kopfes her- vor und iſt offenbar die ausgewach- ſene, quergegliederte Unterlippe. In ihr liegen vier feine Horn- borſten, die an ihrem Urſprunge im Kopfe ſpindelförmige Muskeln haben, wodurch ſie bewegt werden und neben der Mundöffnung her- vortreten. Die äußeren dieſer Bor- ſten ſind meiſt an der Spitze etwas umgebogen, ſtärker, leichter zu tren- nen, es ſind die verwandelten Kie- fer oder Mandibeln. Die inneren Borſten liegen feſter zuſammen — es ſind die Kinnladen oder Maxillen. Zuſammen bilden die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/570
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/570>, abgerufen am 22.12.2024.