Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
widerlich sein; aber dieß verhält sich wohl wie mit den Mäusen, welche 3. Die Kröten sind freilich fast zu häßlich, um komisch zu werden. §. 303. Der wahre Fortschritt vom Fisch zum höheren Wirbelthier ist das Lust-
widerlich ſein; aber dieß verhält ſich wohl wie mit den Mäuſen, welche 3. Die Kröten ſind freilich faſt zu häßlich, um komiſch zu werden. §. 303. Der wahre Fortſchritt vom Fiſch zum höheren Wirbelthier iſt das Luſt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0146" n="134"/> widerlich ſein; aber dieß verhält ſich wohl wie mit den Mäuſen, welche<lb/> doch ſehr niedliche Thiere ſind. Ihr Körper iſt zwar aus dem im §.<lb/> genannten Grunde allerdings eine Mißgeſtalt, aber die Haut iſt trocken,<lb/> theilweiſe geſchuppt, ſchön grün, das Umherlauſchen des Köpfchens niedlich,<lb/> die Bewegung ſchlank, neckiſch gewandt. Im Krokodil dagegen fällt die-<lb/> ſelbe Geſtalt in ihrer Häßlichkeit ſchon deßwegen mehr auf, weil ſie groß<lb/> iſt, dann, weil die Schönheit der Bewegung durch die ſchwerfällige, zu<lb/> Wendungen unfähige Härte aufgehoben iſt, ferner durch den furchtbaren<lb/> und mißfarbigen Panzer und endlich durch den ſchrecklich bewaffneten,<lb/> überwiegend großen Rachen. Ein Krokodil kann nur durch ſeine Furcht-<lb/> barkeit, in welche ſich ſeine Häßlichkeit aufhebt, ein äſthetiſcher Stoff ſein.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">3. Die Kröten ſind freilich faſt zu häßlich, um komiſch zu werden.<lb/> Ihre warzige Haut iſt mißfarbig; in der Schildkröte iſt die Verwandtſchaft<lb/> der meiſt bepanzerten Amphibien mit den Schalthieren am beſtimmteſten<lb/> ausgeſprochen. Scheußlich iſt die Pipa oder Wabenkröte durch den Anblick<lb/> ihrer Haut, worin ſich aus den Eiern die Jungen entwickeln und ihre<lb/> Glieder herausſtrecken. Die Hinterbeine ſind nicht zum komiſchen Sprunge<lb/> verlängert, wie bei dem Froſche; ſie können am Lande nur ungeſchickt<lb/> ſchleichen und fortkrabbeln. Sie haben zwar Stimme, ſelbſt die Schildkröte<lb/> läßt bei der Begattung einen Ton hören, aber kräftiger und luſtiger quackt<lb/> der Froſch. Nur das ſchöne Auge hat die Kröte mit dieſem gemein. Daß<lb/> nun aber insbeſondere der ſchön grüne Laubfroſch ein komiſch charakter-<lb/> volles Thierchen ſei, iſt nicht zu läugnen. Das Häßliche, was durchaus<lb/> allen Amphibien eigen und auch hier keineswegs überwunden iſt, ſondern<lb/> in der nackten Haut, in der platſchigen Geſtalt mit ihren Bewegungs-<lb/> organen, welche gerade deßwegen zum Gehen ungeſchickt ſind, weil ſie<lb/> auch zum Schwimmen dienen, ſich aufdrängt, wird durch die auffallende<lb/> Aehnlichkeit des Geſichts mit manchen Menſchengeſichtern, durch die Energie<lb/> der Stimme, die ſich in ihrer gequetſchten Häßlichkeit ſo wohl zu gefallen<lb/> ſcheint, und durch den luſtigen Sprung vollkommener, als irgendwo in<lb/> dieſer Klaſſe von Thieren, in das Komiſche aufgehoben.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 303.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Der wahre Fortſchritt vom Fiſch zum höheren Wirbelthier iſt das Luſt-<lb/> thier, der <hi rendition="#g">Vogel</hi>. Der Rumpf behält, jedoch mit vorgewölbter Bruſt, die<lb/> ovale Form, der Kopf aber trennt ſich von ihm durch einen langen und ſehr<lb/> beweglichen Hals, an welchem er jedoch fiſchartig mit ſeitlich geſtellten Augen<lb/> und dem zum Schnabel verlängerten Maule ſich vorwärts ſtreckt. Die Floßen<lb/> ſind zu zwei Flügeln und zwei Füßen geworden; jene legen ſich, wenn ſie nicht<lb/> zum Fluge gebraucht werden, floßenartig an den Leib, dieſe ſtehen tragend ab<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0146]
widerlich ſein; aber dieß verhält ſich wohl wie mit den Mäuſen, welche
doch ſehr niedliche Thiere ſind. Ihr Körper iſt zwar aus dem im §.
genannten Grunde allerdings eine Mißgeſtalt, aber die Haut iſt trocken,
theilweiſe geſchuppt, ſchön grün, das Umherlauſchen des Köpfchens niedlich,
die Bewegung ſchlank, neckiſch gewandt. Im Krokodil dagegen fällt die-
ſelbe Geſtalt in ihrer Häßlichkeit ſchon deßwegen mehr auf, weil ſie groß
iſt, dann, weil die Schönheit der Bewegung durch die ſchwerfällige, zu
Wendungen unfähige Härte aufgehoben iſt, ferner durch den furchtbaren
und mißfarbigen Panzer und endlich durch den ſchrecklich bewaffneten,
überwiegend großen Rachen. Ein Krokodil kann nur durch ſeine Furcht-
barkeit, in welche ſich ſeine Häßlichkeit aufhebt, ein äſthetiſcher Stoff ſein.
3. Die Kröten ſind freilich faſt zu häßlich, um komiſch zu werden.
Ihre warzige Haut iſt mißfarbig; in der Schildkröte iſt die Verwandtſchaft
der meiſt bepanzerten Amphibien mit den Schalthieren am beſtimmteſten
ausgeſprochen. Scheußlich iſt die Pipa oder Wabenkröte durch den Anblick
ihrer Haut, worin ſich aus den Eiern die Jungen entwickeln und ihre
Glieder herausſtrecken. Die Hinterbeine ſind nicht zum komiſchen Sprunge
verlängert, wie bei dem Froſche; ſie können am Lande nur ungeſchickt
ſchleichen und fortkrabbeln. Sie haben zwar Stimme, ſelbſt die Schildkröte
läßt bei der Begattung einen Ton hören, aber kräftiger und luſtiger quackt
der Froſch. Nur das ſchöne Auge hat die Kröte mit dieſem gemein. Daß
nun aber insbeſondere der ſchön grüne Laubfroſch ein komiſch charakter-
volles Thierchen ſei, iſt nicht zu läugnen. Das Häßliche, was durchaus
allen Amphibien eigen und auch hier keineswegs überwunden iſt, ſondern
in der nackten Haut, in der platſchigen Geſtalt mit ihren Bewegungs-
organen, welche gerade deßwegen zum Gehen ungeſchickt ſind, weil ſie
auch zum Schwimmen dienen, ſich aufdrängt, wird durch die auffallende
Aehnlichkeit des Geſichts mit manchen Menſchengeſichtern, durch die Energie
der Stimme, die ſich in ihrer gequetſchten Häßlichkeit ſo wohl zu gefallen
ſcheint, und durch den luſtigen Sprung vollkommener, als irgendwo in
dieſer Klaſſe von Thieren, in das Komiſche aufgehoben.
§. 303.
Der wahre Fortſchritt vom Fiſch zum höheren Wirbelthier iſt das Luſt-
thier, der Vogel. Der Rumpf behält, jedoch mit vorgewölbter Bruſt, die
ovale Form, der Kopf aber trennt ſich von ihm durch einen langen und ſehr
beweglichen Hals, an welchem er jedoch fiſchartig mit ſeitlich geſtellten Augen
und dem zum Schnabel verlängerten Maule ſich vorwärts ſtreckt. Die Floßen
ſind zu zwei Flügeln und zwei Füßen geworden; jene legen ſich, wenn ſie nicht
zum Fluge gebraucht werden, floßenartig an den Leib, dieſe ſtehen tragend ab
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