Voller Beschämung erhalte ich die huldvollen Zeilen, das aromatische Geschenk! In tiefster, sehe ich Ihre geduldige gnädige Einladung an, verehrte Frau Fürstin! Längst wäre ich in Muskau, wäre ich nur irgend apt und brauchbar! -- abwarten muß ich mich, und meine verrückten Übel, die nicht Stunde nicht Regel halten! Auch Sie sind leidend, auch der Fürst. Unzählige Bekannte. Die Atmosphäre ist krank: dies bezeugen die Zeitungen über Wien, Madrid, Neapel, Rom, London, Paris. Allenthalben Schnee, Wind, Kälte, Abwechs- lung! Um die Erlaubniß werde ich bitten, Ihro Durchlaucht besuchen zu dürfen, und nicht Einladungen abwarten: es ist ja ein brillanter Wunsch von mir, im idealischen Muskau un- ter Ihrer Protektion zu athmen. Ich athme eben nicht: au pied de la lettre. Gestern war ich zum Spott bei Rust im Thiergarten: ich ganz allein in einem Salon, während Alle draußen waren; und als die Andren kamen, war ich dem Er- sticken nah; weil ich mit Spontini's war, und nicht gleich al- lein weg konnte; weil er noch eine Arie hören mußte unver- muthet. Zu keiner Gesellschaft, zu keiner Fahrt bin ich brauch- bar: meinen Freunden zur Last. Bin ich nur wieder mensch- lich: so melde ich mich gleich bei meiner besten Gönnerin! Gestern hatte Varnhagen eben dem Fürsten geschrieben, als Ihre Sendungen ankamen. Freilich habe ich in der Beer'schen Loge Mlle. Taglioni gesehen, eine Sylphide. Sanft, weich,
An die Fürſtin von Pückler-Muskau.
Freitag, den 8. Juni 1832.
Voller Beſchämung erhalte ich die huldvollen Zeilen, das aromatiſche Geſchenk! In tiefſter, ſehe ich Ihre geduldige gnädige Einladung an, verehrte Frau Fürſtin! Längſt wäre ich in Muskau, wäre ich nur irgend apt und brauchbar! — abwarten muß ich mich, und meine verrückten Übel, die nicht Stunde nicht Regel halten! Auch Sie ſind leidend, auch der Fürſt. Unzählige Bekannte. Die Atmoſphäre iſt krank: dies bezeugen die Zeitungen über Wien, Madrid, Neapel, Rom, London, Paris. Allenthalben Schnee, Wind, Kälte, Abwechs- lung! Um die Erlaubniß werde ich bitten, Ihro Durchlaucht beſuchen zu dürfen, und nicht Einladungen abwarten: es iſt ja ein brillanter Wunſch von mir, im idealiſchen Muskau un- ter Ihrer Protektion zu athmen. Ich athme eben nicht: au pied de la lettre. Geſtern war ich zum Spott bei Ruſt im Thiergarten: ich ganz allein in einem Salon, während Alle draußen waren; und als die Andren kamen, war ich dem Er- ſticken nah; weil ich mit Spontini’s war, und nicht gleich al- lein weg konnte; weil er noch eine Arie hören mußte unver- muthet. Zu keiner Geſellſchaft, zu keiner Fahrt bin ich brauch- bar: meinen Freunden zur Laſt. Bin ich nur wieder menſch- lich: ſo melde ich mich gleich bei meiner beſten Gönnerin! Geſtern hatte Varnhagen eben dem Fürſten geſchrieben, als Ihre Sendungen ankamen. Freilich habe ich in der Beer’ſchen Loge Mlle. Taglioni geſehen, eine Sylphide. Sanft, weich,
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[575/0583]
An die Fürſtin von Pückler-Muskau.
Freitag, den 8. Juni 1832.
Voller Beſchämung erhalte ich die huldvollen Zeilen, das
aromatiſche Geſchenk! In tiefſter, ſehe ich Ihre geduldige
gnädige Einladung an, verehrte Frau Fürſtin! Längſt wäre
ich in Muskau, wäre ich nur irgend apt und brauchbar! —
abwarten muß ich mich, und meine verrückten Übel, die nicht
Stunde nicht Regel halten! Auch Sie ſind leidend, auch der
Fürſt. Unzählige Bekannte. Die Atmoſphäre iſt krank: dies
bezeugen die Zeitungen über Wien, Madrid, Neapel, Rom,
London, Paris. Allenthalben Schnee, Wind, Kälte, Abwechs-
lung! Um die Erlaubniß werde ich bitten, Ihro Durchlaucht
beſuchen zu dürfen, und nicht Einladungen abwarten: es iſt
ja ein brillanter Wunſch von mir, im idealiſchen Muskau un-
ter Ihrer Protektion zu athmen. Ich athme eben nicht: au
pied de la lettre. Geſtern war ich zum Spott bei Ruſt im
Thiergarten: ich ganz allein in einem Salon, während Alle
draußen waren; und als die Andren kamen, war ich dem Er-
ſticken nah; weil ich mit Spontini’s war, und nicht gleich al-
lein weg konnte; weil er noch eine Arie hören mußte unver-
muthet. Zu keiner Geſellſchaft, zu keiner Fahrt bin ich brauch-
bar: meinen Freunden zur Laſt. Bin ich nur wieder menſch-
lich: ſo melde ich mich gleich bei meiner beſten Gönnerin!
Geſtern hatte Varnhagen eben dem Fürſten geſchrieben, als
Ihre Sendungen ankamen. Freilich habe ich in der Beer’ſchen
Loge Mlle. Taglioni geſehen, eine Sylphide. Sanft, weich,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/583>, abgerufen am 21.12.2024.
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