Großen, schreckliche Nachahmer zu hundertjähriger Plage, für den der's versteht. -- Frau von Cotta ist ein rechtes Publikum von mir: über alles lacht sie, was ich sage. Solche hätte sie nie gesehen. Eine Aktrize war in Alcidor eine Sylphide. Trikot, Flügel am Rücken, Flügel am Haupt. Aber wie! Sie stand kerze-auswärts. "Hat man je im Olymp Einen auswärts stehen sehen!" lispele ich empört Frau von Cotta zu. Sie lacht befremdet, und einverstanden. "Ich meine: im Musee Napoleon;" korrigire ich beinah. Sie konnte es gar nicht vergessen! Und so alles was ich sage.
Sonntag Vormittag, 10 Uhr vorbei, der 15.
Schnee auf den Dächern und Straßen. Er verdunstet aber schon; die dicken Wolken spalten sich: Hellig- keit, wenn auch nicht Sonne, dringt hervor.
Ich erwarte halb einen Brief von dir diesen Morgen, und weiß nicht recht, ob, wenn er nicht kommt, ich diesen wegschicke: da ist er! Es ist wieder Liebesbalsam auf mich wie ein Mairegen geträufelt; gegossen. Ich nicke dir! -- Elise sitzt ganz sicher auf dem Schrank; ist auch furchtsam und vorsichtig, ich und Dore stehen unten: sie wirft uns die Bälle in Schürzen, wir sie ihr auf den Schrank. Auch wenn wir entfernt sind, bleibt sie behutsam sitzen; er ist ganz breit. Mit mehr Furcht, als ich!!! läßt sie sich hinauf und herab heben. -- Von Heine'n -- wollte ich dir eben schreiben. Das Resume, was ich heraus habe, ist und bleibt sein großes Talent: welches aber auch in ihm reisen muß, sonst wird's inhaltleer, und höhlt zur Manier aus; -- er denkt überhaupt, was ihm ent- schlüpft, was er sagen mag, ist für die Menschen gut genug. --
Großen, ſchreckliche Nachahmer zu hundertjähriger Plage, für den der’s verſteht. — Frau von Cotta iſt ein rechtes Publikum von mir: über alles lacht ſie, was ich ſage. Solche hätte ſie nie geſehen. Eine Aktrize war in Alcidor eine Sylphide. Trikot, Flügel am Rücken, Flügel am Haupt. Aber wie! Sie ſtand kerze-auswärts. „Hat man je im Olymp Einen auswärts ſtehen ſehen!“ lispele ich empört Frau von Cotta zu. Sie lacht befremdet, und einverſtanden. „Ich meine: im Museé Napoléon;“ korrigire ich beinah. Sie konnte es gar nicht vergeſſen! Und ſo alles was ich ſage.
Sonntag Vormittag, 10 Uhr vorbei, der 15.
Schnee auf den Dächern und Straßen. Er verdunſtet aber ſchon; die dicken Wolken ſpalten ſich: Hellig- keit, wenn auch nicht Sonne, dringt hervor.
Ich erwarte halb einen Brief von dir dieſen Morgen, und weiß nicht recht, ob, wenn er nicht kommt, ich dieſen wegſchicke: da iſt er! Es iſt wieder Liebesbalſam auf mich wie ein Mairegen geträufelt; gegoſſen. Ich nicke dir! — Eliſe ſitzt ganz ſicher auf dem Schrank; iſt auch furchtſam und vorſichtig, ich und Dore ſtehen unten: ſie wirft uns die Bälle in Schürzen, wir ſie ihr auf den Schrank. Auch wenn wir entfernt ſind, bleibt ſie behutſam ſitzen; er iſt ganz breit. Mit mehr Furcht, als ich!!! läßt ſie ſich hinauf und herab heben. — Von Heine’n — wollte ich dir eben ſchreiben. Das Reſumé, was ich heraus habe, iſt und bleibt ſein großes Talent: welches aber auch in ihm reiſen muß, ſonſt wird’s inhaltleer, und höhlt zur Manier aus; — er denkt überhaupt, was ihm ent- ſchlüpft, was er ſagen mag, iſt für die Menſchen gut genug. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0385"n="377"/>
Großen, ſchreckliche Nachahmer zu hundertjähriger Plage, für<lb/>
den der’s verſteht. — Frau von Cotta iſt ein rechtes Publikum<lb/>
von mir: über alles lacht ſie, was ich ſage. Solche hätte ſie<lb/>
nie geſehen. Eine Aktrize war in Alcidor eine Sylphide.<lb/>
Trikot, Flügel am Rücken, Flügel am Haupt. Aber <hirendition="#g">wie</hi>!<lb/>
Sie ſtand <hirendition="#g">kerze</hi>-auswärts. „Hat man je im Olymp Einen<lb/>
auswärts ſtehen ſehen!“ lispele ich empört Frau von Cotta zu.<lb/>
Sie lacht befremdet, und einverſtanden. „Ich meine: im<lb/><hirendition="#aq">Museé Napoléon;</hi>“ korrigire ich beinah. Sie konnte es gar<lb/>
nicht vergeſſen! Und ſo alles was ich ſage.</p></div><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonntag Vormittag, 10 Uhr vorbei, der 15.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#et">Schnee auf den Dächern und Straßen. Er verdunſtet<lb/>
aber ſchon; die dicken Wolken ſpalten ſich: Hellig-<lb/>
keit, wenn auch nicht Sonne, dringt hervor.</hi></p><lb/><p>Ich erwarte halb einen Brief von dir dieſen Morgen,<lb/>
und weiß nicht recht, ob, wenn er nicht kommt, ich dieſen<lb/>
wegſchicke: da <hirendition="#g">iſt</hi> er! Es iſt wieder Liebesbalſam auf mich<lb/>
wie ein Mairegen geträufelt; gegoſſen. Ich nicke dir! —<lb/>
Eliſe ſitzt ganz ſicher auf dem Schrank; iſt auch furchtſam<lb/>
und vorſichtig, ich und Dore ſtehen unten: ſie wirft uns die<lb/>
Bälle in Schürzen, wir ſie ihr auf den Schrank. Auch wenn<lb/>
wir entfernt ſind, bleibt ſie behutſam ſitzen; er iſt ganz breit.<lb/>
Mit <hirendition="#g">mehr Furcht</hi>, als ich!!! läßt ſie ſich hinauf und herab<lb/>
heben. — Von Heine’n — wollte ich dir eben ſchreiben. Das<lb/>
Reſum<hirendition="#aq">é</hi>, was ich heraus habe, iſt und bleibt ſein großes Talent:<lb/>
welches aber auch in ihm reiſen muß, ſonſt wird’s inhaltleer, und<lb/>
höhlt zur Manier aus; — er denkt überhaupt, was ihm ent-<lb/>ſchlüpft, was er ſagen mag, iſt für die Menſchen gut genug. —</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[377/0385]
Großen, ſchreckliche Nachahmer zu hundertjähriger Plage, für
den der’s verſteht. — Frau von Cotta iſt ein rechtes Publikum
von mir: über alles lacht ſie, was ich ſage. Solche hätte ſie
nie geſehen. Eine Aktrize war in Alcidor eine Sylphide.
Trikot, Flügel am Rücken, Flügel am Haupt. Aber wie!
Sie ſtand kerze-auswärts. „Hat man je im Olymp Einen
auswärts ſtehen ſehen!“ lispele ich empört Frau von Cotta zu.
Sie lacht befremdet, und einverſtanden. „Ich meine: im
Museé Napoléon;“ korrigire ich beinah. Sie konnte es gar
nicht vergeſſen! Und ſo alles was ich ſage.
Sonntag Vormittag, 10 Uhr vorbei, der 15.
Schnee auf den Dächern und Straßen. Er verdunſtet
aber ſchon; die dicken Wolken ſpalten ſich: Hellig-
keit, wenn auch nicht Sonne, dringt hervor.
Ich erwarte halb einen Brief von dir dieſen Morgen,
und weiß nicht recht, ob, wenn er nicht kommt, ich dieſen
wegſchicke: da iſt er! Es iſt wieder Liebesbalſam auf mich
wie ein Mairegen geträufelt; gegoſſen. Ich nicke dir! —
Eliſe ſitzt ganz ſicher auf dem Schrank; iſt auch furchtſam
und vorſichtig, ich und Dore ſtehen unten: ſie wirft uns die
Bälle in Schürzen, wir ſie ihr auf den Schrank. Auch wenn
wir entfernt ſind, bleibt ſie behutſam ſitzen; er iſt ganz breit.
Mit mehr Furcht, als ich!!! läßt ſie ſich hinauf und herab
heben. — Von Heine’n — wollte ich dir eben ſchreiben. Das
Reſumé, was ich heraus habe, iſt und bleibt ſein großes Talent:
welches aber auch in ihm reiſen muß, ſonſt wird’s inhaltleer, und
höhlt zur Manier aus; — er denkt überhaupt, was ihm ent-
ſchlüpft, was er ſagen mag, iſt für die Menſchen gut genug. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/385>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.