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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Standhaftigkeit gegen Überdruß, Langeweile, und Ekel vor
List, Stupidität, Dünkel, und Fliegen-Beharrlichkeit. Wieder
Mirabeau's Gabe!




Wir hassen eigentlich alles in einem Karakter, was wir
nicht verstehn; und das Unsittliche ist auch eigentlich unver-
ständlich. Es ist nicht zu verstehn, warum ein Mensch dem
andern unangenehme Empfindungen machen will: da er durch-
aus für sich angenehme verlangen muß. Will Einer dem An-
dern Gutes zufügen, so ist das immer ganz verständlich: er
will das für den Andern, was er für sich will. Bosheit, die
nicht Rache ist -- diese stammt von Gerechtigkeit -- ist kom-
plet unverständlich.




Durch Rousseau's Emile erfährt man, wie eine ganze
Welt dazu eingerichtet sein müßte, um ein Kind zu einem --
in allem Sinn -- gesunden Menschen zu erziehn; wie weit
wir aber von dieser Bedingung sind, und also nur sehr stück-
weise und wenig in Erziehung auszurichten vermögen.

Fichte zeigt uns in seinem geschlossenen Handelsstaat,
eben so, durch eine nicht zu erfüllende Bedingung, was für
einen Staat zu thun wäre, könnte man alle andere mit
einrichten oder abschließen. Großer Beweis von Konsequenz
in den beiden Büchern! sie sind beide bis zu dem erst zu be-
seitigenden Punkt gekommen. Und es wird geirrt, wenn man

Standhaftigkeit gegen Überdruß, Langeweile, und Ekel vor
Liſt, Stupidität, Dünkel, und Fliegen-Beharrlichkeit. Wieder
Mirabeau’s Gabe!




Wir haſſen eigentlich alles in einem Karakter, was wir
nicht verſtehn; und das Unſittliche iſt auch eigentlich unver-
ſtändlich. Es iſt nicht zu verſtehn, warum ein Menſch dem
andern unangenehme Empfindungen machen will: da er durch-
aus für ſich angenehme verlangen muß. Will Einer dem An-
dern Gutes zufügen, ſo iſt das immer ganz verſtändlich: er
will das für den Andern, was er für ſich will. Bosheit, die
nicht Rache iſt — dieſe ſtammt von Gerechtigkeit — iſt kom-
plet unverſtändlich.




Durch Rouſſeau’s Emile erfährt man, wie eine ganze
Welt dazu eingerichtet ſein müßte, um ein Kind zu einem —
in allem Sinn — geſunden Menſchen zu erziehn; wie weit
wir aber von dieſer Bedingung ſind, und alſo nur ſehr ſtück-
weiſe und wenig in Erziehung auszurichten vermögen.

Fichte zeigt uns in ſeinem geſchloſſenen Handelsſtaat,
eben ſo, durch eine nicht zu erfüllende Bedingung, was für
einen Staat zu thun wäre, könnte man alle andere mit
einrichten oder abſchließen. Großer Beweis von Konſequenz
in den beiden Büchern! ſie ſind beide bis zu dem erſt zu be-
ſeitigenden Punkt gekommen. Und es wird geirrt, wenn man

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[133/0141] Standhaftigkeit gegen Überdruß, Langeweile, und Ekel vor Liſt, Stupidität, Dünkel, und Fliegen-Beharrlichkeit. Wieder Mirabeau’s Gabe! Den 17. Januar 1824. Wir haſſen eigentlich alles in einem Karakter, was wir nicht verſtehn; und das Unſittliche iſt auch eigentlich unver- ſtändlich. Es iſt nicht zu verſtehn, warum ein Menſch dem andern unangenehme Empfindungen machen will: da er durch- aus für ſich angenehme verlangen muß. Will Einer dem An- dern Gutes zufügen, ſo iſt das immer ganz verſtändlich: er will das für den Andern, was er für ſich will. Bosheit, die nicht Rache iſt — dieſe ſtammt von Gerechtigkeit — iſt kom- plet unverſtändlich. Montog, den 19. Januar 1824. Durch Rouſſeau’s Emile erfährt man, wie eine ganze Welt dazu eingerichtet ſein müßte, um ein Kind zu einem — in allem Sinn — geſunden Menſchen zu erziehn; wie weit wir aber von dieſer Bedingung ſind, und alſo nur ſehr ſtück- weiſe und wenig in Erziehung auszurichten vermögen. Fichte zeigt uns in ſeinem geſchloſſenen Handelsſtaat, eben ſo, durch eine nicht zu erfüllende Bedingung, was für einen Staat zu thun wäre, könnte man alle andere mit einrichten oder abſchließen. Großer Beweis von Konſequenz in den beiden Büchern! ſie ſind beide bis zu dem erſt zu be- ſeitigenden Punkt gekommen. Und es wird geirrt, wenn man

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/141>, abgerufen am 20.11.2024.