Länder befinden sich nicht wohl, es ist ihnen übel, und sie nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher Krampf, abscheuliche Operation: Viele werden doch der letzten Anregung dazu alle Schuld beimessen. Wie man zu einem Kranken sagt; warum dreht er sich auch um, davon kam der ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulsion vermeiden kann, will ich's thun, da ich die schlechte Diät kenne. Sei geduldig, liebe Guste! Wir wollen's zusammen tragen. Man kriegt nichts auf dieser Welt: jeder sein Schicksal und damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir gestern, sie ist schon vierzehn Tage hier, sagt sie. Mein Husten ist längst besser, von Wein?! Du Häßlicher! warum machst du Fanny weinen? Gleich küss' ihr die Hand! Ferdinands Locke freut mich, sie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke dir für alle deine Besorgungen und Nachrichten! --
Was ist das? Charlotte von England ist todt? unan- genehm. Ich erschrak mich. Im Wochenbett sterben ist so häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!
Sonnabend Vormittag den 15.
Eben solches Wetter, nur trüber. Gestern das schönere Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel's. Der Prinzessin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B. sagte mir gestern auf dem Spazirgang, wo er eigenst bei mir zurückblieb; erst, was ich sage? ich sagte nichts beinah; und dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches
Länder befinden ſich nicht wohl, es iſt ihnen übel, und ſie nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher Krampf, abſcheuliche Operation: Viele werden doch der letzten Anregung dazu alle Schuld beimeſſen. Wie man zu einem Kranken ſagt; warum dreht er ſich auch um, davon kam der ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulſion vermeiden kann, will ich’s thun, da ich die ſchlechte Diät kenne. Sei geduldig, liebe Guſte! Wir wollen’s zuſammen tragen. Man kriegt nichts auf dieſer Welt: jeder ſein Schickſal und damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir geſtern, ſie iſt ſchon vierzehn Tage hier, ſagt ſie. Mein Huſten iſt längſt beſſer, von Wein?! Du Häßlicher! warum machſt du Fanny weinen? Gleich küſſ’ ihr die Hand! Ferdinands Locke freut mich, ſie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke dir für alle deine Beſorgungen und Nachrichten! —
Was iſt das? Charlotte von England iſt todt? unan- genehm. Ich erſchrak mich. Im Wochenbett ſterben iſt ſo häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!
Sonnabend Vormittag den 15.
Eben ſolches Wetter, nur trüber. Geſtern das ſchönere Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel’s. Der Prinzeſſin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B. ſagte mir geſtern auf dem Spazirgang, wo er eigenſt bei mir zurückblieb; erſt, was ich ſage? ich ſagte nichts beinah; und dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0517"n="509"/>
Länder befinden ſich nicht wohl, es iſt ihnen übel, und ſie<lb/>
nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten<lb/>
Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher<lb/>
Krampf, abſcheuliche Operation: Viele werden doch der letzten<lb/>
Anregung dazu alle Schuld beimeſſen. Wie man zu einem<lb/>
Kranken ſagt; warum dreht er ſich auch um, davon kam der<lb/>
ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulſion vermeiden<lb/>
kann, will ich’s thun, da ich die ſchlechte Diät kenne. Sei<lb/>
geduldig, liebe Guſte! Wir wollen’s <hirendition="#g">zuſammen</hi> tragen.<lb/>
Man kriegt nichts auf dieſer Welt: jeder ſein Schickſal und<lb/>
damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir geſtern, ſie iſt<lb/>ſchon vierzehn Tage hier, ſagt ſie. Mein Huſten iſt längſt<lb/>
beſſer, von <hirendition="#g">Wein?!</hi> Du Häßlicher! warum machſt du Fanny<lb/>
weinen? Gleich küſſ’ ihr die Hand! Ferdinands Locke freut<lb/>
mich, ſie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke<lb/>
dir für alle deine Beſorgungen und Nachrichten! —</p><lb/><p>Was iſt <hirendition="#g">das?</hi> Charlotte von England iſt todt? unan-<lb/>
genehm. Ich erſchrak mich. Im Wochenbett ſterben iſt ſo<lb/>
häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!</p></div><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonnabend Vormittag den 15.</hi></dateline><lb/><p>Eben ſolches Wetter, nur trüber. Geſtern das ſchönere<lb/>
Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war<lb/>
ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel’s. Der<lb/>
Prinzeſſin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B.<lb/>ſagte mir geſtern auf dem Spazirgang, wo er eigenſt bei mir<lb/>
zurückblieb; erſt, was ich ſage? ich ſagte nichts beinah; und<lb/>
dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[509/0517]
Länder befinden ſich nicht wohl, es iſt ihnen übel, und ſie
nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten
Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher
Krampf, abſcheuliche Operation: Viele werden doch der letzten
Anregung dazu alle Schuld beimeſſen. Wie man zu einem
Kranken ſagt; warum dreht er ſich auch um, davon kam der
ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulſion vermeiden
kann, will ich’s thun, da ich die ſchlechte Diät kenne. Sei
geduldig, liebe Guſte! Wir wollen’s zuſammen tragen.
Man kriegt nichts auf dieſer Welt: jeder ſein Schickſal und
damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir geſtern, ſie iſt
ſchon vierzehn Tage hier, ſagt ſie. Mein Huſten iſt längſt
beſſer, von Wein?! Du Häßlicher! warum machſt du Fanny
weinen? Gleich küſſ’ ihr die Hand! Ferdinands Locke freut
mich, ſie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke
dir für alle deine Beſorgungen und Nachrichten! —
Was iſt das? Charlotte von England iſt todt? unan-
genehm. Ich erſchrak mich. Im Wochenbett ſterben iſt ſo
häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!
Sonnabend Vormittag den 15.
Eben ſolches Wetter, nur trüber. Geſtern das ſchönere
Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war
ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel’s. Der
Prinzeſſin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B.
ſagte mir geſtern auf dem Spazirgang, wo er eigenſt bei mir
zurückblieb; erſt, was ich ſage? ich ſagte nichts beinah; und
dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/517>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.