Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Länder befinden sich nicht wohl, es ist ihnen übel, und sie
nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten
Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher
Krampf, abscheuliche Operation: Viele werden doch der letzten
Anregung dazu alle Schuld beimessen. Wie man zu einem
Kranken sagt; warum dreht er sich auch um, davon kam der
ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulsion vermeiden
kann, will ich's thun, da ich die schlechte Diät kenne. Sei
geduldig, liebe Guste! Wir wollen's zusammen tragen.
Man kriegt nichts auf dieser Welt: jeder sein Schicksal und
damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir gestern, sie ist
schon vierzehn Tage hier, sagt sie. Mein Husten ist längst
besser, von Wein?! Du Häßlicher! warum machst du Fanny
weinen? Gleich küss' ihr die Hand! Ferdinands Locke freut
mich, sie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke
dir für alle deine Besorgungen und Nachrichten! --

Was ist das? Charlotte von England ist todt? unan-
genehm. Ich erschrak mich. Im Wochenbett sterben ist so
häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!


Eben solches Wetter, nur trüber. Gestern das schönere
Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war
ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel's. Der
Prinzessin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B.
sagte mir gestern auf dem Spazirgang, wo er eigenst bei mir
zurückblieb; erst, was ich sage? ich sagte nichts beinah; und
dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches

Länder befinden ſich nicht wohl, es iſt ihnen übel, und ſie
nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten
Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher
Krampf, abſcheuliche Operation: Viele werden doch der letzten
Anregung dazu alle Schuld beimeſſen. Wie man zu einem
Kranken ſagt; warum dreht er ſich auch um, davon kam der
ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulſion vermeiden
kann, will ich’s thun, da ich die ſchlechte Diät kenne. Sei
geduldig, liebe Guſte! Wir wollen’s zuſammen tragen.
Man kriegt nichts auf dieſer Welt: jeder ſein Schickſal und
damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir geſtern, ſie iſt
ſchon vierzehn Tage hier, ſagt ſie. Mein Huſten iſt längſt
beſſer, von Wein?! Du Häßlicher! warum machſt du Fanny
weinen? Gleich küſſ’ ihr die Hand! Ferdinands Locke freut
mich, ſie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke
dir für alle deine Beſorgungen und Nachrichten! —

Was iſt das? Charlotte von England iſt todt? unan-
genehm. Ich erſchrak mich. Im Wochenbett ſterben iſt ſo
häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!


Eben ſolches Wetter, nur trüber. Geſtern das ſchönere
Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war
ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel’s. Der
Prinzeſſin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B.
ſagte mir geſtern auf dem Spazirgang, wo er eigenſt bei mir
zurückblieb; erſt, was ich ſage? ich ſagte nichts beinah; und
dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0517" n="509"/>
Länder befinden &#x017F;ich nicht wohl, es i&#x017F;t ihnen übel, und &#x017F;ie<lb/>
nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten<lb/>
Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher<lb/>
Krampf, ab&#x017F;cheuliche Operation: Viele werden doch der letzten<lb/>
Anregung dazu alle Schuld beime&#x017F;&#x017F;en. Wie man zu einem<lb/>
Kranken &#x017F;agt; warum dreht er &#x017F;ich auch um, davon kam der<lb/>
ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvul&#x017F;ion vermeiden<lb/>
kann, will ich&#x2019;s thun, da ich die &#x017F;chlechte Diät kenne. Sei<lb/>
geduldig, liebe Gu&#x017F;te! Wir wollen&#x2019;s <hi rendition="#g">zu&#x017F;ammen</hi> tragen.<lb/>
Man kriegt nichts auf die&#x017F;er Welt: jeder &#x017F;ein Schick&#x017F;al und<lb/>
damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir ge&#x017F;tern, &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chon vierzehn Tage hier, &#x017F;agt &#x017F;ie. Mein Hu&#x017F;ten i&#x017F;t läng&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, von <hi rendition="#g">Wein?!</hi> Du Häßlicher! warum mach&#x017F;t du Fanny<lb/>
weinen? Gleich kü&#x017F;&#x017F;&#x2019; ihr die Hand! Ferdinands Locke freut<lb/>
mich, &#x017F;ie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke<lb/>
dir für alle deine Be&#x017F;orgungen und Nachrichten! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Was i&#x017F;t <hi rendition="#g">das?</hi> Charlotte von England i&#x017F;t todt? unan-<lb/>
genehm. Ich er&#x017F;chrak mich. Im Wochenbett &#x017F;terben i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Sonnabend Vormittag den 15.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Eben &#x017F;olches Wetter, nur trüber. Ge&#x017F;tern das &#x017F;chönere<lb/>
Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war<lb/>
ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel&#x2019;s. Der<lb/>
Prinze&#x017F;&#x017F;in Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B.<lb/>
&#x017F;agte mir ge&#x017F;tern auf dem Spazirgang, wo er eigen&#x017F;t bei mir<lb/>
zurückblieb; er&#x017F;t, was ich &#x017F;age? ich &#x017F;agte nichts beinah; und<lb/>
dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[509/0517] Länder befinden ſich nicht wohl, es iſt ihnen übel, und ſie nehmen immer noch mehr Süßigkeiten, und leben in der alten Unordnung bis das Erbrechen eintreten wird; ein gräßlicher Krampf, abſcheuliche Operation: Viele werden doch der letzten Anregung dazu alle Schuld beimeſſen. Wie man zu einem Kranken ſagt; warum dreht er ſich auch um, davon kam der ganze Anfall wieder. Wenn ich die Konvulſion vermeiden kann, will ich’s thun, da ich die ſchlechte Diät kenne. Sei geduldig, liebe Guſte! Wir wollen’s zuſammen tragen. Man kriegt nichts auf dieſer Welt: jeder ſein Schickſal und damit gut. Frau von Wolzogen begegnete mir geſtern, ſie iſt ſchon vierzehn Tage hier, ſagt ſie. Mein Huſten iſt längſt beſſer, von Wein?! Du Häßlicher! warum machſt du Fanny weinen? Gleich küſſ’ ihr die Hand! Ferdinands Locke freut mich, ſie macht mir eine Idee vom ganzen Jungen. Ich danke dir für alle deine Beſorgungen und Nachrichten! — Was iſt das? Charlotte von England iſt todt? unan- genehm. Ich erſchrak mich. Im Wochenbett ſterben iſt ſo häßlich. Die arme Mutter. Adieu, adieu! Sonnabend Vormittag den 15. Eben ſolches Wetter, nur trüber. Geſtern das ſchönere Wetter machte uns Allen und mir viel Kopfweh: doch war ich den Abend noch aus, bei meinen ewigen Schlegel’s. Der Prinzeſſin Charlotte Tod erregt hier alles! Schlegel z. B. ſagte mir geſtern auf dem Spazirgang, wo er eigenſt bei mir zurückblieb; erſt, was ich ſage? ich ſagte nichts beinah; und dann, daß nun Hannover an England bleiben würde, welches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/517
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/517>, abgerufen am 21.12.2024.