doch gewissermaßen nicht gut wäre; und dann: "Immer wenn jetzt so etwas Unerwartetes geschieht, als ein Sterbe- fall, oder dergleichen, so bin ich ganz gespannt, dann denk' ich immer, nun" -- er stockte, -- so müsse es losplatzen? sagte ich; ja! sagte er lachend, erhitzt, und occupirt. Mein Guter! du wirst noch sehen..! den kenne ich nun ganz. Es war ein wahres Studiren für mich die Zeit her: wie in einer Bibliothek war ich hier eingesperrt; aber ich las. -- Ich dank' dir sehr für Schleiermachers amtlichen Synodenbericht. Schade! daß er wie mit den verdrehten, noch nicht ganz aus ihrer Knospe gebrochenen Phrasen der Wissenschaft, und nicht mehr klarer Leichtigkeit geschrieben ist! Der Ton, die Kürze überhaupt darin, das virtuosische Auftreten, als gelehrtester Kompetent zwischen diesem nichtigen Gewebe von Streitpunk- ten, findet großen Anhang und Applaus in meiner Seele! So gelehrt, und karakter-tüchtig, müßten Regenten sich vor die Beschlüsse zu stellen wissen, die Einmal das Resultat ihrer Überlegungen sind!! Wie leicht schließt sich die große Masse, die nicht Überlegenden aller Klassen, an so bestimmte Beschlüsse, Verordnungen, und Thaten. Sie wollen gar nichts anderes, und bedürfen nichts anderes. Es frommt ihnen nichts anderes. Du ahndest auch noch nicht, wen ich alles der großen Masse beistelle!!! Ein Funken von einem Re- genten, sitzt auch in mir: und das ist in meinem Geiste: die Überzeugung, die ich hier eben aussprach. Bravo! Schleier- macher! Wie abgemacht sprach er von den Ceremonien, ohne sie zu nennen! Bravo! wie klar und kurz von der Polemik der ältern Reformirten, die sich in der Behandlungsweise des
doch gewiſſermaßen nicht gut wäre; und dann: „Immer wenn jetzt ſo etwas Unerwartetes geſchieht, als ein Sterbe- fall, oder dergleichen, ſo bin ich ganz geſpannt, dann denk’ ich immer, nun“ — er ſtockte, — ſo müſſe es losplatzen? ſagte ich; ja! ſagte er lachend, erhitzt, und occupirt. Mein Guter! du wirſt noch ſehen..! den kenne ich nun ganz. Es war ein wahres Studiren für mich die Zeit her: wie in einer Bibliothek war ich hier eingeſperrt; aber ich las. — Ich dank’ dir ſehr für Schleiermachers amtlichen Synodenbericht. Schade! daß er wie mit den verdrehten, noch nicht ganz aus ihrer Knospe gebrochenen Phraſen der Wiſſenſchaft, und nicht mehr klarer Leichtigkeit geſchrieben iſt! Der Ton, die Kürze überhaupt darin, das virtuoſiſche Auftreten, als gelehrteſter Kompetent zwiſchen dieſem nichtigen Gewebe von Streitpunk- ten, findet großen Anhang und Applaus in meiner Seele! So gelehrt, und karakter-tüchtig, müßten Regenten ſich vor die Beſchlüſſe zu ſtellen wiſſen, die Einmal das Reſultat ihrer Überlegungen ſind!! Wie leicht ſchließt ſich die große Maſſe, die nicht Überlegenden aller Klaſſen, an ſo beſtimmte Beſchlüſſe, Verordnungen, und Thaten. Sie wollen gar nichts anderes, und bedürfen nichts anderes. Es frommt ihnen nichts anderes. Du ahndeſt auch noch nicht, wen ich alles der großen Maſſe beiſtelle!!! Ein Funken von einem Re- genten, ſitzt auch in mir: und das iſt in meinem Geiſte: die Überzeugung, die ich hier eben ausſprach. Bravo! Schleier- macher! Wie abgemacht ſprach er von den Ceremonien, ohne ſie zu nennen! Bravo! wie klar und kurz von der Polemik der ältern Reformirten, die ſich in der Behandlungsweiſe des
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ſagte ich; ja! ſagte er lachend, erhitzt, und occupirt. Mein
Guter! du wirſt noch ſehen..! den kenne ich nun ganz. Es
war ein wahres Studiren für mich die Zeit her: wie in einer
Bibliothek war ich hier eingeſperrt; aber ich las. — Ich
dank’ dir ſehr für Schleiermachers amtlichen Synodenbericht.
Schade! daß er wie mit den verdrehten, noch nicht ganz aus
ihrer Knospe gebrochenen Phraſen der Wiſſenſchaft, und nicht
mehr klarer Leichtigkeit geſchrieben iſt! Der Ton, die Kürze
überhaupt darin, das virtuoſiſche Auftreten, als gelehrteſter
Kompetent zwiſchen dieſem nichtigen Gewebe von Streitpunk-
ten, findet großen Anhang und Applaus in meiner Seele!
So gelehrt, und karakter-tüchtig, müßten Regenten ſich vor
die Beſchlüſſe zu ſtellen wiſſen, die Einmal das Reſultat ihrer
Überlegungen ſind!! Wie leicht ſchließt ſich die große
Maſſe, die nicht Überlegenden aller Klaſſen, an ſo beſtimmte
Beſchlüſſe, Verordnungen, und Thaten. Sie wollen gar
nichts anderes, und bedürfen nichts anderes. Es frommt ihnen
nichts anderes. Du ahndeſt auch noch nicht, wen ich alles
der großen Maſſe beiſtelle!!! Ein Funken von einem Re-
genten, ſitzt auch in mir: und das iſt in meinem Geiſte: die
Überzeugung, die ich hier eben ausſprach. Bravo! Schleier-
macher! Wie abgemacht ſprach er von den Ceremonien, ohne
ſie zu nennen! Bravo! wie klar und kurz von der Polemik
der ältern Reformirten, die ſich in der Behandlungsweiſe des
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/518>, abgerufen am 22.11.2024.
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