ber Zerstreuung: So muß es eigentlich sein! -- "Ja, aber so war's doch nicht: wie sonst so'n Minister war!" sagte ich. -- Das hab' ich ganz vergessen; sagte sie, halb fragend. -- "Ja! Sie haben auch so ein glückliches Gedächtniß, daß Sie alles vergessen!" schloß ich. Und mußte selbst gleich lachen. Nachher sagte ich zu Hause zu Varnhagen: "Die Nichte da, ist doch accurat, als ob sie nicht da wäre! und noch ärger, denn sie ist da!" Meine Lippen waren noch redseliger. Sie hätten's gewiß goutirt. Ach Guste! die Prager Laune, Ihr Arlequin, bleibt aus! Drum scharr' ich weniges zusammen. Adieu, Liebe, Beste! Varnhagen grüßt sehr, ich Ihre Mutter. Ich sage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al- les genossen, fühl' es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen nicht ein Jota davon abnehmen.
Adieu, adieu. R.
Denken Sie noch manchmal an unsern englischen Mar- witz? Wo ist der??????
So eben geht Minister Wangenheim und Rückert weg: ich habe meine Freundin empfohlen.
Adieu, Liebe!
An Ernestine G., in Berlin.
Frankfurt a. M. Dienstag den 21. Mai 1816.
Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir schreiben, wenn Frühling, "goldene Sonne" und alles Schöne, woran man Anspruch hat, Sie ängstigt! Auf immer Elenderes ver- weise ich Sie zum Troste; oder besser! zum Herauslesen des Besten, aus der Lage -- oder Klemme -- worin man ist; es
ber Zerſtreuung: So muß es eigentlich ſein! — „Ja, aber ſo war’s doch nicht: wie ſonſt ſo’n Miniſter war!“ ſagte ich. — Das hab’ ich ganz vergeſſen; ſagte ſie, halb fragend. — „Ja! Sie haben auch ſo ein glückliches Gedächtniß, daß Sie alles vergeſſen!“ ſchloß ich. Und mußte ſelbſt gleich lachen. Nachher ſagte ich zu Hauſe zu Varnhagen: „Die Nichte da, iſt doch accurat, als ob ſie nicht da wäre! und noch ärger, denn ſie iſt da!“ Meine Lippen waren noch redſeliger. Sie hätten’s gewiß goutirt. Ach Guſte! die Prager Laune, Ihr Arlequin, bleibt aus! Drum ſcharr’ ich weniges zuſammen. Adieu, Liebe, Beſte! Varnhagen grüßt ſehr, ich Ihre Mutter. Ich ſage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al- les genoſſen, fühl’ es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen nicht ein Jota davon abnehmen.
Adieu, adieu. R.
Denken Sie noch manchmal an unſern engliſchen Mar- witz? Wo iſt der??????
So eben geht Miniſter Wangenheim und Rückert weg: ich habe meine Freundin empfohlen.
Adieu, Liebe!
An Erneſtine G., in Berlin.
Frankfurt a. M. Dienstag den 21. Mai 1816.
Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir ſchreiben, wenn Frühling, „goldene Sonne“ und alles Schöne, woran man Anſpruch hat, Sie ängſtigt! Auf immer Elenderes ver- weiſe ich Sie zum Troſte; oder beſſer! zum Herausleſen des Beſten, aus der Lage — oder Klemme — worin man iſt; es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0407"n="399"/>
ber Zerſtreuung: So <hirendition="#g">muß</hi> es eigentlich ſein! —„Ja, aber<lb/>ſo war’s doch nicht: wie <hirendition="#g">ſonſt ſo’n</hi> Miniſter war!“ſagte ich.<lb/>— Das hab’ ich ganz vergeſſen; ſagte ſie, halb fragend. —<lb/>„Ja! Sie haben auch ſo ein glückliches Gedächtniß, daß Sie<lb/>
alles vergeſſen!“ſchloß ich. Und mußte ſelbſt gleich lachen.<lb/>
Nachher ſagte ich zu Hauſe zu Varnhagen: „Die Nichte da,<lb/>
iſt doch accurat, als ob ſie <hirendition="#g">nicht</hi> da wäre! und noch ärger,<lb/>
denn ſie <hirendition="#g">iſt</hi> da!“ Meine Lippen waren noch redſeliger. Sie<lb/>
hätten’s gewiß goutirt. Ach Guſte! die Prager Laune, Ihr<lb/>
Arlequin, bleibt <hirendition="#g">aus</hi>! Drum ſcharr’ ich weniges zuſammen.<lb/>
Adieu, Liebe, Beſte! Varnhagen grüßt ſehr, ich Ihre Mutter.<lb/>
Ich ſage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al-<lb/>
les genoſſen, fühl’ es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen<lb/>
nicht ein Jota davon abnehmen.</p><closer><salute><hirendition="#et">Adieu, adieu. R.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Denken Sie noch manchmal an unſern engliſchen Mar-<lb/>
witz? <hirendition="#g">Wo</hi> iſt der??????</p><lb/><p>So eben geht Miniſter Wangenheim und Rückert weg:<lb/>
ich habe meine Freundin empfohlen.</p></postscript><closer><salute><hirendition="#et">Adieu, Liebe!</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Erneſtine G., in Berlin.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Frankfurt a. M. Dienstag den 21. Mai 1816.</hi></dateline><lb/><p>Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir ſchreiben,<lb/>
wenn Frühling, „goldene Sonne“ und alles Schöne, woran<lb/>
man Anſpruch hat, Sie ängſtigt! Auf immer Elenderes ver-<lb/>
weiſe ich Sie zum Troſte; oder beſſer! zum Herausleſen des<lb/>
Beſten, aus der Lage — oder Klemme — worin man iſt; es<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[399/0407]
ber Zerſtreuung: So muß es eigentlich ſein! — „Ja, aber
ſo war’s doch nicht: wie ſonſt ſo’n Miniſter war!“ ſagte ich.
— Das hab’ ich ganz vergeſſen; ſagte ſie, halb fragend. —
„Ja! Sie haben auch ſo ein glückliches Gedächtniß, daß Sie
alles vergeſſen!“ ſchloß ich. Und mußte ſelbſt gleich lachen.
Nachher ſagte ich zu Hauſe zu Varnhagen: „Die Nichte da,
iſt doch accurat, als ob ſie nicht da wäre! und noch ärger,
denn ſie iſt da!“ Meine Lippen waren noch redſeliger. Sie
hätten’s gewiß goutirt. Ach Guſte! die Prager Laune, Ihr
Arlequin, bleibt aus! Drum ſcharr’ ich weniges zuſammen.
Adieu, Liebe, Beſte! Varnhagen grüßt ſehr, ich Ihre Mutter.
Ich ſage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al-
les genoſſen, fühl’ es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen
nicht ein Jota davon abnehmen.
Adieu, adieu. R.
Denken Sie noch manchmal an unſern engliſchen Mar-
witz? Wo iſt der??????
So eben geht Miniſter Wangenheim und Rückert weg:
ich habe meine Freundin empfohlen.
Adieu, Liebe!
An Erneſtine G., in Berlin.
Frankfurt a. M. Dienstag den 21. Mai 1816.
Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir ſchreiben,
wenn Frühling, „goldene Sonne“ und alles Schöne, woran
man Anſpruch hat, Sie ängſtigt! Auf immer Elenderes ver-
weiſe ich Sie zum Troſte; oder beſſer! zum Herausleſen des
Beſten, aus der Lage — oder Klemme — worin man iſt; es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/407>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.