Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ber Zerstreuung: So muß es eigentlich sein! -- "Ja, aber
so war's doch nicht: wie sonst so'n Minister war!" sagte ich.
-- Das hab' ich ganz vergessen; sagte sie, halb fragend. --
"Ja! Sie haben auch so ein glückliches Gedächtniß, daß Sie
alles vergessen!" schloß ich. Und mußte selbst gleich lachen.
Nachher sagte ich zu Hause zu Varnhagen: "Die Nichte da,
ist doch accurat, als ob sie nicht da wäre! und noch ärger,
denn sie ist da!" Meine Lippen waren noch redseliger. Sie
hätten's gewiß goutirt. Ach Guste! die Prager Laune, Ihr
Arlequin, bleibt aus! Drum scharr' ich weniges zusammen.
Adieu, Liebe, Beste! Varnhagen grüßt sehr, ich Ihre Mutter.
Ich sage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al-
les genossen, fühl' es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen
nicht ein Jota davon abnehmen.

Adieu, adieu. R.

Denken Sie noch manchmal an unsern englischen Mar-
witz? Wo ist der??????

So eben geht Minister Wangenheim und Rückert weg:
ich habe meine Freundin empfohlen.

Adieu, Liebe!


An Ernestine G., in Berlin.

Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir schreiben,
wenn Frühling, "goldene Sonne" und alles Schöne, woran
man Anspruch hat, Sie ängstigt! Auf immer Elenderes ver-
weise ich Sie zum Troste; oder besser! zum Herauslesen des
Besten, aus der Lage -- oder Klemme -- worin man ist; es

ber Zerſtreuung: So muß es eigentlich ſein! — „Ja, aber
ſo war’s doch nicht: wie ſonſt ſo’n Miniſter war!“ ſagte ich.
— Das hab’ ich ganz vergeſſen; ſagte ſie, halb fragend. —
„Ja! Sie haben auch ſo ein glückliches Gedächtniß, daß Sie
alles vergeſſen!“ ſchloß ich. Und mußte ſelbſt gleich lachen.
Nachher ſagte ich zu Hauſe zu Varnhagen: „Die Nichte da,
iſt doch accurat, als ob ſie nicht da wäre! und noch ärger,
denn ſie iſt da!“ Meine Lippen waren noch redſeliger. Sie
hätten’s gewiß goutirt. Ach Guſte! die Prager Laune, Ihr
Arlequin, bleibt aus! Drum ſcharr’ ich weniges zuſammen.
Adieu, Liebe, Beſte! Varnhagen grüßt ſehr, ich Ihre Mutter.
Ich ſage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al-
les genoſſen, fühl’ es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen
nicht ein Jota davon abnehmen.

Adieu, adieu. R.

Denken Sie noch manchmal an unſern engliſchen Mar-
witz? Wo iſt der??????

So eben geht Miniſter Wangenheim und Rückert weg:
ich habe meine Freundin empfohlen.

Adieu, Liebe!


An Erneſtine G., in Berlin.

Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir ſchreiben,
wenn Frühling, „goldene Sonne“ und alles Schöne, woran
man Anſpruch hat, Sie ängſtigt! Auf immer Elenderes ver-
weiſe ich Sie zum Troſte; oder beſſer! zum Herausleſen des
Beſten, aus der Lage — oder Klemme — worin man iſt; es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0407" n="399"/>
ber Zer&#x017F;treuung: So <hi rendition="#g">muß</hi> es eigentlich &#x017F;ein! &#x2014; &#x201E;Ja, aber<lb/>
&#x017F;o war&#x2019;s doch nicht: wie <hi rendition="#g">&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o&#x2019;n</hi> Mini&#x017F;ter war!&#x201C; &#x017F;agte ich.<lb/>
&#x2014; Das hab&#x2019; ich ganz verge&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;agte &#x017F;ie, halb fragend. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ja! Sie haben auch &#x017F;o ein glückliches Gedächtniß, daß Sie<lb/>
alles verge&#x017F;&#x017F;en!&#x201C; &#x017F;chloß ich. Und mußte &#x017F;elb&#x017F;t gleich lachen.<lb/>
Nachher &#x017F;agte ich zu Hau&#x017F;e zu Varnhagen: &#x201E;Die Nichte da,<lb/>
i&#x017F;t doch accurat, als ob &#x017F;ie <hi rendition="#g">nicht</hi> da wäre! und noch ärger,<lb/>
denn &#x017F;ie <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi> da!&#x201C; Meine Lippen waren noch red&#x017F;eliger. Sie<lb/>
hätten&#x2019;s gewiß goutirt. Ach Gu&#x017F;te! die Prager Laune, Ihr<lb/>
Arlequin, bleibt <hi rendition="#g">aus</hi>! Drum &#x017F;charr&#x2019; ich weniges zu&#x017F;ammen.<lb/>
Adieu, Liebe, Be&#x017F;te! Varnhagen grüßt &#x017F;ehr, ich Ihre Mutter.<lb/>
Ich &#x017F;age nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al-<lb/>
les geno&#x017F;&#x017F;en, fühl&#x2019; es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen<lb/>
nicht ein Jota davon abnehmen.</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Adieu, adieu. R.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>Denken Sie noch manchmal an un&#x017F;ern engli&#x017F;chen Mar-<lb/>
witz? <hi rendition="#g">Wo</hi> i&#x017F;t der??????</p><lb/>
            <p>So eben geht Mini&#x017F;ter Wangenheim und Rückert weg:<lb/>
ich habe meine Freundin empfohlen.</p>
          </postscript>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Adieu, Liebe!</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Erne&#x017F;tine G., in Berlin.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Frankfurt a. M. Dienstag den 21. Mai 1816.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir &#x017F;chreiben,<lb/>
wenn Frühling, &#x201E;goldene Sonne&#x201C; und alles Schöne, woran<lb/>
man An&#x017F;pruch hat, Sie äng&#x017F;tigt! Auf immer Elenderes ver-<lb/>
wei&#x017F;e ich Sie zum Tro&#x017F;te; oder be&#x017F;&#x017F;er! zum Herausle&#x017F;en des<lb/>
Be&#x017F;ten, aus der Lage &#x2014; oder Klemme &#x2014; worin man i&#x017F;t; es<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0407] ber Zerſtreuung: So muß es eigentlich ſein! — „Ja, aber ſo war’s doch nicht: wie ſonſt ſo’n Miniſter war!“ ſagte ich. — Das hab’ ich ganz vergeſſen; ſagte ſie, halb fragend. — „Ja! Sie haben auch ſo ein glückliches Gedächtniß, daß Sie alles vergeſſen!“ ſchloß ich. Und mußte ſelbſt gleich lachen. Nachher ſagte ich zu Hauſe zu Varnhagen: „Die Nichte da, iſt doch accurat, als ob ſie nicht da wäre! und noch ärger, denn ſie iſt da!“ Meine Lippen waren noch redſeliger. Sie hätten’s gewiß goutirt. Ach Guſte! die Prager Laune, Ihr Arlequin, bleibt aus! Drum ſcharr’ ich weniges zuſammen. Adieu, Liebe, Beſte! Varnhagen grüßt ſehr, ich Ihre Mutter. Ich ſage nicht ein Wort über die Einlage. Ich habe das al- les genoſſen, fühl’ es mit Ihnen, liebe Seele, und kann Ihnen nicht ein Jota davon abnehmen. Adieu, adieu. R. Denken Sie noch manchmal an unſern engliſchen Mar- witz? Wo iſt der?????? So eben geht Miniſter Wangenheim und Rückert weg: ich habe meine Freundin empfohlen. Adieu, Liebe! An Erneſtine G., in Berlin. Frankfurt a. M. Dienstag den 21. Mai 1816. Sie haben Recht, liebe Golda, daß Sie mir ſchreiben, wenn Frühling, „goldene Sonne“ und alles Schöne, woran man Anſpruch hat, Sie ängſtigt! Auf immer Elenderes ver- weiſe ich Sie zum Troſte; oder beſſer! zum Herausleſen des Beſten, aus der Lage — oder Klemme — worin man iſt; es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/407
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/407>, abgerufen am 21.12.2024.