Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Gemüthern seit so vielen Jahren vorging, und was sich nun in diesen
letzten Zeiten so glücklich entfaltet hat. Mein Bemühen, nichts zurückzu-
lassen, was man fordern und erwarten könnte, hat jenes Stück zu einer
solchen Vollständigkeit gebracht, daß ich, wenn ich ein neues fertigen sollte,
mich nur wiederholen müßte.

Mein stiller Wunsch, diese Arbeit nicht nur für Berlin, sondern für
das ganze Vaterland, nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die
Zukunft unternommen zu haben, scheint sich durch Ihren Antrag der Er-
füllung zu nähern.

Jenes Drama ist dergestalt eingerichtet, daß ganz reine Rezitation,
Rezitation mit melodramatischer Begleitung, Rezitativ, Kavatine, Arie,
Duett, Terzett und Chor mit einander abwechseln, so daß die vorzüglich-
sten Schauspieler sowohl als die Sänger darin ihre Talente entwickeln
können. Hr. Kapellmeister Weber arbeitet an der dazu nöthigen Kompo-
sition, welche, nach den mir bekannt gewordenen Musterstücken, von gro-
ßer und schöner Wirkung sein muß.

Das Stück wird gleich nach der Aufführung gedruckt erscheinen, und
Sie werden alsdann selbst urtheilen, ob es werth sei, ein Sekularstück zu
werden, und ob es Ihren Wünschen entspreche. Haben Sie alsdann die
Gefälligkeit, mir ganz offen Ihre Meinung zu sagen, und erhalten mir
bis dahin Ihr freundliches Andenken. Ergebenst

Goethe.


An Karoline von Woltmann, in Prag.


Ich wollte Ihnen einen langen -- ich kann keinen kurzen
machen -- detaillirten Brief schreiben; der sollte so anfangen:
"Ich mag Varnhagens schönes Schreiben nicht verschampfiren,
liebe Berliner, theure Ojeser Freunde!" und so würde er fortge-
flossen sein und Ihnen gesagt haben, wie ich hier nicht schreiben
kann; und dabei erzählt haben, wie es hier ist: wie ich es finde,
wie es mir geht, was ich denke, und wie ich an Sie gedacht habe.
Alles war zu diesem gewiß angenehmen, denn er wäre treu

Gemüthern ſeit ſo vielen Jahren vorging, und was ſich nun in dieſen
letzten Zeiten ſo glücklich entfaltet hat. Mein Bemühen, nichts zurückzu-
laſſen, was man fordern und erwarten könnte, hat jenes Stück zu einer
ſolchen Vollſtändigkeit gebracht, daß ich, wenn ich ein neues fertigen ſollte,
mich nur wiederholen müßte.

Mein ſtiller Wunſch, dieſe Arbeit nicht nur für Berlin, ſondern für
das ganze Vaterland, nicht nur für den Augenblick, ſondern auch für die
Zukunft unternommen zu haben, ſcheint ſich durch Ihren Antrag der Er-
füllung zu nähern.

Jenes Drama iſt dergeſtalt eingerichtet, daß ganz reine Rezitation,
Rezitation mit melodramatiſcher Begleitung, Rezitativ, Kavatine, Arie,
Duett, Terzett und Chor mit einander abwechſeln, ſo daß die vorzüglich-
ſten Schauſpieler ſowohl als die Sänger darin ihre Talente entwickeln
können. Hr. Kapellmeiſter Weber arbeitet an der dazu nöthigen Kompo-
ſition, welche, nach den mir bekannt gewordenen Muſterſtücken, von gro-
ßer und ſchöner Wirkung ſein muß.

Das Stück wird gleich nach der Aufführung gedruckt erſcheinen, und
Sie werden alsdann ſelbſt urtheilen, ob es werth ſei, ein Sekularſtück zu
werden, und ob es Ihren Wünſchen entſpreche. Haben Sie alsdann die
Gefälligkeit, mir ganz offen Ihre Meinung zu ſagen, und erhalten mir
bis dahin Ihr freundliches Andenken. Ergebenſt

Goethe.


An Karoline von Woltmann, in Prag.


Ich wollte Ihnen einen langen — ich kann keinen kurzen
machen — detaillirten Brief ſchreiben; der ſollte ſo anfangen:
„Ich mag Varnhagens ſchönes Schreiben nicht verſchampfiren,
liebe Berliner, theure Ojeſer Freunde!“ und ſo würde er fortge-
floſſen ſein und Ihnen geſagt haben, wie ich hier nicht ſchreiben
kann; und dabei erzählt haben, wie es hier iſt: wie ich es finde,
wie es mir geht, was ich denke, und wie ich an Sie gedacht habe.
Alles war zu dieſem gewiß angenehmen, denn er wäre treu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0237" n="229"/>
Gemüthern &#x017F;eit &#x017F;o vielen Jahren vorging, und was &#x017F;ich nun in die&#x017F;en<lb/>
letzten Zeiten &#x017F;o glücklich entfaltet hat. Mein Bemühen, nichts zurückzu-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, was man fordern und erwarten könnte, hat jenes Stück zu einer<lb/>
&#x017F;olchen Voll&#x017F;tändigkeit gebracht, daß ich, wenn ich ein neues fertigen &#x017F;ollte,<lb/>
mich nur wiederholen müßte.</p><lb/>
            <p>Mein &#x017F;tiller Wun&#x017F;ch, die&#x017F;e Arbeit nicht nur für Berlin, &#x017F;ondern für<lb/>
das ganze Vaterland, nicht nur für den Augenblick, &#x017F;ondern auch für die<lb/>
Zukunft unternommen zu haben, &#x017F;cheint &#x017F;ich durch Ihren Antrag der Er-<lb/>
füllung zu nähern.</p><lb/>
            <p>Jenes Drama i&#x017F;t derge&#x017F;talt eingerichtet, daß ganz reine Rezitation,<lb/>
Rezitation mit melodramati&#x017F;cher Begleitung, Rezitativ, Kavatine, Arie,<lb/>
Duett, Terzett und Chor mit einander abwech&#x017F;eln, &#x017F;o daß die vorzüglich-<lb/>
&#x017F;ten Schau&#x017F;pieler &#x017F;owohl als die Sänger darin ihre Talente entwickeln<lb/>
können. Hr. Kapellmei&#x017F;ter Weber arbeitet an der dazu nöthigen Kompo-<lb/>
&#x017F;ition, welche, nach den mir bekannt gewordenen Mu&#x017F;ter&#x017F;tücken, von gro-<lb/>
ßer und &#x017F;chöner Wirkung &#x017F;ein muß.</p><lb/>
            <p>Das Stück wird gleich nach der Aufführung gedruckt er&#x017F;cheinen, und<lb/>
Sie werden alsdann &#x017F;elb&#x017F;t urtheilen, ob es werth &#x017F;ei, ein Sekular&#x017F;tück zu<lb/>
werden, und ob es Ihren Wün&#x017F;chen ent&#x017F;preche. Haben Sie alsdann die<lb/>
Gefälligkeit, mir ganz offen Ihre Meinung zu &#x017F;agen, und erhalten mir<lb/>
bis dahin Ihr freundliches Andenken. Ergeben&#x017F;t</p><lb/>
            <closer>
              <salute> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Goethe</hi>.</hi> </salute>
            </closer>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Karoline von Woltmann, in Prag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Töplitz, Sonntag den 17. Juli 1814.<lb/>
Kurz vor dem Bade 12 Uhr.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ich wollte Ihnen einen langen &#x2014; ich kann keinen kurzen<lb/>
machen &#x2014; detaillirten Brief &#x017F;chreiben; der &#x017F;ollte &#x017F;o anfangen:<lb/>
&#x201E;Ich mag Varnhagens &#x017F;chönes Schreiben nicht ver&#x017F;champfiren,<lb/>
liebe Berliner, theure Oje&#x017F;er Freunde!&#x201C; und &#x017F;o würde er fortge-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein und Ihnen ge&#x017F;agt haben, wie ich hier <hi rendition="#g">nicht</hi> &#x017F;chreiben<lb/>
kann; und dabei erzählt haben, wie es hier i&#x017F;t: wie ich es finde,<lb/>
wie es mir geht, was ich denke, und wie ich an Sie gedacht habe.<lb/>
Alles war zu die&#x017F;em gewiß angenehmen, denn er wäre treu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0237] Gemüthern ſeit ſo vielen Jahren vorging, und was ſich nun in dieſen letzten Zeiten ſo glücklich entfaltet hat. Mein Bemühen, nichts zurückzu- laſſen, was man fordern und erwarten könnte, hat jenes Stück zu einer ſolchen Vollſtändigkeit gebracht, daß ich, wenn ich ein neues fertigen ſollte, mich nur wiederholen müßte. Mein ſtiller Wunſch, dieſe Arbeit nicht nur für Berlin, ſondern für das ganze Vaterland, nicht nur für den Augenblick, ſondern auch für die Zukunft unternommen zu haben, ſcheint ſich durch Ihren Antrag der Er- füllung zu nähern. Jenes Drama iſt dergeſtalt eingerichtet, daß ganz reine Rezitation, Rezitation mit melodramatiſcher Begleitung, Rezitativ, Kavatine, Arie, Duett, Terzett und Chor mit einander abwechſeln, ſo daß die vorzüglich- ſten Schauſpieler ſowohl als die Sänger darin ihre Talente entwickeln können. Hr. Kapellmeiſter Weber arbeitet an der dazu nöthigen Kompo- ſition, welche, nach den mir bekannt gewordenen Muſterſtücken, von gro- ßer und ſchöner Wirkung ſein muß. Das Stück wird gleich nach der Aufführung gedruckt erſcheinen, und Sie werden alsdann ſelbſt urtheilen, ob es werth ſei, ein Sekularſtück zu werden, und ob es Ihren Wünſchen entſpreche. Haben Sie alsdann die Gefälligkeit, mir ganz offen Ihre Meinung zu ſagen, und erhalten mir bis dahin Ihr freundliches Andenken. Ergebenſt Goethe. An Karoline von Woltmann, in Prag. Töplitz, Sonntag den 17. Juli 1814. Kurz vor dem Bade 12 Uhr. Ich wollte Ihnen einen langen — ich kann keinen kurzen machen — detaillirten Brief ſchreiben; der ſollte ſo anfangen: „Ich mag Varnhagens ſchönes Schreiben nicht verſchampfiren, liebe Berliner, theure Ojeſer Freunde!“ und ſo würde er fortge- floſſen ſein und Ihnen geſagt haben, wie ich hier nicht ſchreiben kann; und dabei erzählt haben, wie es hier iſt: wie ich es finde, wie es mir geht, was ich denke, und wie ich an Sie gedacht habe. Alles war zu dieſem gewiß angenehmen, denn er wäre treu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/237
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/237>, abgerufen am 21.11.2024.