Pachta hast du mir sehr gut geschrieben; wie denn dein ganzer Brief sehr gut ist. Für deine Liebe aber kann ich dir nur mit meiner danken, und mit der Einsicht über das Glück, von ei- nem Menschen geliebt und eingesehen und getraut zu sein. Schwache Worte! Du, der du so wenig lieben kannst, liebst mich! aber dein Sinn bedurfte derber Speise. Ich verstehe dich. Und das -- liebe ich in dir. Lebe wohl! Ich mag auf vieles nicht geantwortet haben; mit den ersten Kräften, künf- tig. Mir hat Barnekow, Goschitzki, und auch Fouque wieder geschrieben; denen soll ich nun allen antworten! -- Es wird schon ganz dunkel. Adieu Lieber! Ich seh dich an. Nicke dir! Deine treue -- trotz Sturm und Schelte -- die dich liebt und kennt. R. Deine Bekanntschaft mit Gräfin Pachta freut mich weit mehr, als ich es geschrieben habe; ganz überaus.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Berlin, den 23. December 1811., Sonnabend Vormittag halb 12 Uhr.
-- Gestern aber hätte ich Ihnen doch geschrieben, wenn mich nicht Heinrich Kleist's Tod so sehr eingenommen hätte. Es läßt sich, wo das Leben aus ist, niemals etwas darüber sagen; von Kleist befremdete mich die That nicht; es ging streng in ihm her, er war wahrhaft, und litt viel. Wir ha- ben nie über Tod und Selbstmord gesprochen. -- Sie wissen wie ich über Mord an uns selbst denke: wie Sie! Ich mag es nicht, daß die Unglückseligen, die Menschen, bis auf die Hefen leiden. Dem wahrhaft Großen, Unendlichen, wenn man
es
Pachta haſt du mir ſehr gut geſchrieben; wie denn dein ganzer Brief ſehr gut iſt. Für deine Liebe aber kann ich dir nur mit meiner danken, und mit der Einſicht über das Glück, von ei- nem Menſchen geliebt und eingeſehen und getraut zu ſein. Schwache Worte! Du, der du ſo wenig lieben kannſt, liebſt mich! aber dein Sinn bedurfte derber Speiſe. Ich verſtehe dich. Und das — liebe ich in dir. Lebe wohl! Ich mag auf vieles nicht geantwortet haben; mit den erſten Kräften, künf- tig. Mir hat Barnekow, Goſchitzki, und auch Fouqué wieder geſchrieben; denen ſoll ich nun allen antworten! — Es wird ſchon ganz dunkel. Adieu Lieber! Ich ſeh dich an. Nicke dir! Deine treue — trotz Sturm und Schelte — die dich liebt und kennt. R. Deine Bekanntſchaft mit Gräfin Pachta freut mich weit mehr, als ich es geſchrieben habe; ganz überaus.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Berlin, den 23. December 1811., Sonnabend Vormittag halb 12 Uhr.
— Geſtern aber hätte ich Ihnen doch geſchrieben, wenn mich nicht Heinrich Kleiſt’s Tod ſo ſehr eingenommen hätte. Es läßt ſich, wo das Leben aus iſt, niemals etwas darüber ſagen; von Kleiſt befremdete mich die That nicht; es ging ſtreng in ihm her, er war wahrhaft, und litt viel. Wir ha- ben nie über Tod und Selbſtmord geſprochen. — Sie wiſſen wie ich über Mord an uns ſelbſt denke: wie Sie! Ich mag es nicht, daß die Unglückſeligen, die Menſchen, bis auf die Hefen leiden. Dem wahrhaft Großen, Unendlichen, wenn man
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Pachta haſt du mir ſehr gut geſchrieben; wie denn dein ganzer
Brief ſehr gut iſt. Für deine Liebe aber kann ich dir nur mit
meiner danken, und mit der Einſicht über das Glück, von ei-
nem Menſchen geliebt und eingeſehen und getraut zu ſein.
Schwache Worte! Du, der du ſo wenig lieben kannſt, liebſt
mich! aber dein Sinn bedurfte derber Speiſe. Ich verſtehe
dich. Und das — liebe ich in dir. Lebe wohl! Ich mag auf
vieles nicht geantwortet haben; mit den erſten Kräften, künf-
tig. Mir hat Barnekow, Goſchitzki, und auch Fouqué wieder
geſchrieben; denen ſoll ich nun allen antworten! — Es wird
ſchon ganz dunkel. Adieu Lieber! Ich ſeh dich an. Nicke dir!
Deine treue — trotz Sturm und Schelte — die dich liebt und
kennt. R. Deine Bekanntſchaft mit Gräfin Pachta freut mich
weit mehr, als ich es geſchrieben habe; ganz überaus.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Berlin, den 23. December 1811.,
Sonnabend Vormittag halb 12 Uhr.
— Geſtern aber hätte ich Ihnen doch geſchrieben, wenn
mich nicht Heinrich Kleiſt’s Tod ſo ſehr eingenommen hätte.
Es läßt ſich, wo das Leben aus iſt, niemals etwas darüber
ſagen; von Kleiſt befremdete mich die That nicht; es ging
ſtreng in ihm her, er war wahrhaft, und litt viel. Wir ha-
ben nie über Tod und Selbſtmord geſprochen. — Sie wiſſen
wie ich über Mord an uns ſelbſt denke: wie Sie! Ich mag
es nicht, daß die Unglückſeligen, die Menſchen, bis auf die
Hefen leiden. Dem wahrhaft Großen, Unendlichen, wenn man
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/590>, abgerufen am 21.11.2024.
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