Schmerzes;" den segnet ja der unselige Tasso auch! "Wenn der Mensch es nicht mehr erträgt." Ich versteh ihn immer! O! den einzigen Vortheil, den einzigen gewährt der wahre Schmerz, wenn er bis zur Besinnung dringt; den traurigen, den erhabenen, -- daß er nie wiederkommen kann. Daß er uns wirklich von dem Stück Leben losgeschnitten hat, wo- ran er blutend riß! So ging es mir. Erhaben nenn' ich dies: weil, wenn man von der Welt, in der man lebt, getrennt ist; und doch noch lebt, man nothwendig erhaben sein muß. Wenn auch nur, als traurige Betrachtung, daß es so, und nicht anders ist. Die Wahrheit dieser Ansicht. --
Mittwoch, Heiligabend 1806.
-- Ich will nur meine "Mördergrube" aufschließen! Von Liebhabereien hab' ich eigentlich keinen Begriff; mir ist immer, als müsse man alles haben, oder haben können, was zu haben sei! Aber Glaswerk und namentlich Flakons, und Stöcke, geben mir einen Begriff, eine Art Vorschmack von dem, was Liebhaberei sein muß. Ich schicke Ihnen ein kleines Weihnachten von einem andern Kaliber. Lesen Sie einmal in vehementem Französisch, was ich so oft in Deutsch schimpfe, predige, nicht begreife, meine, und was mir ewig mein geliebtes Herz sagen wird und gesagt hat. Ich werde es sehr deutlich schreiben: so können Sie es Ihren Gästen zum Weihnachten mittheilen. Wenn sie es nur wie ein Buch nehmen! Nämlich, das Buch für sich, und das Leben wieder für sich!! -- Ich könnte Ihnen noch viel über Weihnachten
Schmerzes;“ den ſegnet ja der unſelige Taſſo auch! „Wenn der Menſch es nicht mehr erträgt.“ Ich verſteh ihn immer! O! den einzigen Vortheil, den einzigen gewährt der wahre Schmerz, wenn er bis zur Beſinnung dringt; den traurigen, den erhabenen, — daß er nie wiederkommen kann. Daß er uns wirklich von dem Stück Leben losgeſchnitten hat, wo- ran er blutend riß! So ging es mir. Erhaben nenn’ ich dies: weil, wenn man von der Welt, in der man lebt, getrennt iſt; und doch noch lebt, man nothwendig erhaben ſein muß. Wenn auch nur, als traurige Betrachtung, daß es ſo, und nicht anders iſt. Die Wahrheit dieſer Anſicht. —
Mittwoch, Heiligabend 1806.
— Ich will nur meine „Mördergrube“ aufſchließen! Von Liebhabereien hab’ ich eigentlich keinen Begriff; mir iſt immer, als müſſe man alles haben, oder haben können, was zu haben ſei! Aber Glaswerk und namentlich Flakons, und Stöcke, geben mir einen Begriff, eine Art Vorſchmack von dem, was Liebhaberei ſein muß. Ich ſchicke Ihnen ein kleines Weihnachten von einem andern Kaliber. Leſen Sie einmal in vehementem Franzöſiſch, was ich ſo oft in Deutſch ſchimpfe, predige, nicht begreife, meine, und was mir ewig mein geliebtes Herz ſagen wird und geſagt hat. Ich werde es ſehr deutlich ſchreiben: ſo können Sie es Ihren Gäſten zum Weihnachten mittheilen. Wenn ſie es nur wie ein Buch nehmen! Nämlich, das Buch für ſich, und das Leben wieder für ſich!! — Ich könnte Ihnen noch viel über Weihnachten
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Schmerzes;“ den ſegnet ja der unſelige Taſſo auch! „Wenn
der Menſch es nicht mehr erträgt.“ Ich verſteh ihn immer!
O! den einzigen Vortheil, den einzigen gewährt der wahre
Schmerz, wenn er bis zur Beſinnung dringt; den traurigen,
den erhabenen, — daß er nie wiederkommen kann. Daß er
uns wirklich von dem Stück Leben losgeſchnitten hat, wo-
ran er blutend riß! So ging es mir. Erhaben nenn’ ich
dies: weil, wenn man von der Welt, in der man lebt, getrennt
iſt; und doch noch lebt, man nothwendig erhaben ſein muß.
Wenn auch nur, als traurige Betrachtung, daß es ſo, und
nicht anders iſt. Die Wahrheit dieſer Anſicht. —
Mittwoch, Heiligabend 1806.
— Ich will nur meine „Mördergrube“ aufſchließen!
Von Liebhabereien hab’ ich eigentlich keinen Begriff; mir
iſt immer, als müſſe man alles haben, oder haben können,
was zu haben ſei! Aber Glaswerk und namentlich Flakons,
und Stöcke, geben mir einen Begriff, eine Art Vorſchmack
von dem, was Liebhaberei ſein muß. Ich ſchicke Ihnen ein
kleines Weihnachten von einem andern Kaliber. Leſen Sie
einmal in vehementem Franzöſiſch, was ich ſo oft in Deutſch
ſchimpfe, predige, nicht begreife, meine, und was mir ewig
mein geliebtes Herz ſagen wird und geſagt hat. Ich werde
es ſehr deutlich ſchreiben: ſo können Sie es Ihren Gäſten
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für ſich!! — Ich könnte Ihnen noch viel über Weihnachten
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/320>, abgerufen am 20.11.2024.
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