Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Menschen, die mich beleidigen können, haben
mich schon vorher beleidigt, eh' sie's thaten. Sie werden
mich nicht beleidigen, darum können Sie mich nicht beleidi-
gen. Egl. aber z. B. mag machen was er will, er beleidigt
mich immer, denn er hat mich beleidigt, und er muß mich
beleidigen, weil er einmal diesen Punkt getroffen hat; und
so Mehrere! --

Sie haben übrigens in allem Recht, was Sie sagten.
Nichts ist odiöser, als sich hinter Ignoranz verstecken, weil
es zärtlich gegen sich selbst und roh gegen die Andern und
eine ungeschickte Lüge ist, und diese Komposition die schlechteste
Art von Nichtswürdigkeit ist.

Wenn ich die Leute, nicht die Menschen, gut behandle,
so ist das, weil ich mich nicht zu allen Zeiten so grob zu
machen vermag, als es zu ihnen stimmte, und weil mein Zorn
gedämpft wird von der Furcht, die sie mir einflößen, und
die ganz dieselbe ist, die ich vor wilden Hunden habe. Meine
Verachtung aber ist gewiß die ächteste! --

Ich komme so bald zu Ihnen, als ich kann. Sobald
ich wieder ganz besser bin, und der Fußboden trocken. Mor-
gen in jedem Fall.




Ich lernte, daß es Klarheit und Glück in, und durch uns
selbst giebt: dies kann wieder kommen, wenn es ginge; und
das Bewußtsein davon kann mir nichts rauben. Auch für
Andre muß es Trost sein, ein Herz voll schlecht behandelter
Liebe, die alle Leidenschaft werden mußte, im schönen Port

Die Menſchen, die mich beleidigen können, haben
mich ſchon vorher beleidigt, eh’ ſie’s thaten. Sie werden
mich nicht beleidigen, darum können Sie mich nicht beleidi-
gen. Egl. aber z. B. mag machen was er will, er beleidigt
mich immer, denn er hat mich beleidigt, und er muß mich
beleidigen, weil er einmal dieſen Punkt getroffen hat; und
ſo Mehrere! —

Sie haben übrigens in allem Recht, was Sie ſagten.
Nichts iſt odiöſer, als ſich hinter Ignoranz verſtecken, weil
es zärtlich gegen ſich ſelbſt und roh gegen die Andern und
eine ungeſchickte Lüge iſt, und dieſe Kompoſition die ſchlechteſte
Art von Nichtswürdigkeit iſt.

Wenn ich die Leute, nicht die Menſchen, gut behandle,
ſo iſt das, weil ich mich nicht zu allen Zeiten ſo grob zu
machen vermag, als es zu ihnen ſtimmte, und weil mein Zorn
gedämpft wird von der Furcht, die ſie mir einflößen, und
die ganz dieſelbe iſt, die ich vor wilden Hunden habe. Meine
Verachtung aber iſt gewiß die ächteſte! —

Ich komme ſo bald zu Ihnen, als ich kann. Sobald
ich wieder ganz beſſer bin, und der Fußboden trocken. Mor-
gen in jedem Fall.




Ich lernte, daß es Klarheit und Glück in, und durch uns
ſelbſt giebt: dies kann wieder kommen, wenn es ginge; und
das Bewußtſein davon kann mir nichts rauben. Auch für
Andre muß es Troſt ſein, ein Herz voll ſchlecht behandelter
Liebe, die alle Leidenſchaft werden mußte, im ſchönen Port

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0316" n="302"/><hi rendition="#g">Die</hi> Men&#x017F;chen, die mich <hi rendition="#g">beleidigen können, haben</hi><lb/>
mich &#x017F;chon <hi rendition="#g">vorher</hi> beleidigt, eh&#x2019; &#x017F;ie&#x2019;s thaten. <hi rendition="#g">Sie werden</hi><lb/>
mich <hi rendition="#g">nicht</hi> beleidigen, darum können Sie mich nicht beleidi-<lb/>
gen. Egl. aber z. B. <hi rendition="#g">mag</hi> machen was er will, er beleidigt<lb/>
mich immer, denn er hat mich beleidigt, und er <hi rendition="#g">muß</hi> mich<lb/>
beleidigen, weil er einmal die&#x017F;en Punkt getroffen hat; und<lb/>
&#x017F;o Mehrere! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Sie haben übrigens in allem Recht, was Sie &#x017F;agten.<lb/>
Nichts i&#x017F;t odiö&#x017F;er, als &#x017F;ich hinter Ignoranz ver&#x017F;tecken, weil<lb/>
es zärtlich gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und roh gegen die Andern und<lb/>
eine unge&#x017F;chickte Lüge i&#x017F;t, und die&#x017F;e Kompo&#x017F;ition die &#x017F;chlechte&#x017F;te<lb/>
Art von Nichtswürdigkeit i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn ich die <hi rendition="#g">Leute</hi>, nicht die Men&#x017F;chen, gut behandle,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t das, weil ich mich nicht zu allen Zeiten &#x017F;o grob zu<lb/>
machen vermag, als es zu ihnen &#x017F;timmte, und weil mein Zorn<lb/>
gedämpft wird von der <hi rendition="#g">Furcht</hi>, die &#x017F;ie mir einflößen, und<lb/>
die ganz die&#x017F;elbe i&#x017F;t, die ich vor wilden Hunden habe. Meine<lb/>
Verachtung aber i&#x017F;t gewiß die ächte&#x017F;te! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Ich komme &#x017F;o bald zu Ihnen, als ich <hi rendition="#g">kann</hi>. Sobald<lb/>
ich wieder ganz be&#x017F;&#x017F;er bin, und der Fußboden trocken. Mor-<lb/>
gen in jedem Fall.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 24. September 1806.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Ich lernte, daß es Klarheit und Glück in, und durch uns<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">giebt</hi>: dies kann <hi rendition="#g">wieder</hi> kommen, wenn es ginge; und<lb/>
das Bewußt&#x017F;ein davon kann mir nichts rauben. Auch für<lb/>
Andre muß es Tro&#x017F;t &#x017F;ein, ein Herz voll &#x017F;chlecht behandelter<lb/>
Liebe, die alle Leiden&#x017F;chaft werden mußte, im &#x017F;chönen Port<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0316] Die Menſchen, die mich beleidigen können, haben mich ſchon vorher beleidigt, eh’ ſie’s thaten. Sie werden mich nicht beleidigen, darum können Sie mich nicht beleidi- gen. Egl. aber z. B. mag machen was er will, er beleidigt mich immer, denn er hat mich beleidigt, und er muß mich beleidigen, weil er einmal dieſen Punkt getroffen hat; und ſo Mehrere! — Sie haben übrigens in allem Recht, was Sie ſagten. Nichts iſt odiöſer, als ſich hinter Ignoranz verſtecken, weil es zärtlich gegen ſich ſelbſt und roh gegen die Andern und eine ungeſchickte Lüge iſt, und dieſe Kompoſition die ſchlechteſte Art von Nichtswürdigkeit iſt. Wenn ich die Leute, nicht die Menſchen, gut behandle, ſo iſt das, weil ich mich nicht zu allen Zeiten ſo grob zu machen vermag, als es zu ihnen ſtimmte, und weil mein Zorn gedämpft wird von der Furcht, die ſie mir einflößen, und die ganz dieſelbe iſt, die ich vor wilden Hunden habe. Meine Verachtung aber iſt gewiß die ächteſte! — Ich komme ſo bald zu Ihnen, als ich kann. Sobald ich wieder ganz beſſer bin, und der Fußboden trocken. Mor- gen in jedem Fall. Den 24. September 1806. Ich lernte, daß es Klarheit und Glück in, und durch uns ſelbſt giebt: dies kann wieder kommen, wenn es ginge; und das Bewußtſein davon kann mir nichts rauben. Auch für Andre muß es Troſt ſein, ein Herz voll ſchlecht behandelter Liebe, die alle Leidenſchaft werden mußte, im ſchönen Port

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/316
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/316>, abgerufen am 21.12.2024.