empfindung, allein in ganz anderm Bezuge, denn ich wünschte sehnlich, mit diesem wunderbaren Wesen näher bekannt zu werden, gegen welches die andern so schnell verblaßten, und schon sah ich insgeheim mich mit ihm einverstandener und zu- sammengehöriger, als mit allen diesen."
1807. Herbst.
-- "Unter den Zuhörern Fichte's, der seine Reden an die deutsche Nation damals hielt, fand ich Ludwig Robert, mit dem ich die fast abgebrochene Bekanntschaft erneuerte, auch seine Schwester Rahel sah ich mit ihm regelmäßig eintreffen, und ich widmete ihrer anziehenden Erscheinung die lebhafteste Aufmerksamkeit, wobei doch ein so nah und leicht unter sol- chen Umständen sich ereignendes Anknüpfen des Gesprächs diesmal durch Eigensinn des Zufalls unterbleiben sollte." -- --
1808.
"In dieser Stimmung, so vorbereitet, so empfänglich, reif und bedürftig in Geist und Gemüth für neuen Reiz und neuen Trost, begegnete ich eines Nachmittags in noch schneeigem Frühligswetter unter den Linden Rahel; ihre Begleiterin war mir wohlbekannt, ich redete diese an, und indem ich eine Strecke mitging, ergab sich, so unbefangen als erwünscht, auch ein Ge- spräch mit Rahel selbst. Ich fand mich außerordentlich angezo- gen, und bot all meinen Witz auf, um die schöne Gelegenheit nicht ungenutzt vergehen zu lassen; ich wußte unter andern eines
empfindung, allein in ganz anderm Bezuge, denn ich wünſchte ſehnlich, mit dieſem wunderbaren Weſen näher bekannt zu werden, gegen welches die andern ſo ſchnell verblaßten, und ſchon ſah ich insgeheim mich mit ihm einverſtandener und zu- ſammengehöriger, als mit allen dieſen.“
1807. Herbſt.
— „Unter den Zuhörern Fichte’s, der ſeine Reden an die deutſche Nation damals hielt, fand ich Ludwig Robert, mit dem ich die faſt abgebrochene Bekanntſchaft erneuerte, auch ſeine Schweſter Rahel ſah ich mit ihm regelmäßig eintreffen, und ich widmete ihrer anziehenden Erſcheinung die lebhafteſte Aufmerkſamkeit, wobei doch ein ſo nah und leicht unter ſol- chen Umſtänden ſich ereignendes Anknüpfen des Geſprächs diesmal durch Eigenſinn des Zufalls unterbleiben ſollte.“ — —
1808.
„In dieſer Stimmung, ſo vorbereitet, ſo empfänglich, reif und bedürftig in Geiſt und Gemüth für neuen Reiz und neuen Troſt, begegnete ich eines Nachmittags in noch ſchneeigem Frühligswetter unter den Linden Rahel; ihre Begleiterin war mir wohlbekannt, ich redete dieſe an, und indem ich eine Strecke mitging, ergab ſich, ſo unbefangen als erwünſcht, auch ein Ge- ſpräch mit Rahel ſelbſt. Ich fand mich außerordentlich angezo- gen, und bot all meinen Witz auf, um die ſchöne Gelegenheit nicht ungenutzt vergehen zu laſſen; ich wußte unter andern eines
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[9/0023]
empfindung, allein in ganz anderm Bezuge, denn ich wünſchte
ſehnlich, mit dieſem wunderbaren Weſen näher bekannt zu
werden, gegen welches die andern ſo ſchnell verblaßten, und
ſchon ſah ich insgeheim mich mit ihm einverſtandener und zu-
ſammengehöriger, als mit allen dieſen.“
1807. Herbſt.
— „Unter den Zuhörern Fichte’s, der ſeine Reden an die
deutſche Nation damals hielt, fand ich Ludwig Robert, mit
dem ich die faſt abgebrochene Bekanntſchaft erneuerte, auch
ſeine Schweſter Rahel ſah ich mit ihm regelmäßig eintreffen,
und ich widmete ihrer anziehenden Erſcheinung die lebhafteſte
Aufmerkſamkeit, wobei doch ein ſo nah und leicht unter ſol-
chen Umſtänden ſich ereignendes Anknüpfen des Geſprächs
diesmal durch Eigenſinn des Zufalls unterbleiben ſollte.“ — —
1808.
„In dieſer Stimmung, ſo vorbereitet, ſo empfänglich, reif
und bedürftig in Geiſt und Gemüth für neuen Reiz und neuen
Troſt, begegnete ich eines Nachmittags in noch ſchneeigem
Frühligswetter unter den Linden Rahel; ihre Begleiterin war
mir wohlbekannt, ich redete dieſe an, und indem ich eine Strecke
mitging, ergab ſich, ſo unbefangen als erwünſcht, auch ein Ge-
ſpräch mit Rahel ſelbſt. Ich fand mich außerordentlich angezo-
gen, und bot all meinen Witz auf, um die ſchöne Gelegenheit
nicht ungenutzt vergehen zu laſſen; ich wußte unter andern eines
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/23>, abgerufen am 20.11.2024.
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