Lebensganges auch für den einzelnen in Stoffen und Richtungen bedingt.
IV.
Den Briefen an Wilhelmine müssen wir einen Blick zuwenden, um das Verhältniß im Ganzen zu betrach¬ ten, damit nicht das Einzelne, wie es nach und nach hervorgetreten, uns in irriger Ansicht befangen halte. Die ganze Verbindung ist nur von Einer Seite be¬ urkundet, da von den Briefen Wilhelminens sich nichts vorfindet, indeß vereinigt sich auch schon auf jener Einen Seite alles, um uns von der Geliebten ein überaus vortheilhaftes Bild zu geben: ein günstiges Aeußere, besonders die schöne Gestalt und schöne Augen, dazu eine anmuthige Lebhaftigkeit des Benehmens, werden uns als begleitende Erscheinung der edelsten Empfindungen, der reinsten Gedanken und würdigsten Vorsätze dargezeigt. Solchem Verein von Eindrücken war nicht zu widerstehen, der philosophirende Jüngling, der in prüfender Annäherung noch lange zu überlegen und zu wählen meinte, fand sich schon fortgerissen, und erfuhr das ganze Uebergewicht eines lebhaften, reizenden Mädchens, zu welchem die abstrakten Wünsche und Vorsätze, die sich herniederzulassen wähnten, vielmehr hinaufstreben mußten. In der That wird Geist und Gemüth des Jünglings ganz entzündet, er bittet der Geliebten jeden Zweifel, jede Verkennung ab, er sieht
Lebensganges auch fuͤr den einzelnen in Stoffen und Richtungen bedingt.
IV.
Den Briefen an Wilhelmine muͤſſen wir einen Blick zuwenden, um das Verhaͤltniß im Ganzen zu betrach¬ ten, damit nicht das Einzelne, wie es nach und nach hervorgetreten, uns in irriger Anſicht befangen halte. Die ganze Verbindung iſt nur von Einer Seite be¬ urkundet, da von den Briefen Wilhelminens ſich nichts vorfindet, indeß vereinigt ſich auch ſchon auf jener Einen Seite alles, um uns von der Geliebten ein uͤberaus vortheilhaftes Bild zu geben: ein guͤnſtiges Aeußere, beſonders die ſchoͤne Geſtalt und ſchoͤne Augen, dazu eine anmuthige Lebhaftigkeit des Benehmens, werden uns als begleitende Erſcheinung der edelſten Empfindungen, der reinſten Gedanken und wuͤrdigſten Vorſaͤtze dargezeigt. Solchem Verein von Eindruͤcken war nicht zu widerſtehen, der philoſophirende Juͤngling, der in pruͤfender Annaͤherung noch lange zu uͤberlegen und zu waͤhlen meinte, fand ſich ſchon fortgeriſſen, und erfuhr das ganze Uebergewicht eines lebhaften, reizenden Maͤdchens, zu welchem die abſtrakten Wuͤnſche und Vorſaͤtze, die ſich herniederzulaſſen waͤhnten, vielmehr hinaufſtreben mußten. In der That wird Geiſt und Gemuͤth des Juͤnglings ganz entzuͤndet, er bittet der Geliebten jeden Zweifel, jede Verkennung ab, er ſieht
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Lebensganges auch fuͤr den einzelnen in Stoffen und
Richtungen bedingt.
IV.
Den Briefen an Wilhelmine muͤſſen wir einen Blick
zuwenden, um das Verhaͤltniß im Ganzen zu betrach¬
ten, damit nicht das Einzelne, wie es nach und nach
hervorgetreten, uns in irriger Anſicht befangen halte.
Die ganze Verbindung iſt nur von Einer Seite be¬
urkundet, da von den Briefen Wilhelminens ſich nichts
vorfindet, indeß vereinigt ſich auch ſchon auf jener
Einen Seite alles, um uns von der Geliebten ein
uͤberaus vortheilhaftes Bild zu geben: ein guͤnſtiges
Aeußere, beſonders die ſchoͤne Geſtalt und ſchoͤne Augen,
dazu eine anmuthige Lebhaftigkeit des Benehmens,
werden uns als begleitende Erſcheinung der edelſten
Empfindungen, der reinſten Gedanken und wuͤrdigſten
Vorſaͤtze dargezeigt. Solchem Verein von Eindruͤcken
war nicht zu widerſtehen, der philoſophirende Juͤngling,
der in pruͤfender Annaͤherung noch lange zu uͤberlegen
und zu waͤhlen meinte, fand ſich ſchon fortgeriſſen, und
erfuhr das ganze Uebergewicht eines lebhaften, reizenden
Maͤdchens, zu welchem die abſtrakten Wuͤnſche und
Vorſaͤtze, die ſich herniederzulaſſen waͤhnten, vielmehr
hinaufſtreben mußten. In der That wird Geiſt und
Gemuͤth des Juͤnglings ganz entzuͤndet, er bittet der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/300>, abgerufen am 21.11.2024.
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