Sie werden daraus, daß ich Ihren und Ihrer lieben Frau Gemahlin Briefe so lange nicht beantwortet habe, hoffentlich nicht schließen, daß sie mir gleichgültig waren. Im Gegentheil, ich habe sie recht mit Freude gelesen, aber zum Schreiben und Antworten kann ich oft nicht kommen. Es liegt mir so Vieles auf, das besorgt sein will -- und dann denke ich immer, ich werde Sie Beide bald sehn. Aber der gewünschte Augenblick, wiewohl er sich immer zu nähern scheint, will immer noch nicht kommen.
Ich habe kürzlich über die bedeutende Frage der Zurückkehr zu Münzzahlungen an der Bank ein kleines Werk geschrieben, worin ich sage, was Viele denken, aber doch zu sagen sich fürchten. -- Ich schickte einige Exemplare an Treuttel und Würtz in Paris, mit der Bitte, Ihnen eins davon zukommen zu lassen. Ich hoffe, Sie haben's erhalten.
Die Frage ist hier, wie alle ähnliche, Partheifrage gewor¬ den, und das rein Vernünftige wird hoffnungslos gepredigt, und der Prediger nicht ausposaunt, weil sich die regen Leidenschaften solcher Lehre am innigsten anschließen. Die Opposition -- wor¬ unter ich meine besten Freunde hier habe -- sucht vor Allem und in Allem, was das Ministerium in Noth bringen könnte -- das Gemeinbeste ist nur Nebensache. Das Ministerium sucht vor Allem und durch Alles sich zu erhalten, und deßwegen wagt auch Vansittaert, mit den Uebrigen, nicht die beste Maßregel auszusprechen, und zu suchen, wenn er denkt, sie könnte der Menge doch mißfallen, die noch abergläubisch, und mit englischer Zähigkeit, an der Idee des Goldes hängt. -- Indessen werden meine Verhältnisse immer interessanter, und die Schrift erman¬ gelt nicht, viel Aufmerksamkeit zu erregen.
16.
London, den 13. April 1819.
Sie werden daraus, daß ich Ihren und Ihrer lieben Frau Gemahlin Briefe ſo lange nicht beantwortet habe, hoffentlich nicht ſchließen, daß ſie mir gleichguͤltig waren. Im Gegentheil, ich habe ſie recht mit Freude geleſen, aber zum Schreiben und Antworten kann ich oft nicht kommen. Es liegt mir ſo Vieles auf, das beſorgt ſein will — und dann denke ich immer, ich werde Sie Beide bald ſehn. Aber der gewuͤnſchte Augenblick, wiewohl er ſich immer zu naͤhern ſcheint, will immer noch nicht kommen.
Ich habe kuͤrzlich uͤber die bedeutende Frage der Zuruͤckkehr zu Muͤnzzahlungen an der Bank ein kleines Werk geſchrieben, worin ich ſage, was Viele denken, aber doch zu ſagen ſich fuͤrchten. — Ich ſchickte einige Exemplare an Treuttel und Wuͤrtz in Paris, mit der Bitte, Ihnen eins davon zukommen zu laſſen. Ich hoffe, Sie haben’s erhalten.
Die Frage iſt hier, wie alle aͤhnliche, Partheifrage gewor¬ den, und das rein Vernuͤnftige wird hoffnungslos gepredigt, und der Prediger nicht auspoſaunt, weil ſich die regen Leidenſchaften ſolcher Lehre am innigſten anſchließen. Die Oppoſition — wor¬ unter ich meine beſten Freunde hier habe — ſucht vor Allem und in Allem, was das Miniſterium in Noth bringen koͤnnte — das Gemeinbeſte iſt nur Nebenſache. Das Miniſterium ſucht vor Allem und durch Alles ſich zu erhalten, und deßwegen wagt auch Vanſittaert, mit den Uebrigen, nicht die beſte Maßregel auszuſprechen, und zu ſuchen, wenn er denkt, ſie koͤnnte der Menge doch mißfallen, die noch aberglaͤubiſch, und mit engliſcher Zaͤhigkeit, an der Idee des Goldes haͤngt. — Indeſſen werden meine Verhaͤltniſſe immer intereſſanter, und die Schrift erman¬ gelt nicht, viel Aufmerkſamkeit zu erregen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0146"n="132"/></div><divn="4"><head><hirendition="#b">16.</hi><lb/></head><datelinerendition="#right">London, den <hirendition="#b">13.</hi> April <hirendition="#b">1819.</hi></dateline><lb/><p>Sie werden daraus, daß ich Ihren und Ihrer lieben Frau<lb/>
Gemahlin Briefe ſo lange nicht beantwortet habe, hoffentlich<lb/>
nicht ſchließen, daß ſie mir gleichguͤltig waren. Im Gegentheil,<lb/>
ich habe ſie recht mit Freude geleſen, aber zum Schreiben und<lb/>
Antworten kann ich oft nicht kommen. Es liegt mir ſo Vieles<lb/>
auf, das beſorgt ſein will — und dann denke ich immer, ich<lb/>
werde Sie Beide bald ſehn. Aber der gewuͤnſchte Augenblick,<lb/>
wiewohl er ſich immer zu naͤhern ſcheint, will immer noch nicht<lb/>
kommen.</p><lb/><p>Ich habe kuͤrzlich uͤber die bedeutende Frage der Zuruͤckkehr<lb/>
zu Muͤnzzahlungen an der Bank ein kleines Werk geſchrieben,<lb/>
worin ich ſage, was Viele denken, aber doch zu ſagen ſich<lb/>
fuͤrchten. — Ich ſchickte einige Exemplare an Treuttel und<lb/>
Wuͤrtz in Paris, mit der Bitte, Ihnen eins davon zukommen<lb/>
zu laſſen. Ich hoffe, Sie haben’s erhalten.</p><lb/><p>Die Frage iſt hier, wie alle aͤhnliche, Partheifrage gewor¬<lb/>
den, und das rein Vernuͤnftige wird hoffnungslos gepredigt, und<lb/>
der Prediger nicht auspoſaunt, weil ſich die regen Leidenſchaften<lb/>ſolcher Lehre am innigſten anſchließen. Die Oppoſition — wor¬<lb/>
unter ich meine beſten Freunde hier habe —ſucht vor Allem<lb/>
und in Allem, was das Miniſterium in Noth bringen koͤnnte —<lb/>
das Gemeinbeſte iſt nur Nebenſache. Das Miniſterium ſucht<lb/>
vor Allem und durch Alles ſich zu erhalten, und deßwegen wagt<lb/>
auch Vanſittaert, mit den Uebrigen, nicht die beſte Maßregel<lb/>
auszuſprechen, und zu ſuchen, wenn er denkt, ſie koͤnnte der<lb/>
Menge doch mißfallen, die noch aberglaͤubiſch, und mit engliſcher<lb/>
Zaͤhigkeit, an der Idee des Goldes haͤngt. — Indeſſen werden<lb/>
meine Verhaͤltniſſe immer intereſſanter, und die Schrift erman¬<lb/>
gelt nicht, viel Aufmerkſamkeit zu erregen.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[132/0146]
16.
London, den 13. April 1819.
Sie werden daraus, daß ich Ihren und Ihrer lieben Frau
Gemahlin Briefe ſo lange nicht beantwortet habe, hoffentlich
nicht ſchließen, daß ſie mir gleichguͤltig waren. Im Gegentheil,
ich habe ſie recht mit Freude geleſen, aber zum Schreiben und
Antworten kann ich oft nicht kommen. Es liegt mir ſo Vieles
auf, das beſorgt ſein will — und dann denke ich immer, ich
werde Sie Beide bald ſehn. Aber der gewuͤnſchte Augenblick,
wiewohl er ſich immer zu naͤhern ſcheint, will immer noch nicht
kommen.
Ich habe kuͤrzlich uͤber die bedeutende Frage der Zuruͤckkehr
zu Muͤnzzahlungen an der Bank ein kleines Werk geſchrieben,
worin ich ſage, was Viele denken, aber doch zu ſagen ſich
fuͤrchten. — Ich ſchickte einige Exemplare an Treuttel und
Wuͤrtz in Paris, mit der Bitte, Ihnen eins davon zukommen
zu laſſen. Ich hoffe, Sie haben’s erhalten.
Die Frage iſt hier, wie alle aͤhnliche, Partheifrage gewor¬
den, und das rein Vernuͤnftige wird hoffnungslos gepredigt, und
der Prediger nicht auspoſaunt, weil ſich die regen Leidenſchaften
ſolcher Lehre am innigſten anſchließen. Die Oppoſition — wor¬
unter ich meine beſten Freunde hier habe — ſucht vor Allem
und in Allem, was das Miniſterium in Noth bringen koͤnnte —
das Gemeinbeſte iſt nur Nebenſache. Das Miniſterium ſucht
vor Allem und durch Alles ſich zu erhalten, und deßwegen wagt
auch Vanſittaert, mit den Uebrigen, nicht die beſte Maßregel
auszuſprechen, und zu ſuchen, wenn er denkt, ſie koͤnnte der
Menge doch mißfallen, die noch aberglaͤubiſch, und mit engliſcher
Zaͤhigkeit, an der Idee des Goldes haͤngt. — Indeſſen werden
meine Verhaͤltniſſe immer intereſſanter, und die Schrift erman¬
gelt nicht, viel Aufmerkſamkeit zu erregen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/146>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.