Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum [...] Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt (Main), 1704.

Bild:
<< vorherige Seite

ANSERES SCOTICOS

sonsten auch Baum-Gänße genandt/ ein wenig betrachten/ von deren wunderlichen Ursprung so vieles disputirens unter den Gelährten gemachet wird. Diese Gänse nun sind eine Art wilder Gänsen/ so me istens in Schottland (worvon sie den Nahmen haben) gefunden werden und heissen bey den Schort- und Engelländern The BERNACLES oder CLARIS, bey den Franzosen aber MACQUEROLLES und MACREUSES: sind etwas kleiner als unsere Hauß-Gänse/ haben einen schwartzen Schnabel/ wie die wilde Gänse/ aber viel kürtzer und klemer: der Halß und die Brust sind grauschwartz geschilt/ der Bauch weiß/ die Flügel- und der Ruck mit grau und schwartz melirt: die Spitze am Schmantz weiß/ dann die übrige Federn am gedachten Schwantz gantz schwartz sind/ wie solches Fr. Willuchbee. im dritten Buch seiner Anithologi cap. 2. §. 3. p. 274. am besten beschrieben und in obiger Figur unter Augen geleget hat.

§. II.

Es lassen sich aber diese Gänse auch in Schottland nicht allezeit und durch das gantze Jahr sehen/ sondern nur im Herbst und Winter/ da sie/ wie unsere wilde Schnee- und Hagel-Gänse mit grossen Hauffen geflogen kommen und allda über wintern: daß man also allda nit weiß/ woher sie kommen und wo sie gezeuget werden/ wie der Edle Robertus Sibbaldus in einem besondern Bericht von den Schottländischen Gänsen/ welchen er am Ende seiner Scotiae Illustratae oder Prodromi Hist. Nat. Scot. Part. 2. lib. 3. pag. 38. angehänget hat / versichert: und weilen sie sich gemeiniglich an das Ufer des Britannischen Meers/ absonderlich in der Landschafft Lancaster/ an denjenigen Orthen/ wo die so genandte CONCHAE ANATIFERAE liegen/ niederlassen/ so ist daher der gemeine Wahn entstanden/ daß sie entweder aus diesen Muscheln/ oder von den Bäumen/ daran sich solche ohngefehr Klammern generirt oder gezeuget würden/ wie jetztbelobter Sibbaldus c. l. nicht unrecht schliesset.

§. III.

Damit man nun recht auff den Grund dieser Sachen kommen möge/ wollen wir bey dieser Gelegenheit auch die jetztgemeldte und so genandte.

CONCHAS ANATIFERAS

kürtzlich besehen/ welche von einigen auch Bernacles, von andern aber/ absonderlich in Museo Societ. Reg. Angliae besser BARNACLEN SHELS oder Bernakel-Muscheln genennet werden/ und finden sie sich nicht allein in Schottland sondern auch in Norwegen/ wie D. Wormius in Mus. p. 257. und Jacob. in Mus. Hafniensi p. 21. berichten. Diese Muscheln nun sind nichts anders als eine Art von Balanis marinis und bestehen auß dreyeckichten zusammen geschlossenen Schüsselein / so außwendig glatt und wie blaulicht sind/ auch unten einen runtzelichten weichen Stiel haben/ wormit sie sich an die Bäume/ Schiffe und andere Cörper anhangen/ und wodurch das inwendige Thier oder Wurm (welcher etwa Fingers dick/ weiß und 5. biß 6. Zoll lang ist) seine Nahrung suchet und sich deßwegen auch wie ein Wurm beweget und reget. Was aber noch sonderlich zumercken ist/ so befinden sich an diesem Wurm einige umgekrümte Fäserlein/ welche gleichsam wie Federn außsehen/ absonderlich wann sie sich außgebreitet und also auß der Muscheldringen / wie oben an der 3. Figur zusehen ist.

§. IV.

Diese letztberührte Fäserlein und vermeinte Federn nun gaben der obgemeldten Meinung/ wie daß nemlich die so genandte Baum-Gänse oder Bernakles aus diesen Muscheln gezeuger würden / noch einen grösseren Schein/ so gar/ daß auch viele Gelehrte solches geglaubet/ und Michael Meyerus diese Meinung in einem besondern Buch de Volucri Arborea zu hehaupten gesuchet hat. Jaman hat deswegen zu Pariß in der Sorbon durch einen allgemeinen Ausspruch dafür halten wollen / daß diese Gänse deswegen nicht unter die Vögel/ sondern unter die Fische zu rechnen/ auch deswegen in der Fasten-Zeit solche zu essen erlaubet seyen/ wie solches ein glaubwürdtger Frantzoß D. Wormio, laut dessen Musei p. 25. erzehlet hat. Weßwegen auch diese Gänse zu solcher Zeit auß Schott- und Engeland nach Pariß gebracht werden/ wie obbleobte Sibbaldus Prodrom. Hist. Nat. Scot. part. 2. lib. 3. c. 6. p. 21. berichtet: allwo sie an statt der Fische verkauffet und genossen werden/ wie jetzt bemeldter Wormius l. c. schreibet/ welcher dieser Meynung mit dem Scaligero, Aldrovando, und andern auch nicht abgünstig zuseyn scheinet.

§. V.

Nachdem aber bey den heutigen Naturkündigern es eine auß gemachte Sache ist/ daß ein jedweder Thier sich durch seinen eigenen Saamen vermehre und also die sogenandte generatio aequivoca auch nicht bey dem geringsten Ungezieffer mehr zugelassen wird/ so folger der berühinte Willugbeius e. l. nicht unbillich darauß/ daß solche viel weniger in so grossen Vögeln statt habe und hält also diese Meynung billich vor eine Fabel/ zumahlen der so offt belobte Sibbaldus, welcher alles in Schottland am besten erfahren und beschrieben/ auch diesen Irrthum widerleget und gezeiget hat/ daß die so falsch genandte Baum-Gänse allda nicht gezeuget würden/ sondern anderstwo her geflogen kämen: die Erfahrung auch bezeuget/ daß wie andere Vögel/ auch diese auß ihren Eyern gebrütet würden/ welche nicht allein Senguerdus in Zerlegung der Weiblein gesehen/ sondern auch die Holländer in ihren Nordischen Schiffarten gefunden/ und

ANSERES SCOTICOS

sonsten auch Baum-Gänße genandt/ ein wenig betrachten/ von deren wunderlichen Ursprung so vieles disputirens unter den Gelährten gemachet wird. Diese Gänse nun sind eine Art wilder Gänsen/ so me istens in Schottland (worvon sie den Nahmen haben) gefunden werden und heissen bey den Schort- und Engelländern The BERNACLES oder CLARIS, bey den Franzosen aber MACQUEROLLES und MACREUSES: sind etwas kleiner als unsere Hauß-Gänse/ haben einen schwartzen Schnabel/ wie die wilde Gänse/ aber viel kürtzer und klemer: der Halß und die Brust sind grauschwartz geschilt/ der Bauch weiß/ die Flügel- und der Ruck mit grau und schwartz melirt: die Spitze am Schmantz weiß/ dann die übrige Federn am gedachten Schwantz gantz schwartz sind/ wie solches Fr. Willuchbee. im dritten Buch seiner Anithologi cap. 2. §. 3. p. 274. am besten beschrieben und in obiger Figur unter Augen geleget hat.

§. II.

Es lassen sich aber diese Gänse auch in Schottland nicht allezeit und durch das gantze Jahr sehen/ sondern nur im Herbst uñ Winter/ da sie/ wie unsere wilde Schnee- und Hagel-Gänse mit grossen Hauffen geflogen kommen und allda über wintern: daß man also allda nit weiß/ woher sie kommen und wo sie gezeuget werden/ wie der Edle Robertus Sibbaldus in einem besondern Bericht von den Schottländischen Gänsen/ welchen er am Ende seiner Scotiae Illustratae oder Prodromi Hist. Nat. Scot. Part. 2. lib. 3. pag. 38. angehänget hat / versichert: und weilen sie sich gemeiniglich an das Ufer des Britannischen Meers/ absonderlich in der Landschafft Lancaster/ an denjenigen Orthen/ wo die so genandte CONCHAE ANATIFERAE liegen/ niederlassen/ so ist daher der gemeine Wahn entstanden/ daß sie entweder aus diesen Muscheln/ oder von den Bäumen/ daran sich solche ohngefehr Klammern generirt oder gezeuget würden/ wie jetztbelobter Sibbaldus c. l. nicht unrecht schliesset.

§. III.

Damit man nun recht auff den Grund dieser Sachen kommen möge/ wollen wir bey dieser Gelegenheit auch die jetztgemeldte und so genandte.

CONCHAS ANATIFERAS

kürtzlich besehen/ welche von einigen auch Bernacles, von andern aber/ absonderlich in Museo Societ. Reg. Angliae besser BARNACLEN SHELS oder Bernakel-Muscheln genennet werden/ und finden sie sich nicht allein in Schottland sondern auch in Norwegen/ wie D. Wormius in Mus. p. 257. und Jacob. in Mus. Hafniensi p. 21. berichten. Diese Muscheln nun sind nichts anders als eine Art von Balanis marinis und bestehen auß dreyeckichten zusammen geschlossenen Schüsselein / so außwendig glatt und wie blaulicht sind/ auch unten einen runtzelichten weichen Stiel haben/ wormit sie sich an die Bäume/ Schiffe und andere Cörper anhangen/ und wodurch das inwendige Thier oder Wurm (welcher etwa Fingers dick/ weiß und 5. biß 6. Zoll lang ist) seine Nahrung suchet und sich deßwegen auch wie ein Wurm beweget und reget. Was aber noch sonderlich zumercken ist/ so befinden sich an diesem Wurm einige umgekrümte Fäserlein/ welche gleichsam wie Federn außsehen/ absonderlich wann sie sich außgebreitet und also auß der Muscheldringen / wie oben an der 3. Figur zusehen ist.

§. IV.

Diese letztberührte Fäserlein und vermeinte Federn nun gaben der obgemeldten Meinung/ wie daß nemlich die so genandte Baum-Gänse oder Bernakles aus diesen Muscheln gezeuger würden / noch einen grösseren Schein/ so gar/ daß auch viele Gelehrte solches geglaubet/ und Michael Meyerus diese Meinung in einem besondern Buch de Volucri Arborea zu hehaupten gesuchet hat. Jaman hat deswegen zu Pariß in der Sorbon durch einen allgemeinen Ausspruch dafür halten wollen / daß diese Gänse deswegen nicht unter die Vögel/ sondern unter die Fische zu rechnen/ auch deswegen in der Fasten-Zeit solche zu essen erlaubet seyen/ wie solches ein glaubwürdtger Frantzoß D. Wormio, laut dessen Musei p. 25. erzehlet hat. Weßwegen auch diese Gänse zu solcher Zeit auß Schott- und Engeland nach Pariß gebracht werden/ wie obbleobte Sibbaldus Prodrom. Hist. Nat. Scot. part. 2. lib. 3. c. 6. p. 21. berichtet: allwo sie an statt der Fische verkauffet und genossen werden/ wie jetzt bemeldter Wormius l. c. schreibet/ welcher dieser Meynung mit dem Scaligero, Aldrovando, und andern auch nicht abgünstig zuseyn scheinet.

§. V.

Nachdem aber bey den heutigen Naturkündigern es eine auß gemachte Sache ist/ daß ein jedweder Thier sich durch seinen eigenen Saamen vermehre und also die sogenandte generatio aequivoca auch nicht bey dem geringsten Ungezieffer mehr zugelassen wird/ so folger der berühinte Willugbeius e. l. nicht unbillich darauß/ daß solche viel weniger in so grossen Vögeln statt habe uñ hält also diese Meynung billich vor eine Fabel/ zumahlen der so offt belobte Sibbaldus, welcher alles in Schottland am besten erfahren und beschrieben/ auch diesen Irrthum widerleget und gezeiget hat/ daß die so falsch genandte Baum-Gänse allda nicht gezeuget würden/ sondern anderstwo her geflogen kämen: die Erfahrung auch bezeuget/ daß wie andere Vögel/ auch diese auß ihren Eyern gebrütet würden/ welche nicht allein Senguerdus in Zerlegung der Weiblein gesehen/ sondern auch die Holländer in ihren Nordischen Schiffarten gefunden/ und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0513" n="466"/>
        <p> <hi rendition="#k">ANSERES SCOTICOS</hi> </p>
        <p>sonsten auch Baum-Gänße genandt/ ein wenig betrachten/ von deren wunderlichen Ursprung so       vieles disputirens unter den Gelährten gemachet wird. Diese Gänse nun sind eine Art wilder       Gänsen/ so me istens in Schottland (worvon sie den Nahmen haben) gefunden werden und heissen       bey den Schort- und Engelländern The BERNACLES oder CLARIS, bey den Franzosen aber MACQUEROLLES       und MACREUSES: sind etwas kleiner als unsere Hauß-Gänse/ haben einen schwartzen Schnabel/ wie       die wilde Gänse/ aber viel kürtzer und klemer: der Halß und die Brust sind grauschwartz       geschilt/ der Bauch weiß/ die Flügel- und der Ruck mit grau und schwartz melirt: die Spitze       am Schmantz weiß/ dann die übrige Federn am gedachten Schwantz gantz schwartz sind/ wie       solches Fr. Willuchbee. im dritten Buch seiner Anithologi cap. 2. §. 3. p. 274. am besten       beschrieben und in obiger Figur unter Augen geleget hat.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. II.</head>
        <p>Es lassen sich aber diese Gänse auch in Schottland nicht allezeit und durch das gantze Jahr       sehen/ sondern nur im Herbst un&#x0303; Winter/ da sie/ wie unsere wilde Schnee- und       Hagel-Gänse mit grossen Hauffen geflogen kommen und allda über wintern: daß man also allda nit       weiß/ woher sie kommen und wo sie gezeuget werden/ wie der Edle Robertus Sibbaldus in einem       besondern Bericht von den Schottländischen Gänsen/ welchen er am Ende seiner Scotiae       Illustratae oder Prodromi Hist. Nat. Scot. Part. 2. lib. 3. pag. 38. angehänget hat /       versichert: und weilen sie sich gemeiniglich an das Ufer des Britannischen Meers/ absonderlich       in der Landschafft Lancaster/ an denjenigen Orthen/ wo die so genandte CONCHAE ANATIFERAE       liegen/ niederlassen/ so ist daher der gemeine Wahn entstanden/ daß sie entweder aus diesen       Muscheln/ oder von den Bäumen/ daran sich solche ohngefehr Klammern generirt oder gezeuget       würden/ wie jetztbelobter Sibbaldus c. l. nicht unrecht schliesset.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. III.</head>
        <p>Damit man nun recht auff den Grund dieser Sachen kommen möge/ wollen wir bey dieser       Gelegenheit auch die jetztgemeldte und so genandte.</p>
        <p> <hi rendition="#k">CONCHAS ANATIFERAS</hi> </p>
        <p>kürtzlich besehen/ welche von einigen auch Bernacles, von andern aber/ absonderlich in       Museo Societ. Reg. Angliae besser BARNACLEN SHELS oder Bernakel-Muscheln genennet werden/ und       finden sie sich nicht allein in Schottland sondern auch in Norwegen/ wie D. Wormius in Mus. p.       257. und Jacob. in Mus. Hafniensi p. 21. berichten. Diese Muscheln nun sind nichts anders als       eine Art von Balanis marinis und bestehen auß dreyeckichten zusammen geschlossenen Schüsselein      / so außwendig glatt und wie blaulicht sind/ auch unten einen runtzelichten weichen Stiel       haben/ wormit sie sich an die Bäume/ Schiffe und andere Cörper anhangen/ und wodurch das       inwendige Thier oder Wurm (welcher etwa Fingers dick/ weiß und 5. biß 6. Zoll lang ist) seine       Nahrung suchet und sich deßwegen auch wie ein Wurm beweget und reget. Was aber noch sonderlich       zumercken ist/ so befinden sich an diesem Wurm einige umgekrümte Fäserlein/ welche gleichsam       wie Federn außsehen/ absonderlich wann sie sich außgebreitet und also auß der Muscheldringen /       wie oben an der 3. Figur zusehen ist.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. IV.</head>
        <p>Diese letztberührte Fäserlein und vermeinte Federn nun gaben der obgemeldten Meinung/ wie       daß nemlich die so genandte Baum-Gänse oder Bernakles aus diesen Muscheln gezeuger würden /       noch einen grösseren Schein/ so gar/ daß auch viele Gelehrte solches geglaubet/ und Michael       Meyerus diese Meinung in einem besondern Buch de Volucri Arborea zu hehaupten gesuchet hat.       Jaman hat deswegen zu Pariß in der Sorbon durch einen allgemeinen Ausspruch dafür halten wollen      / daß diese Gänse deswegen nicht unter die Vögel/ sondern unter die Fische zu rechnen/ auch       deswegen in der Fasten-Zeit solche zu essen erlaubet seyen/ wie solches ein glaubwürdtger       Frantzoß D. Wormio, laut dessen Musei p. 25. erzehlet hat. Weßwegen auch diese Gänse zu solcher       Zeit auß Schott- und Engeland nach Pariß gebracht werden/ wie obbleobte Sibbaldus Prodrom.       Hist. Nat. Scot. part. 2. lib. 3. c. 6. p. 21. berichtet: allwo sie an statt der Fische       verkauffet und genossen werden/ wie jetzt bemeldter Wormius l. c. schreibet/ welcher dieser       Meynung mit dem Scaligero, Aldrovando, und andern auch nicht abgünstig zuseyn scheinet.</p>
      </div>
      <div>
        <head>§. V.</head>
        <p>Nachdem aber bey den heutigen Naturkündigern es eine auß gemachte Sache ist/ daß ein       jedweder Thier sich durch seinen eigenen Saamen vermehre und also die sogenandte generatio       aequivoca auch nicht bey dem geringsten Ungezieffer mehr zugelassen wird/ so folger der       berühinte Willugbeius e. l. nicht unbillich darauß/ daß solche viel weniger in so grossen       Vögeln statt habe un&#x0303; hält also diese Meynung billich vor eine Fabel/ zumahlen der so       offt belobte Sibbaldus, welcher alles in Schottland am besten erfahren und beschrieben/ auch       diesen Irrthum widerleget und gezeiget hat/ daß die so falsch genandte Baum-Gänse allda nicht       gezeuget würden/ sondern anderstwo her geflogen kämen: die Erfahrung auch bezeuget/ daß wie       andere Vögel/ auch diese auß ihren Eyern gebrütet würden/ welche nicht allein Senguerdus in       Zerlegung der Weiblein gesehen/ sondern auch die Holländer in ihren Nordischen Schiffarten       gefunden/ und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0513] ANSERES SCOTICOS sonsten auch Baum-Gänße genandt/ ein wenig betrachten/ von deren wunderlichen Ursprung so vieles disputirens unter den Gelährten gemachet wird. Diese Gänse nun sind eine Art wilder Gänsen/ so me istens in Schottland (worvon sie den Nahmen haben) gefunden werden und heissen bey den Schort- und Engelländern The BERNACLES oder CLARIS, bey den Franzosen aber MACQUEROLLES und MACREUSES: sind etwas kleiner als unsere Hauß-Gänse/ haben einen schwartzen Schnabel/ wie die wilde Gänse/ aber viel kürtzer und klemer: der Halß und die Brust sind grauschwartz geschilt/ der Bauch weiß/ die Flügel- und der Ruck mit grau und schwartz melirt: die Spitze am Schmantz weiß/ dann die übrige Federn am gedachten Schwantz gantz schwartz sind/ wie solches Fr. Willuchbee. im dritten Buch seiner Anithologi cap. 2. §. 3. p. 274. am besten beschrieben und in obiger Figur unter Augen geleget hat. §. II. Es lassen sich aber diese Gänse auch in Schottland nicht allezeit und durch das gantze Jahr sehen/ sondern nur im Herbst uñ Winter/ da sie/ wie unsere wilde Schnee- und Hagel-Gänse mit grossen Hauffen geflogen kommen und allda über wintern: daß man also allda nit weiß/ woher sie kommen und wo sie gezeuget werden/ wie der Edle Robertus Sibbaldus in einem besondern Bericht von den Schottländischen Gänsen/ welchen er am Ende seiner Scotiae Illustratae oder Prodromi Hist. Nat. Scot. Part. 2. lib. 3. pag. 38. angehänget hat / versichert: und weilen sie sich gemeiniglich an das Ufer des Britannischen Meers/ absonderlich in der Landschafft Lancaster/ an denjenigen Orthen/ wo die so genandte CONCHAE ANATIFERAE liegen/ niederlassen/ so ist daher der gemeine Wahn entstanden/ daß sie entweder aus diesen Muscheln/ oder von den Bäumen/ daran sich solche ohngefehr Klammern generirt oder gezeuget würden/ wie jetztbelobter Sibbaldus c. l. nicht unrecht schliesset. §. III. Damit man nun recht auff den Grund dieser Sachen kommen möge/ wollen wir bey dieser Gelegenheit auch die jetztgemeldte und so genandte. CONCHAS ANATIFERAS kürtzlich besehen/ welche von einigen auch Bernacles, von andern aber/ absonderlich in Museo Societ. Reg. Angliae besser BARNACLEN SHELS oder Bernakel-Muscheln genennet werden/ und finden sie sich nicht allein in Schottland sondern auch in Norwegen/ wie D. Wormius in Mus. p. 257. und Jacob. in Mus. Hafniensi p. 21. berichten. Diese Muscheln nun sind nichts anders als eine Art von Balanis marinis und bestehen auß dreyeckichten zusammen geschlossenen Schüsselein / so außwendig glatt und wie blaulicht sind/ auch unten einen runtzelichten weichen Stiel haben/ wormit sie sich an die Bäume/ Schiffe und andere Cörper anhangen/ und wodurch das inwendige Thier oder Wurm (welcher etwa Fingers dick/ weiß und 5. biß 6. Zoll lang ist) seine Nahrung suchet und sich deßwegen auch wie ein Wurm beweget und reget. Was aber noch sonderlich zumercken ist/ so befinden sich an diesem Wurm einige umgekrümte Fäserlein/ welche gleichsam wie Federn außsehen/ absonderlich wann sie sich außgebreitet und also auß der Muscheldringen / wie oben an der 3. Figur zusehen ist. §. IV. Diese letztberührte Fäserlein und vermeinte Federn nun gaben der obgemeldten Meinung/ wie daß nemlich die so genandte Baum-Gänse oder Bernakles aus diesen Muscheln gezeuger würden / noch einen grösseren Schein/ so gar/ daß auch viele Gelehrte solches geglaubet/ und Michael Meyerus diese Meinung in einem besondern Buch de Volucri Arborea zu hehaupten gesuchet hat. Jaman hat deswegen zu Pariß in der Sorbon durch einen allgemeinen Ausspruch dafür halten wollen / daß diese Gänse deswegen nicht unter die Vögel/ sondern unter die Fische zu rechnen/ auch deswegen in der Fasten-Zeit solche zu essen erlaubet seyen/ wie solches ein glaubwürdtger Frantzoß D. Wormio, laut dessen Musei p. 25. erzehlet hat. Weßwegen auch diese Gänse zu solcher Zeit auß Schott- und Engeland nach Pariß gebracht werden/ wie obbleobte Sibbaldus Prodrom. Hist. Nat. Scot. part. 2. lib. 3. c. 6. p. 21. berichtet: allwo sie an statt der Fische verkauffet und genossen werden/ wie jetzt bemeldter Wormius l. c. schreibet/ welcher dieser Meynung mit dem Scaligero, Aldrovando, und andern auch nicht abgünstig zuseyn scheinet. §. V. Nachdem aber bey den heutigen Naturkündigern es eine auß gemachte Sache ist/ daß ein jedweder Thier sich durch seinen eigenen Saamen vermehre und also die sogenandte generatio aequivoca auch nicht bey dem geringsten Ungezieffer mehr zugelassen wird/ so folger der berühinte Willugbeius e. l. nicht unbillich darauß/ daß solche viel weniger in so grossen Vögeln statt habe uñ hält also diese Meynung billich vor eine Fabel/ zumahlen der so offt belobte Sibbaldus, welcher alles in Schottland am besten erfahren und beschrieben/ auch diesen Irrthum widerleget und gezeiget hat/ daß die so falsch genandte Baum-Gänse allda nicht gezeuget würden/ sondern anderstwo her geflogen kämen: die Erfahrung auch bezeuget/ daß wie andere Vögel/ auch diese auß ihren Eyern gebrütet würden/ welche nicht allein Senguerdus in Zerlegung der Weiblein gesehen/ sondern auch die Holländer in ihren Nordischen Schiffarten gefunden/ und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentini_museum_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentini_museum_1704/513
Zitationshilfe: Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum [...] Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt (Main), 1704, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentini_museum_1704/513>, abgerufen am 21.11.2024.