Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
der Seele in den Körper wären, ob sie gleich wahre See-
lenwirkungen wahrer Triebe sind.

§. 293.

Aber dieses ist noch nicht alles. Wenn es nun gar
möglich wäre, daß alle diese Seelenwirkungen der Triebe
im Körper bey allen neugebornen Thieren anfänglich, bey
vielen jederzeit und Lebenslang, und bey einigen sehr oft,
obgleich nicht immer, nur bloße Nervenwirkungen wären,
§. 183. 269. so würde man ganz fälschlich schließen, daß
die scheinbare Sorgfalt der Thiere für ihre und ihrer Ab-
kömmlinge Erhaltung und Wohlfahrt, der klugscheinende
Gebrauch der Mittel dazu, das scheinbar überlegte Bestre-
ben zur Erreichung der Absicht der Natur, und die klug,
freywillig und überlegt scheinenden Bewegungen bey den
Trieben, auch nur das Daseyn einer Seele in ihnen, ich
geschweige einer auch nur blos sinnlichen Klugheit, Weis-
heit, Sorgfalt, Sehnsucht und eines Willkührs erwiesen,
da sie sogar ohne alle äußere Empfindungen, und ohne alle
Vorstellungen einer Seele bewerkstelliget würden. §. 183.
Es ist dieses freylich hier noch nicht erwiesen: aber es wird
im zweyten Theile dieses Werks mit aller möglichen
physicalischen Gewißheit dargethan werden. (S. §.
561.)

§. 294.

Die Natur hat den Thieren ihre Triebe nach eines je-
den Bedürfnissen zu seiner Erhaltung und Wohlfahrt, und
zur Fortpflanzung seines Geschlechts eingepflanzet. §. 262.
263. Einige solcher Bedürfnisse sind allgemein: daher
giebt es allgemeine sinnliche Triebe, die keinem Thiere
fehlen, z. E. die Liebe zum Leben und zum Vergnügen,
§. 280. die Nahrungs- die Fortpflanzungstriebe, u. a.
Die besondern Triebe, welche nur einigen Thieren eigen
sind, z. E. zum Athemholen, zum Brüten, zur Pflege
der Jungen, zu verschiedenen Arten willkührlicher Be-

wegun-

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
der Seele in den Koͤrper waͤren, ob ſie gleich wahre See-
lenwirkungen wahrer Triebe ſind.

§. 293.

Aber dieſes iſt noch nicht alles. Wenn es nun gar
moͤglich waͤre, daß alle dieſe Seelenwirkungen der Triebe
im Koͤrper bey allen neugebornen Thieren anfaͤnglich, bey
vielen jederzeit und Lebenslang, und bey einigen ſehr oft,
obgleich nicht immer, nur bloße Nervenwirkungen waͤren,
§. 183. 269. ſo wuͤrde man ganz faͤlſchlich ſchließen, daß
die ſcheinbare Sorgfalt der Thiere fuͤr ihre und ihrer Ab-
koͤmmlinge Erhaltung und Wohlfahrt, der klugſcheinende
Gebrauch der Mittel dazu, das ſcheinbar uͤberlegte Beſtre-
ben zur Erreichung der Abſicht der Natur, und die klug,
freywillig und uͤberlegt ſcheinenden Bewegungen bey den
Trieben, auch nur das Daſeyn einer Seele in ihnen, ich
geſchweige einer auch nur blos ſinnlichen Klugheit, Weis-
heit, Sorgfalt, Sehnſucht und eines Willkuͤhrs erwieſen,
da ſie ſogar ohne alle aͤußere Empfindungen, und ohne alle
Vorſtellungen einer Seele bewerkſtelliget wuͤrden. §. 183.
Es iſt dieſes freylich hier noch nicht erwieſen: aber es wird
im zweyten Theile dieſes Werks mit aller moͤglichen
phyſicaliſchen Gewißheit dargethan werden. (S. §.
561.)

§. 294.

Die Natur hat den Thieren ihre Triebe nach eines je-
den Beduͤrfniſſen zu ſeiner Erhaltung und Wohlfahrt, und
zur Fortpflanzung ſeines Geſchlechts eingepflanzet. §. 262.
263. Einige ſolcher Beduͤrfniſſe ſind allgemein: daher
giebt es allgemeine ſinnliche Triebe, die keinem Thiere
fehlen, z. E. die Liebe zum Leben und zum Vergnuͤgen,
§. 280. die Nahrungs- die Fortpflanzungstriebe, u. a.
Die beſondern Triebe, welche nur einigen Thieren eigen
ſind, z. E. zum Athemholen, zum Bruͤten, zur Pflege
der Jungen, zu verſchiedenen Arten willkuͤhrlicher Be-

wegun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0312" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.</hi></fw><lb/>
der Seele in den Ko&#x0364;rper wa&#x0364;ren, ob &#x017F;ie gleich wahre See-<lb/>
lenwirkungen wahrer Triebe &#x017F;ind.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 293.</head><lb/>
              <p>Aber die&#x017F;es i&#x017F;t noch nicht alles. Wenn es nun gar<lb/>
mo&#x0364;glich wa&#x0364;re, daß alle die&#x017F;e Seelenwirkungen der Triebe<lb/>
im Ko&#x0364;rper bey allen neugebornen Thieren anfa&#x0364;nglich, bey<lb/>
vielen jederzeit und Lebenslang, und bey einigen &#x017F;ehr oft,<lb/>
obgleich nicht immer, nur bloße Nervenwirkungen wa&#x0364;ren,<lb/>
§. 183. 269. &#x017F;o wu&#x0364;rde man ganz fa&#x0364;l&#x017F;chlich &#x017F;chließen, daß<lb/>
die &#x017F;cheinbare Sorgfalt der Thiere fu&#x0364;r ihre und ihrer Ab-<lb/>
ko&#x0364;mmlinge Erhaltung und Wohlfahrt, der klug&#x017F;cheinende<lb/>
Gebrauch der Mittel dazu, das &#x017F;cheinbar u&#x0364;berlegte Be&#x017F;tre-<lb/>
ben zur Erreichung der Ab&#x017F;icht der Natur, und die klug,<lb/>
freywillig und u&#x0364;berlegt &#x017F;cheinenden Bewegungen bey den<lb/>
Trieben, auch nur das Da&#x017F;eyn einer Seele in ihnen, ich<lb/>
ge&#x017F;chweige einer auch nur blos &#x017F;innlichen Klugheit, Weis-<lb/>
heit, Sorgfalt, Sehn&#x017F;ucht und eines Willku&#x0364;hrs erwie&#x017F;en,<lb/>
da &#x017F;ie &#x017F;ogar ohne alle a&#x0364;ußere Empfindungen, und ohne alle<lb/>
Vor&#x017F;tellungen einer Seele bewerk&#x017F;telliget wu&#x0364;rden. §. 183.<lb/>
Es i&#x017F;t die&#x017F;es freylich hier noch nicht erwie&#x017F;en: aber es wird<lb/>
im zweyten Theile die&#x017F;es Werks mit aller mo&#x0364;glichen<lb/>
phy&#x017F;icali&#x017F;chen Gewißheit dargethan werden. (S. §.<lb/>
561.)</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 294.</head><lb/>
              <p>Die Natur hat den Thieren ihre Triebe nach eines je-<lb/>
den Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;einer Erhaltung und Wohlfahrt, und<lb/>
zur Fortpflanzung &#x017F;eines Ge&#x017F;chlechts eingepflanzet. §. 262.<lb/>
263. Einige &#x017F;olcher Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind allgemein: daher<lb/>
giebt es <hi rendition="#fr">allgemeine &#x017F;innliche Triebe,</hi> die keinem Thiere<lb/>
fehlen, z. E. die Liebe zum Leben und zum Vergnu&#x0364;gen,<lb/>
§. 280. die Nahrungs- die Fortpflanzungstriebe, u. a.<lb/>
Die <hi rendition="#fr">be&#x017F;ondern Triebe,</hi> welche nur einigen Thieren eigen<lb/>
&#x017F;ind, z. E. zum Athemholen, zum Bru&#x0364;ten, zur Pflege<lb/>
der Jungen, zu ver&#x017F;chiedenen Arten willku&#x0364;hrlicher Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wegun-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0312] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. der Seele in den Koͤrper waͤren, ob ſie gleich wahre See- lenwirkungen wahrer Triebe ſind. §. 293. Aber dieſes iſt noch nicht alles. Wenn es nun gar moͤglich waͤre, daß alle dieſe Seelenwirkungen der Triebe im Koͤrper bey allen neugebornen Thieren anfaͤnglich, bey vielen jederzeit und Lebenslang, und bey einigen ſehr oft, obgleich nicht immer, nur bloße Nervenwirkungen waͤren, §. 183. 269. ſo wuͤrde man ganz faͤlſchlich ſchließen, daß die ſcheinbare Sorgfalt der Thiere fuͤr ihre und ihrer Ab- koͤmmlinge Erhaltung und Wohlfahrt, der klugſcheinende Gebrauch der Mittel dazu, das ſcheinbar uͤberlegte Beſtre- ben zur Erreichung der Abſicht der Natur, und die klug, freywillig und uͤberlegt ſcheinenden Bewegungen bey den Trieben, auch nur das Daſeyn einer Seele in ihnen, ich geſchweige einer auch nur blos ſinnlichen Klugheit, Weis- heit, Sorgfalt, Sehnſucht und eines Willkuͤhrs erwieſen, da ſie ſogar ohne alle aͤußere Empfindungen, und ohne alle Vorſtellungen einer Seele bewerkſtelliget wuͤrden. §. 183. Es iſt dieſes freylich hier noch nicht erwieſen: aber es wird im zweyten Theile dieſes Werks mit aller moͤglichen phyſicaliſchen Gewißheit dargethan werden. (S. §. 561.) §. 294. Die Natur hat den Thieren ihre Triebe nach eines je- den Beduͤrfniſſen zu ſeiner Erhaltung und Wohlfahrt, und zur Fortpflanzung ſeines Geſchlechts eingepflanzet. §. 262. 263. Einige ſolcher Beduͤrfniſſe ſind allgemein: daher giebt es allgemeine ſinnliche Triebe, die keinem Thiere fehlen, z. E. die Liebe zum Leben und zum Vergnuͤgen, §. 280. die Nahrungs- die Fortpflanzungstriebe, u. a. Die beſondern Triebe, welche nur einigen Thieren eigen ſind, z. E. zum Athemholen, zum Bruͤten, zur Pflege der Jungen, zu verſchiedenen Arten willkuͤhrlicher Be- wegun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/312
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/312>, abgerufen am 21.12.2024.