Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
Das I. Capitul
Ach wie wird der Mensch geplaget,
Wenn ihm Seel und Ketzer saget,
Was nach lauter Falschheit schmeckt:
Aber wenn der Priester weiset,
Wie der HErr mit Warheit speiset,
Wird vor Angst viel Lust erweckt.
Priester sagen, wie zu leben,
Und die Sünde wegzuheben,
Welche Zorn und Hölle bringt:
Wie erfreuen sich die Seelen,
Wenn die Priester nichts verhölen,
Worauf Amt und Himmel dringt.
Priester können Lust erregen,
Wenn sie das vor Augen legen,
Was betrübte Hertzen stärckt;
Ja wenn gar das Leben weichet,
Und der Priester Segen reichet,
Da wird recht die Lust vermerckt.

Man hat noch viel andere Versetzungen der Reime,
es ist aber nicht nöthig, alle Gattungen anzuführen,
denn wer nur ein wenig Nachsinnen hat, kan selbige
ohne schwere Mühe selbst erfinden. vid. Musen-Cabi-
net p. 1284.

12. Müssen sich denn aber nur immer zwey,
Zeilen mit einander reimen?

Es ist solches nicht höchst nöthig: Denn es können
sich auch mehr Zeilen, als zwey, mit einander reimen und
manchmahl eine ungereimet bleiben. Wir wollen sol-
ches in einigen Abtheilungen betrachten.

I. Es können sich manchmahl drey Zeilen mit einander
reimen. z. e.
Jst
Das I. Capitul
Ach wie wird der Menſch geplaget,
Wenn ihm Seel und Ketzer ſaget,
Was nach lauter Falſchheit ſchmeckt:
Aber wenn der Prieſter weiſet,
Wie der HErr mit Warheit ſpeiſet,
Wird vor Angſt viel Luſt erweckt.
Prieſter ſagen, wie zu leben,
Und die Suͤnde wegzuheben,
Welche Zorn und Hoͤlle bringt:
Wie erfreuen ſich die Seelen,
Wenn die Prieſter nichts verhoͤlen,
Worauf Amt und Himmel dringt.
Prieſter koͤnnen Luſt erregen,
Wenn ſie das vor Augen legen,
Was betruͤbte Hertzen ſtaͤrckt;
Ja wenn gar das Leben weichet,
Und der Prieſter Segen reichet,
Da wird recht die Luſt vermerckt.

Man hat noch viel andere Verſetzungen der Reime,
es iſt aber nicht noͤthig, alle Gattungen anzufuͤhren,
denn wer nur ein wenig Nachſinnen hat, kan ſelbige
ohne ſchwere Muͤhe ſelbſt erfinden. vid. Muſen-Cabi-
net p. 1284.

12. Muͤſſen ſich denn aber nur immer zwey,
Zeilen mit einander reimen?

Es iſt ſolches nicht hoͤchſt noͤthig: Denn es koͤnnen
ſich auch mehr Zeilen, als zwey, mit einander reimen und
manchmahl eine ungereimet bleiben. Wir wollen ſol-
ches in einigen Abtheilungen betrachten.

I. Es koͤnnen ſich manchmahl drey Zeilen mit einander
reimen. z. e.
Jſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0030" n="26"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">I.</hi> Capitul</hi> </fw><lb/>
            <l>Ach wie wird der Men&#x017F;ch geplaget,</l><lb/>
            <l>Wenn ihm Seel und Ketzer &#x017F;aget,</l><lb/>
            <l>Was nach lauter Fal&#x017F;chheit &#x017F;chmeckt:</l><lb/>
            <l>Aber wenn der Prie&#x017F;ter wei&#x017F;et,</l><lb/>
            <l>Wie der HErr mit Warheit &#x017F;pei&#x017F;et,</l><lb/>
            <l>Wird vor Ang&#x017F;t viel Lu&#x017F;t erweckt.</l><lb/>
            <l>Prie&#x017F;ter &#x017F;agen, wie zu leben,</l><lb/>
            <l>Und die Su&#x0364;nde wegzuheben,</l><lb/>
            <l>Welche Zorn und Ho&#x0364;lle bringt:</l><lb/>
            <l>Wie erfreuen &#x017F;ich die Seelen,</l><lb/>
            <l>Wenn die Prie&#x017F;ter nichts verho&#x0364;len,</l><lb/>
            <l>Worauf Amt und Himmel dringt.</l><lb/>
            <l>Prie&#x017F;ter ko&#x0364;nnen Lu&#x017F;t erregen,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie das vor Augen legen,</l><lb/>
            <l>Was betru&#x0364;bte Hertzen &#x017F;ta&#x0364;rckt;</l><lb/>
            <l>Ja wenn gar das Leben weichet,</l><lb/>
            <l>Und der Prie&#x017F;ter Segen reichet,</l><lb/>
            <l>Da wird recht die Lu&#x017F;t vermerckt.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Man hat noch viel andere Ver&#x017F;etzungen der Reime,<lb/>
es i&#x017F;t aber nicht no&#x0364;thig, alle Gattungen anzufu&#x0364;hren,<lb/>
denn wer nur ein wenig Nach&#x017F;innen hat, kan &#x017F;elbige<lb/>
ohne &#x017F;chwere Mu&#x0364;he &#x017F;elb&#x017F;t erfinden. <hi rendition="#aq">vid.</hi> Mu&#x017F;en-Cabi-<lb/>
net <hi rendition="#aq">p.</hi> 1284.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">12. Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich denn aber nur immer zwey,<lb/>
Zeilen mit einander reimen?</hi> </head><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t &#x017F;olches nicht ho&#x0364;ch&#x017F;t no&#x0364;thig: Denn es ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;ich auch mehr Zeilen, als zwey, mit einander reimen und<lb/>
manchmahl eine ungereimet bleiben. Wir wollen &#x017F;ol-<lb/>
ches in einigen Abtheilungen betrachten.</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Es ko&#x0364;nnen &#x017F;ich manchmahl drey Zeilen mit einander<lb/>
reimen. z. e.</item>
          </list><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">J&#x017F;t</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0030] Das I. Capitul Ach wie wird der Menſch geplaget, Wenn ihm Seel und Ketzer ſaget, Was nach lauter Falſchheit ſchmeckt: Aber wenn der Prieſter weiſet, Wie der HErr mit Warheit ſpeiſet, Wird vor Angſt viel Luſt erweckt. Prieſter ſagen, wie zu leben, Und die Suͤnde wegzuheben, Welche Zorn und Hoͤlle bringt: Wie erfreuen ſich die Seelen, Wenn die Prieſter nichts verhoͤlen, Worauf Amt und Himmel dringt. Prieſter koͤnnen Luſt erregen, Wenn ſie das vor Augen legen, Was betruͤbte Hertzen ſtaͤrckt; Ja wenn gar das Leben weichet, Und der Prieſter Segen reichet, Da wird recht die Luſt vermerckt. Man hat noch viel andere Verſetzungen der Reime, es iſt aber nicht noͤthig, alle Gattungen anzufuͤhren, denn wer nur ein wenig Nachſinnen hat, kan ſelbige ohne ſchwere Muͤhe ſelbſt erfinden. vid. Muſen-Cabi- net p. 1284. 12. Muͤſſen ſich denn aber nur immer zwey, Zeilen mit einander reimen? Es iſt ſolches nicht hoͤchſt noͤthig: Denn es koͤnnen ſich auch mehr Zeilen, als zwey, mit einander reimen und manchmahl eine ungereimet bleiben. Wir wollen ſol- ches in einigen Abtheilungen betrachten. I. Es koͤnnen ſich manchmahl drey Zeilen mit einander reimen. z. e. Jſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/30
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/30>, abgerufen am 13.11.2024.