Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Der Romantiker und der Recensent.

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Mährchenwelt,
Steig auf in der alten Pracht!

Tieck.

Romantiker.

Finster ist die Nacht und bange,
Nirgends eines Sternleins Funkel!
Dennoch in verliebtem Drange
Wandl' ich durch das grause Dunkel
Mit Gesang und Lautenklange.
Wenn Kamilla nun erwacht
Und das Lämpchen freundlich facht,
Dann erblick' ich, der Entzückte,
Plötzlich eine sterngeschmückte,
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Recensent.

Laß Er doch sein nächtlich Johlen,
Poetaster Helikanus!
Was Er singt, ist nur gestohlen
Aus dem Kaiser Oktavianus,
Der bei mir nicht sehr empfohlen,
Den ich der gelehrten Welt
Von den Alpen bis zum Belt
Preisgab als ein Werk der Rotte,
Die den Unsinn hub zum Gotte,
Die den Sinn gefangen hält.
2. Der Romantiker und der Recenſent.

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Mährchenwelt,
Steig auf in der alten Pracht!

Tieck.

Romantiker.

Finſter iſt die Nacht und bange,
Nirgends eines Sternleins Funkel!
Dennoch in verliebtem Drange
Wandl’ ich durch das grauſe Dunkel
Mit Geſang und Lautenklange.
Wenn Kamilla nun erwacht
Und das Lämpchen freundlich facht,
Dann erblick’ ich, der Entzückte,
Plötzlich eine ſterngeſchmückte,
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Recenſent.

Laß Er doch ſein nächtlich Johlen,
Poetaſter Helikanus!
Was Er ſingt, iſt nur geſtohlen
Aus dem Kaiſer Oktavianus,
Der bei mir nicht ſehr empfohlen,
Den ich der gelehrten Welt
Von den Alpen bis zum Belt
Preisgab als ein Werk der Rotte,
Die den Unſinn hub zum Gotte,
Die den Sinn gefangen hält.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0131" n="125"/>
          <div n="3">
            <head>2. <hi rendition="#g">Der Romantiker und der Recen&#x017F;ent</hi>.</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <cit>
              <quote> <hi rendition="#g">Mondbeglänzte Zaubernacht,<lb/>
Die den Sinn gefangen hält,<lb/>
Wundervolle Mährchenwelt,<lb/>
Steig auf in der alten Pracht!</hi> </quote><lb/>
              <bibl> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#et">Tieck.</hi> </hi> </bibl>
            </cit><lb/>
            <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Romantiker</hi>.</hi> </p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Fin&#x017F;ter i&#x017F;t die Nacht und bange,</l><lb/>
                <l>Nirgends eines Sternleins Funkel!</l><lb/>
                <l>Dennoch in verliebtem Drange</l><lb/>
                <l>Wandl&#x2019; ich durch das grau&#x017F;e Dunkel</l><lb/>
                <l>Mit Ge&#x017F;ang und Lautenklange.</l><lb/>
                <l>Wenn Kamilla nun erwacht</l><lb/>
                <l>Und das Lämpchen freundlich facht,</l><lb/>
                <l>Dann erblick&#x2019; ich, der Entzückte,</l><lb/>
                <l>Plötzlich eine &#x017F;ternge&#x017F;chmückte,</l><lb/>
                <l><hi rendition="#g">Mondbeglänzte Zaubernacht</hi>.</l>
              </lg>
            </lg><lb/>
            <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Recen&#x017F;ent</hi>.</hi> </p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Laß Er doch &#x017F;ein nächtlich Johlen,</l><lb/>
                <l>Poeta&#x017F;ter Helikanus!</l><lb/>
                <l>Was Er &#x017F;ingt, i&#x017F;t nur ge&#x017F;tohlen</l><lb/>
                <l>Aus dem Kai&#x017F;er Oktavianus,</l><lb/>
                <l>Der bei mir nicht &#x017F;ehr empfohlen,</l><lb/>
                <l>Den ich der gelehrten Welt</l><lb/>
                <l>Von den Alpen bis zum Belt</l><lb/>
                <l>Preisgab als ein Werk der Rotte,</l><lb/>
                <l>Die den Un&#x017F;inn hub zum Gotte,</l><lb/>
                <l><hi rendition="#g">Die den Sinn gefangen hält</hi>.</l>
              </lg>
            </lg><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0131] 2. Der Romantiker und der Recenſent. Mondbeglänzte Zaubernacht, Die den Sinn gefangen hält, Wundervolle Mährchenwelt, Steig auf in der alten Pracht! Tieck. Romantiker. Finſter iſt die Nacht und bange, Nirgends eines Sternleins Funkel! Dennoch in verliebtem Drange Wandl’ ich durch das grauſe Dunkel Mit Geſang und Lautenklange. Wenn Kamilla nun erwacht Und das Lämpchen freundlich facht, Dann erblick’ ich, der Entzückte, Plötzlich eine ſterngeſchmückte, Mondbeglänzte Zaubernacht. Recenſent. Laß Er doch ſein nächtlich Johlen, Poetaſter Helikanus! Was Er ſingt, iſt nur geſtohlen Aus dem Kaiſer Oktavianus, Der bei mir nicht ſehr empfohlen, Den ich der gelehrten Welt Von den Alpen bis zum Belt Preisgab als ein Werk der Rotte, Die den Unſinn hub zum Gotte, Die den Sinn gefangen hält.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/131
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/131>, abgerufen am 03.12.2024.