Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Der 9te Mai.
Groß, majestätisch sind des Höchsten Werke,
Und würdig, daß man sie erforsch und merke;
Aus ihnen strömen heilige Vergnügen,
Die nie versiegen.


Die kleine Springfedern der Natur, die kleine Kraft,
oder die nur geringe Anstalten zu Hervorbringung der größten
Handlungen, sind ein unterscheidendes Merkmal der Werke Got-
tes. Oefters sind diese Triebräder so fein und versteckt, daß wir,
wie bei Entwicklung der Keime, nur der Würkungen derselben
gewahr werden. Monden bewegen sich um ihre Planeten; diese
mit ihren Monden bewegen sich um eine gemeinschaftliche Sonne.
Jeder dieser Himmelskörper hat seine eigne Bahn, seine eigne
Schnelligkeit. Wird nicht das Uhrwerk dieser Maschine sehr
künstlich und zusammengesetzt seyn? Wird nicht jedes Rad genau
in das andre eingreifen müssen? Wie oft muß das Gewicht der
Sphären aufgezogen werden? --

Wer hält im Gleichgewichte
So grosser Körper Last?
Wie schwimmt die Welt im Lichte?

Unnütze Fragen! Du sprachst, o Gott! und es ward.
Deine Vorkehrungen sind zum Erstaunen einfach.

Du hingst in lichten Fernen
Weit über uns hinauf,
Die Sonne mit den Sternen,
Uns zu erleuchten auf.
Da hangen sie an nichts! --

Daß du jedem Weltkörper einen Stoß gegeben hast, ist
nicht zu leugnen; aber wie ist es möglich, daß dieser Eindruck

noch


Der 9te Mai.
Groß, majeſtaͤtiſch ſind des Hoͤchſten Werke,
Und wuͤrdig, daß man ſie erforſch und merke;
Aus ihnen ſtroͤmen heilige Vergnuͤgen,
Die nie verſiegen.


Die kleine Springfedern der Natur, die kleine Kraft,
oder die nur geringe Anſtalten zu Hervorbringung der groͤßten
Handlungen, ſind ein unterſcheidendes Merkmal der Werke Got-
tes. Oefters ſind dieſe Triebraͤder ſo fein und verſteckt, daß wir,
wie bei Entwicklung der Keime, nur der Wuͤrkungen derſelben
gewahr werden. Monden bewegen ſich um ihre Planeten; dieſe
mit ihren Monden bewegen ſich um eine gemeinſchaftliche Sonne.
Jeder dieſer Himmelskoͤrper hat ſeine eigne Bahn, ſeine eigne
Schnelligkeit. Wird nicht das Uhrwerk dieſer Maſchine ſehr
kuͤnſtlich und zuſammengeſetzt ſeyn? Wird nicht jedes Rad genau
in das andre eingreifen muͤſſen? Wie oft muß das Gewicht der
Sphaͤren aufgezogen werden? —

Wer haͤlt im Gleichgewichte
So groſſer Koͤrper Laſt?
Wie ſchwimmt die Welt im Lichte?

Unnuͤtze Fragen! Du ſprachſt, o Gott! und es ward.
Deine Vorkehrungen ſind zum Erſtaunen einfach.

Du hingſt in lichten Fernen
Weit uͤber uns hinauf,
Die Sonne mit den Sternen,
Uns zu erleuchten auf.
Da hangen ſie an nichts! —

Daß du jedem Weltkoͤrper einen Stoß gegeben haſt, iſt
nicht zu leugnen; aber wie iſt es moͤglich, daß dieſer Eindruck

noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0306" n="269[299]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der 9<hi rendition="#sup">te</hi> Mai.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">G</hi>roß, maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ch &#x017F;ind des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Werke,</l><lb/>
              <l>Und wu&#x0364;rdig, daß man &#x017F;ie erfor&#x017F;ch und merke;</l><lb/>
              <l>Aus ihnen &#x017F;tro&#x0364;men heilige Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Die nie ver&#x017F;iegen.</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi><hi rendition="#fr">ie kleine Springfedern der Natur,</hi> die kleine Kraft,<lb/>
oder die nur geringe An&#x017F;talten zu Hervorbringung der gro&#x0364;ßten<lb/>
Handlungen, &#x017F;ind ein unter&#x017F;cheidendes Merkmal der Werke Got-<lb/>
tes. Oefters &#x017F;ind die&#x017F;e Triebra&#x0364;der &#x017F;o fein und ver&#x017F;teckt, daß wir,<lb/>
wie bei Entwicklung der Keime, nur der Wu&#x0364;rkungen der&#x017F;elben<lb/>
gewahr werden. Monden bewegen &#x017F;ich um ihre Planeten; die&#x017F;e<lb/>
mit ihren Monden bewegen &#x017F;ich um eine gemein&#x017F;chaftliche Sonne.<lb/>
Jeder die&#x017F;er Himmelsko&#x0364;rper hat &#x017F;eine eigne Bahn, &#x017F;eine eigne<lb/>
Schnelligkeit. Wird nicht das Uhrwerk die&#x017F;er Ma&#x017F;chine &#x017F;ehr<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlich und zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt &#x017F;eyn? Wird nicht jedes Rad genau<lb/>
in das andre eingreifen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Wie oft muß das Gewicht der<lb/>
Spha&#x0364;ren aufgezogen werden? &#x2014;</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Wer ha&#x0364;lt im Gleichgewichte</l><lb/>
              <l>So gro&#x017F;&#x017F;er Ko&#x0364;rper La&#x017F;t?</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;chwimmt die Welt im Lichte?</l>
            </lg><lb/>
            <p>Unnu&#x0364;tze Fragen! Du &#x017F;prach&#x017F;t, o Gott! und es ward.<lb/>
Deine Vorkehrungen &#x017F;ind zum Er&#x017F;taunen einfach.</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Du hing&#x017F;t in lichten Fernen</l><lb/>
              <l>Weit u&#x0364;ber uns hinauf,</l><lb/>
              <l>Die Sonne mit den Sternen,</l><lb/>
              <l>Uns zu erleuchten auf.</l><lb/>
              <l>Da hangen &#x017F;ie an nichts! &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <p>Daß du jedem Weltko&#x0364;rper einen Stoß gegeben ha&#x017F;t, i&#x017F;t<lb/>
nicht zu leugnen; aber wie i&#x017F;t es mo&#x0364;glich, daß die&#x017F;er Eindruck<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269[299]/0306] Der 9te Mai. Groß, majeſtaͤtiſch ſind des Hoͤchſten Werke, Und wuͤrdig, daß man ſie erforſch und merke; Aus ihnen ſtroͤmen heilige Vergnuͤgen, Die nie verſiegen. Die kleine Springfedern der Natur, die kleine Kraft, oder die nur geringe Anſtalten zu Hervorbringung der groͤßten Handlungen, ſind ein unterſcheidendes Merkmal der Werke Got- tes. Oefters ſind dieſe Triebraͤder ſo fein und verſteckt, daß wir, wie bei Entwicklung der Keime, nur der Wuͤrkungen derſelben gewahr werden. Monden bewegen ſich um ihre Planeten; dieſe mit ihren Monden bewegen ſich um eine gemeinſchaftliche Sonne. Jeder dieſer Himmelskoͤrper hat ſeine eigne Bahn, ſeine eigne Schnelligkeit. Wird nicht das Uhrwerk dieſer Maſchine ſehr kuͤnſtlich und zuſammengeſetzt ſeyn? Wird nicht jedes Rad genau in das andre eingreifen muͤſſen? Wie oft muß das Gewicht der Sphaͤren aufgezogen werden? — Wer haͤlt im Gleichgewichte So groſſer Koͤrper Laſt? Wie ſchwimmt die Welt im Lichte? Unnuͤtze Fragen! Du ſprachſt, o Gott! und es ward. Deine Vorkehrungen ſind zum Erſtaunen einfach. Du hingſt in lichten Fernen Weit uͤber uns hinauf, Die Sonne mit den Sternen, Uns zu erleuchten auf. Da hangen ſie an nichts! — Daß du jedem Weltkoͤrper einen Stoß gegeben haſt, iſt nicht zu leugnen; aber wie iſt es moͤglich, daß dieſer Eindruck noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/306
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 269[299]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/306>, abgerufen am 22.07.2024.