Jch will dich all mein Lebenlang, O Gott! von nun an ehren. Man soll, o Gott! dein'n Lobgesang An allen Orten hören. Mein ganzes Herz ermuntre sich, Mein Geist und Leib erfreue sich. Gebt unserm Gott die Ehre!
Wie schön ist die Natur! wie dringend sind nicht die Einla- dungen Gottes! Aber die undankbaren Gäste! Man muß von den meisten sagen: sie sind es nicht werth. Soll denn der grosse Hausvater nur Krüppel und an den Zäunen aufgelesene Bettler zu Verehrern haben? Nicht selten siehet man eine Gesell- schaft von Menschen, welche vornehm, reich, jung, schön sind, welche alles haben, was Gott nur Sterblichen geben kan: nun diese werden doch wenigstens einen Laut der Dankbarkeit, und dann und wann einen erkentlichen Blick gen Himmel schicken? -- Aber ach! sie haben noch nicht genug; und was sie besitzen, halten sie für Zufall, Verdienst, oder für eine Schuldigkeit des Himmels. Kein Wort von Gott! Müssen sie wider willen ihn nennen hören, so falten sie ihre Mienen zur Spötterei. Hunde und Pferde sind ihnen ein wichtigerer Gegenstand, als das künftige Schicksal ihrer Seelen. Ein unzüchtiges, verworfnes Geschöpf heftet ihre Blicke auf sich, und gibt ihnen Stoff zu langen Gesprächen. Wann sie den Mund öfnen, so haben sie eine Sünde begangen, oder sind im Begriff eine zu begehen. Und diese Menschen sollen und wol- len ewig vorhanden seyn? Wozu denn? Um wie ein Strudel Gottes Wohlthaten einzuschlucken, und andern dankbaren Ge- schöpfen zur Last und gefährlich zu seyn?
So
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Der 20te April.
Jch will dich all mein Lebenlang, O Gott! von nun an ehren. Man ſoll, o Gott! dein’n Lobgeſang An allen Orten hoͤren. Mein ganzes Herz ermuntre ſich, Mein Geiſt und Leib erfreue ſich. Gebt unſerm Gott die Ehre!
Wie ſchoͤn iſt die Natur! wie dringend ſind nicht die Einla- dungen Gottes! Aber die undankbaren Gaͤſte! Man muß von den meiſten ſagen: ſie ſind es nicht werth. Soll denn der groſſe Hausvater nur Kruͤppel und an den Zaͤunen aufgeleſene Bettler zu Verehrern haben? Nicht ſelten ſiehet man eine Geſell- ſchaft von Menſchen, welche vornehm, reich, jung, ſchoͤn ſind, welche alles haben, was Gott nur Sterblichen geben kan: nun dieſe werden doch wenigſtens einen Laut der Dankbarkeit, und dann und wann einen erkentlichen Blick gen Himmel ſchicken? — Aber ach! ſie haben noch nicht genug; und was ſie beſitzen, halten ſie fuͤr Zufall, Verdienſt, oder fuͤr eine Schuldigkeit des Himmels. Kein Wort von Gott! Muͤſſen ſie wider willen ihn nennen hoͤren, ſo falten ſie ihre Mienen zur Spoͤtterei. Hunde und Pferde ſind ihnen ein wichtigerer Gegenſtand, als das kuͤnftige Schickſal ihrer Seelen. Ein unzuͤchtiges, verworfnes Geſchoͤpf heftet ihre Blicke auf ſich, und gibt ihnen Stoff zu langen Geſpraͤchen. Wann ſie den Mund oͤfnen, ſo haben ſie eine Suͤnde begangen, oder ſind im Begriff eine zu begehen. Und dieſe Menſchen ſollen und wol- len ewig vorhanden ſeyn? Wozu denn? Um wie ein Strudel Gottes Wohlthaten einzuſchlucken, und andern dankbaren Ge- ſchoͤpfen zur Laſt und gefaͤhrlich zu ſeyn?
So
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[229[259]/0266]
Der 20te April.
Jch will dich all mein Lebenlang,
O Gott! von nun an ehren.
Man ſoll, o Gott! dein’n Lobgeſang
An allen Orten hoͤren.
Mein ganzes Herz ermuntre ſich,
Mein Geiſt und Leib erfreue ſich.
Gebt unſerm Gott die Ehre!
Wie ſchoͤn iſt die Natur! wie dringend ſind nicht die Einla-
dungen Gottes! Aber die undankbaren Gaͤſte! Man
muß von den meiſten ſagen: ſie ſind es nicht werth. Soll denn
der groſſe Hausvater nur Kruͤppel und an den Zaͤunen aufgeleſene
Bettler zu Verehrern haben? Nicht ſelten ſiehet man eine Geſell-
ſchaft von Menſchen, welche vornehm, reich, jung, ſchoͤn ſind,
welche alles haben, was Gott nur Sterblichen geben kan: nun
dieſe werden doch wenigſtens einen Laut der Dankbarkeit, und dann
und wann einen erkentlichen Blick gen Himmel ſchicken? — Aber
ach! ſie haben noch nicht genug; und was ſie beſitzen, halten ſie
fuͤr Zufall, Verdienſt, oder fuͤr eine Schuldigkeit des Himmels.
Kein Wort von Gott! Muͤſſen ſie wider willen ihn nennen hoͤren,
ſo falten ſie ihre Mienen zur Spoͤtterei. Hunde und Pferde ſind
ihnen ein wichtigerer Gegenſtand, als das kuͤnftige Schickſal ihrer
Seelen. Ein unzuͤchtiges, verworfnes Geſchoͤpf heftet ihre Blicke
auf ſich, und gibt ihnen Stoff zu langen Geſpraͤchen. Wann ſie
den Mund oͤfnen, ſo haben ſie eine Suͤnde begangen, oder ſind
im Begriff eine zu begehen. Und dieſe Menſchen ſollen und wol-
len ewig vorhanden ſeyn? Wozu denn? Um wie ein Strudel
Gottes Wohlthaten einzuſchlucken, und andern dankbaren Ge-
ſchoͤpfen zur Laſt und gefaͤhrlich zu ſeyn?
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 229[259]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/266>, abgerufen am 21.12.2024.
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