schwalben, dann folgen Kirschvögel, Gereuthlerchen, der Guckguck, die Dornreiche, Nachtigallen, Störche, Steinbeisser, Rothschwänz- lein, und andre Vögel die sich von Gewürm ernähren. Dann ver- lassen uns im September die Neuntödter, Bachstolzen, Weisdros- seln, Wachteln, Schwalben, Heidelerchen, wilde Tauben, Wiedeho- pfen und Weidenzeisige. Endlich verlieren sich Kibitze, Schne- pfen, Kornlerchen und Staare. Der Widerstrich dieser Geschö- pfe im Frühlinge geschiehet fast durchgehends in der Ordnung, daß je später sie wegziehen, desto früher sie wiederkommen. Die Korn- lerche macht um Lichtmeß den Anfang, Kirschvogel und Rhein- schwalbe aber beschliessen den ansehnlichen jährlichen Zug.
Einige Zugvögel bleiben hier und finden Nahrung, warum bleiben ihrer nicht mehr hier, und wer benennet eben diese? Wer bestimmt ihnen die bequemste Zeit? Nicht alle treibt der Mangel an Nahrung weg. Und wie wunderbar! Die Welt ist nun um- schiffet, man kennet Länder, Wüsten und Seen. Aber allenthalben ziehen die Vögel weg, und nur von wenigen findet man den eigent- lichen Winteraufenthalt. Wohin ziehen sie? Woher kommen sie? Besonders ist es auch, daß die Männlein einige Tage früher zu kommen, Einrichtungen zu treffen und dann das Weiblein einzuho- len pflegen. -- Gelehrte! Welt weise! Naturforscher! antwortet doch auf alle diese Fragen! Jhr sagt: der Vogel hat zu gewissen Zei- ten einen innerlichen Trieb wegzugehen, und dazu komt ein äus- serer Zug von einer Gegend; oder er hat einen besondern Sinn, von dem wir Menschen gar keinen Begrif haben. -- Antwort ge- nug, um den Schöpfer groß und die Weltweisen klein zu finden!
Allweiser! dir übergeb ich mich und mein Schicksal mit Zuversicht. Soltest du mich, dein vernünftiges Geschöpf, nicht sicher und gut führen, der du deine gefiederte Boten so gut zu ihrem Besten führst? Störche, Turteltauben, Kraniche und Schwalben merken ihre Zeit, wann sie wiederkommen sollen: (Jer. 8, 7.) und ich solte nicht die Zeit wissen, welche zu meinem Frieden dient? Und welches ist sie? Warhaftig die jetzige!
Der
Der 19te April.
ſchwalben, dann folgen Kirſchvoͤgel, Gereuthlerchen, der Guckguck, die Dornreiche, Nachtigallen, Stoͤrche, Steinbeiſſer, Rothſchwaͤnz- lein, und andre Voͤgel die ſich von Gewuͤrm ernaͤhren. Dann ver- laſſen uns im September die Neuntoͤdter, Bachſtolzen, Weisdroſ- ſeln, Wachteln, Schwalben, Heidelerchen, wilde Tauben, Wiedeho- pfen und Weidenzeiſige. Endlich verlieren ſich Kibitze, Schne- pfen, Kornlerchen und Staare. Der Widerſtrich dieſer Geſchoͤ- pfe im Fruͤhlinge geſchiehet faſt durchgehends in der Ordnung, daß je ſpaͤter ſie wegziehen, deſto fruͤher ſie wiederkommen. Die Korn- lerche macht um Lichtmeß den Anfang, Kirſchvogel und Rhein- ſchwalbe aber beſchlieſſen den anſehnlichen jaͤhrlichen Zug.
Einige Zugvoͤgel bleiben hier und finden Nahrung, warum bleiben ihrer nicht mehr hier, und wer benennet eben dieſe? Wer beſtimmt ihnen die bequemſte Zeit? Nicht alle treibt der Mangel an Nahrung weg. Und wie wunderbar! Die Welt iſt nun um- ſchiffet, man kennet Laͤnder, Wuͤſten und Seen. Aber allenthalben ziehen die Voͤgel weg, und nur von wenigen findet man den eigent- lichen Winteraufenthalt. Wohin ziehen ſie? Woher kommen ſie? Beſonders iſt es auch, daß die Maͤnnlein einige Tage fruͤher zu kommen, Einrichtungen zu treffen und dann das Weiblein einzuho- len pflegen. — Gelehrte! Welt weiſe! Naturforſcher! antwortet doch auf alle dieſe Fragen! Jhr ſagt: der Vogel hat zu gewiſſen Zei- ten einen innerlichen Trieb wegzugehen, und dazu komt ein aͤuſ- ſerer Zug von einer Gegend; oder er hat einen beſondern Sinn, von dem wir Menſchen gar keinen Begrif haben. — Antwort ge- nug, um den Schoͤpfer groß und die Weltweiſen klein zu finden!
Allweiſer! dir uͤbergeb ich mich und mein Schickſal mit Zuverſicht. Solteſt du mich, dein vernuͤnftiges Geſchoͤpf, nicht ſicher und gut fuͤhren, der du deine gefiederte Boten ſo gut zu ihrem Beſten fuͤhrſt? Stoͤrche, Turteltauben, Kraniche und Schwalben merken ihre Zeit, wann ſie wiederkommen ſollen: (Jer. 8, 7.) und ich ſolte nicht die Zeit wiſſen, welche zu meinem Frieden dient? Und welches iſt ſie? Warhaftig die jetzige!
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[228[258]/0265]
Der 19te April.
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lein, und andre Voͤgel die ſich von Gewuͤrm ernaͤhren. Dann ver-
laſſen uns im September die Neuntoͤdter, Bachſtolzen, Weisdroſ-
ſeln, Wachteln, Schwalben, Heidelerchen, wilde Tauben, Wiedeho-
pfen und Weidenzeiſige. Endlich verlieren ſich Kibitze, Schne-
pfen, Kornlerchen und Staare. Der Widerſtrich dieſer Geſchoͤ-
pfe im Fruͤhlinge geſchiehet faſt durchgehends in der Ordnung, daß
je ſpaͤter ſie wegziehen, deſto fruͤher ſie wiederkommen. Die Korn-
lerche macht um Lichtmeß den Anfang, Kirſchvogel und Rhein-
ſchwalbe aber beſchlieſſen den anſehnlichen jaͤhrlichen Zug.
Einige Zugvoͤgel bleiben hier und finden Nahrung, warum
bleiben ihrer nicht mehr hier, und wer benennet eben dieſe? Wer
beſtimmt ihnen die bequemſte Zeit? Nicht alle treibt der Mangel
an Nahrung weg. Und wie wunderbar! Die Welt iſt nun um-
ſchiffet, man kennet Laͤnder, Wuͤſten und Seen. Aber allenthalben
ziehen die Voͤgel weg, und nur von wenigen findet man den eigent-
lichen Winteraufenthalt. Wohin ziehen ſie? Woher kommen ſie?
Beſonders iſt es auch, daß die Maͤnnlein einige Tage fruͤher zu
kommen, Einrichtungen zu treffen und dann das Weiblein einzuho-
len pflegen. — Gelehrte! Welt weiſe! Naturforſcher! antwortet
doch auf alle dieſe Fragen! Jhr ſagt: der Vogel hat zu gewiſſen Zei-
ten einen innerlichen Trieb wegzugehen, und dazu komt ein aͤuſ-
ſerer Zug von einer Gegend; oder er hat einen beſondern Sinn,
von dem wir Menſchen gar keinen Begrif haben. — Antwort ge-
nug, um den Schoͤpfer groß und die Weltweiſen klein zu finden!
Allweiſer! dir uͤbergeb ich mich und mein Schickſal mit
Zuverſicht. Solteſt du mich, dein vernuͤnftiges Geſchoͤpf, nicht
ſicher und gut fuͤhren, der du deine gefiederte Boten ſo gut zu
ihrem Beſten fuͤhrſt? Stoͤrche, Turteltauben, Kraniche und
Schwalben merken ihre Zeit, wann ſie wiederkommen ſollen:
(Jer. 8, 7.) und ich ſolte nicht die Zeit wiſſen, welche zu meinem
Frieden dient? Und welches iſt ſie? Warhaftig die jetzige!
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 228[258]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/265>, abgerufen am 22.07.2024.
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