Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
Der 20te April.

So nehmen die Gottlosen in diesem Leben ihr Theil dahin.
Das Mark der Erde, die Kleinode des Bergwerks, die feinsten
Gaben der Natur sind meistens nur für sie. Beim Wasser wird
Gott mehr verherrlichet als beim Wein. Müßiggänger an Ar-
beit und guten Gedanken, verschlingen Herzstärkungen: und Ar-
beiter schmachten. Ja, bestell nur im Schweiß deines Ange-
sichts den fetten Weizacker, armes Landvolk! was du jetzt ab-
schräpfest ist dein; beschneid den Weinstock: der Eßig ist für dich!
Steiget, ihr Bergleute! nach vollendetem Gebet, in den gefähr-
lichen Schacht: Kupferpfennige sind euer. Und wohin denn alle
diese schönen Produkte des Landes? -- Wirst du, gütigster Ge-
ber derselben! auch sehr über ihnen angebetet werden? Wird man
dem, der sie unter manchem Seufzer bearbeitete, auch nur ein
freundliches Gesicht dafür schenken? Lerchen sangen mit dir, red-
licher Freund Gottes! als du säetest, oder die Reben an Pfäle
bandest: woltest du aber zusehen, wie deine Mühe verzehrt wird,
so würden dich bellende Hunde und übermütige Bediente verja-
gen. -- Und es wäre kein künftiges Gericht?

Jedoch, ich will meinen Unwillen zähmen, denn deine Ge-
richte, o Gott! sind gerecht. Aber über meinen Leichtsinn will
ich strenge Aufsicht halten, damit ich nie dein undankbarer Kost-
gänger sey. Schmecken und sehen will ich täglich, wie freund-
lich du bist; am meisten aber in deinen Geschenken für meine un-
sterbliche Seele. Wer es weiß, daß Jesus für die Sünder gestor-
ben sey, und nicht niederfällt und anbetet, ist ein Ungeheuer der
Undankbarkeit. O! ich emfinde es, daß ich zum Danken ge-
schaffen sey. Geniessen kan ich nicht immer: aber loben in Ewig-
keit. Vater! ich dein Kind will deiner unzähligen Güte danksa-
gen, bis mir die Augenlieder jetzt im Schlaf und einst im Tode
zufallen. Dort aber, wo ich immer wache, und deine Liebe be-
greife, die ich hier nur errieth: dort bin ich ewig dein Lobgesang!

Der
Der 20te April.

So nehmen die Gottloſen in dieſem Leben ihr Theil dahin.
Das Mark der Erde, die Kleinode des Bergwerks, die feinſten
Gaben der Natur ſind meiſtens nur fuͤr ſie. Beim Waſſer wird
Gott mehr verherrlichet als beim Wein. Muͤßiggaͤnger an Ar-
beit und guten Gedanken, verſchlingen Herzſtaͤrkungen: und Ar-
beiter ſchmachten. Ja, beſtell nur im Schweiß deines Ange-
ſichts den fetten Weizacker, armes Landvolk! was du jetzt ab-
ſchraͤpfeſt iſt dein; beſchneid den Weinſtock: der Eßig iſt fuͤr dich!
Steiget, ihr Bergleute! nach vollendetem Gebet, in den gefaͤhr-
lichen Schacht: Kupferpfennige ſind euer. Und wohin denn alle
dieſe ſchoͤnen Produkte des Landes? — Wirſt du, guͤtigſter Ge-
ber derſelben! auch ſehr uͤber ihnen angebetet werden? Wird man
dem, der ſie unter manchem Seufzer bearbeitete, auch nur ein
freundliches Geſicht dafuͤr ſchenken? Lerchen ſangen mit dir, red-
licher Freund Gottes! als du ſaͤeteſt, oder die Reben an Pfaͤle
bandeſt: wolteſt du aber zuſehen, wie deine Muͤhe verzehrt wird,
ſo wuͤrden dich bellende Hunde und uͤbermuͤtige Bediente verja-
gen. — Und es waͤre kein kuͤnftiges Gericht?

Jedoch, ich will meinen Unwillen zaͤhmen, denn deine Ge-
richte, o Gott! ſind gerecht. Aber uͤber meinen Leichtſinn will
ich ſtrenge Aufſicht halten, damit ich nie dein undankbarer Koſt-
gaͤnger ſey. Schmecken und ſehen will ich taͤglich, wie freund-
lich du biſt; am meiſten aber in deinen Geſchenken fuͤr meine un-
ſterbliche Seele. Wer es weiß, daß Jeſus fuͤr die Suͤnder geſtor-
ben ſey, und nicht niederfaͤllt und anbetet, iſt ein Ungeheuer der
Undankbarkeit. O! ich emfinde es, daß ich zum Danken ge-
ſchaffen ſey. Genieſſen kan ich nicht immer: aber loben in Ewig-
keit. Vater! ich dein Kind will deiner unzaͤhligen Guͤte dankſa-
gen, bis mir die Augenlieder jetzt im Schlaf und einſt im Tode
zufallen. Dort aber, wo ich immer wache, und deine Liebe be-
greife, die ich hier nur errieth: dort bin ich ewig dein Lobgeſang!

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0267" n="230[260]"/>
            <fw place="top" type="header">Der 20<hi rendition="#sup">te</hi> April.</fw><lb/>
            <p>So nehmen die Gottlo&#x017F;en in die&#x017F;em Leben ihr Theil dahin.<lb/>
Das Mark der Erde, die Kleinode des Bergwerks, die fein&#x017F;ten<lb/>
Gaben der Natur &#x017F;ind mei&#x017F;tens nur fu&#x0364;r &#x017F;ie. Beim Wa&#x017F;&#x017F;er wird<lb/>
Gott mehr verherrlichet als beim Wein. Mu&#x0364;ßigga&#x0364;nger an Ar-<lb/>
beit und guten Gedanken, ver&#x017F;chlingen Herz&#x017F;ta&#x0364;rkungen: und Ar-<lb/>
beiter &#x017F;chmachten. Ja, be&#x017F;tell nur im Schweiß deines Ange-<lb/>
&#x017F;ichts den fetten Weizacker, armes Landvolk! was du jetzt ab-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;pfe&#x017F;t i&#x017F;t dein; be&#x017F;chneid den Wein&#x017F;tock: der Eßig i&#x017F;t fu&#x0364;r dich!<lb/>
Steiget, ihr Bergleute! nach vollendetem Gebet, in den gefa&#x0364;hr-<lb/>
lichen Schacht: Kupferpfennige &#x017F;ind euer. Und wohin denn alle<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;nen Produkte des Landes? &#x2014; Wir&#x017F;t du, gu&#x0364;tig&#x017F;ter Ge-<lb/>
ber der&#x017F;elben! auch &#x017F;ehr u&#x0364;ber ihnen angebetet werden? Wird man<lb/>
dem, der &#x017F;ie unter manchem Seufzer bearbeitete, auch nur ein<lb/>
freundliches Ge&#x017F;icht dafu&#x0364;r &#x017F;chenken? Lerchen &#x017F;angen mit dir, red-<lb/>
licher Freund Gottes! als du &#x017F;a&#x0364;ete&#x017F;t, oder die Reben an Pfa&#x0364;le<lb/>
bande&#x017F;t: wolte&#x017F;t du aber zu&#x017F;ehen, wie deine Mu&#x0364;he verzehrt wird,<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rden dich bellende Hunde und u&#x0364;bermu&#x0364;tige Bediente verja-<lb/>
gen. &#x2014; Und es wa&#x0364;re kein ku&#x0364;nftiges Gericht?</p><lb/>
            <p>Jedoch, ich will meinen Unwillen za&#x0364;hmen, denn deine Ge-<lb/>
richte, o Gott! &#x017F;ind gerecht. Aber u&#x0364;ber meinen Leicht&#x017F;inn will<lb/>
ich &#x017F;trenge Auf&#x017F;icht halten, damit ich nie dein undankbarer Ko&#x017F;t-<lb/>
ga&#x0364;nger &#x017F;ey. Schmecken und &#x017F;ehen will ich ta&#x0364;glich, wie freund-<lb/>
lich du bi&#x017F;t; am mei&#x017F;ten aber in deinen Ge&#x017F;chenken fu&#x0364;r meine un-<lb/>
&#x017F;terbliche Seele. Wer es weiß, daß Je&#x017F;us fu&#x0364;r die Su&#x0364;nder ge&#x017F;tor-<lb/>
ben &#x017F;ey, und nicht niederfa&#x0364;llt und anbetet, i&#x017F;t ein Ungeheuer der<lb/>
Undankbarkeit. O! ich emfinde es, daß ich zum Danken ge-<lb/>
&#x017F;chaffen &#x017F;ey. Genie&#x017F;&#x017F;en kan ich nicht immer: aber loben in Ewig-<lb/>
keit. Vater! ich dein Kind will deiner unza&#x0364;hligen Gu&#x0364;te dank&#x017F;a-<lb/>
gen, bis mir die Augenlieder jetzt im Schlaf und ein&#x017F;t im Tode<lb/>
zufallen. Dort aber, wo ich immer wache, und deine Liebe be-<lb/>
greife, die ich hier nur errieth: dort bin ich ewig dein Lobge&#x017F;ang!</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230[260]/0267] Der 20te April. So nehmen die Gottloſen in dieſem Leben ihr Theil dahin. Das Mark der Erde, die Kleinode des Bergwerks, die feinſten Gaben der Natur ſind meiſtens nur fuͤr ſie. Beim Waſſer wird Gott mehr verherrlichet als beim Wein. Muͤßiggaͤnger an Ar- beit und guten Gedanken, verſchlingen Herzſtaͤrkungen: und Ar- beiter ſchmachten. Ja, beſtell nur im Schweiß deines Ange- ſichts den fetten Weizacker, armes Landvolk! was du jetzt ab- ſchraͤpfeſt iſt dein; beſchneid den Weinſtock: der Eßig iſt fuͤr dich! Steiget, ihr Bergleute! nach vollendetem Gebet, in den gefaͤhr- lichen Schacht: Kupferpfennige ſind euer. Und wohin denn alle dieſe ſchoͤnen Produkte des Landes? — Wirſt du, guͤtigſter Ge- ber derſelben! auch ſehr uͤber ihnen angebetet werden? Wird man dem, der ſie unter manchem Seufzer bearbeitete, auch nur ein freundliches Geſicht dafuͤr ſchenken? Lerchen ſangen mit dir, red- licher Freund Gottes! als du ſaͤeteſt, oder die Reben an Pfaͤle bandeſt: wolteſt du aber zuſehen, wie deine Muͤhe verzehrt wird, ſo wuͤrden dich bellende Hunde und uͤbermuͤtige Bediente verja- gen. — Und es waͤre kein kuͤnftiges Gericht? Jedoch, ich will meinen Unwillen zaͤhmen, denn deine Ge- richte, o Gott! ſind gerecht. Aber uͤber meinen Leichtſinn will ich ſtrenge Aufſicht halten, damit ich nie dein undankbarer Koſt- gaͤnger ſey. Schmecken und ſehen will ich taͤglich, wie freund- lich du biſt; am meiſten aber in deinen Geſchenken fuͤr meine un- ſterbliche Seele. Wer es weiß, daß Jeſus fuͤr die Suͤnder geſtor- ben ſey, und nicht niederfaͤllt und anbetet, iſt ein Ungeheuer der Undankbarkeit. O! ich emfinde es, daß ich zum Danken ge- ſchaffen ſey. Genieſſen kan ich nicht immer: aber loben in Ewig- keit. Vater! ich dein Kind will deiner unzaͤhligen Guͤte dankſa- gen, bis mir die Augenlieder jetzt im Schlaf und einſt im Tode zufallen. Dort aber, wo ich immer wache, und deine Liebe be- greife, die ich hier nur errieth: dort bin ich ewig dein Lobgeſang! Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/267
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 230[260]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/267>, abgerufen am 23.11.2024.