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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 3te April.
Jhn, ihn laß thun und walten,
Er ist ein weiser Fürst.
Und wird sich so verhalten,
Daß du dich wundern wirst,
Wenn er, wies ihm gebühret,
Mit wunderbarem Nath,
Das Werk hinausgeführet,
Das dich bekümmert hat.


Sehr selten werden wir das, was die Unstigen aus uns haben
wolten, und was wir oder andre uns prophezei'ten. Wer
kan im zehnten Jahre unsers Alters sagen, wo wir unsre meiste
Lebenszeit zubringen, und in welcher Lebensart, mit welchen Per-
sonen in Verbindung wir sie zubringen werden! Und dennoch
durchdenken wir und unsre Angehbrigen es lange genug vorher.
Ein Knabe komt zu einer Lebensart, und von der vieleicht zu ei-
ner andern und dritten, die wider alle Erwartung war. Ein
Frauenzimmer verläßt Vater, Muttor und Heimat, und ver-
knüpfet ihr Schicksal aufs innigste mit einem unbekannten Manne,
und findet folglich ihr Glück oder Unglück, wo sie es nimmermehr
gesucht hätte. Das alles ist glückliche Entwickelung un-
sers Schicksals;
die nur dann erst unglücklich wird, wenn wir
Meutmacher sind, und uns gegen die Vorsicht auflehnen.

Die Einwendung, daß wir es ganz anders und besser ver-
mutet hätten, heisset nichts, so lange der Allwissende höchst gütig,
und der Mensch ein Thor ist. Hier blutet ein Sterbender auf
dem Wahlplatz, der den Pflugschaar seines Vaters führen solte
und wolte. Gezwungen diente er dem Vaterlande mit Blut,
und jeder zucket die Achseln über das harte Schicksal dieses jungen

Menschen.
N 2


Der 3te April.
Jhn, ihn laß thun und walten,
Er iſt ein weiſer Fuͤrſt.
Und wird ſich ſo verhalten,
Daß du dich wundern wirſt,
Wenn er, wies ihm gebuͤhret,
Mit wunderbarem Nath,
Das Werk hinausgefuͤhret,
Das dich bekuͤmmert hat.


Sehr ſelten werden wir das, was die Unſtigen aus uns haben
wolten, und was wir oder andre uns prophezei’ten. Wer
kan im zehnten Jahre unſers Alters ſagen, wo wir unſre meiſte
Lebenszeit zubringen, und in welcher Lebensart, mit welchen Per-
ſonen in Verbindung wir ſie zubringen werden! Und dennoch
durchdenken wir und unſre Angehbrigen es lange genug vorher.
Ein Knabe komt zu einer Lebensart, und von der vieleicht zu ei-
ner andern und dritten, die wider alle Erwartung war. Ein
Frauenzimmer verlaͤßt Vater, Muttor und Heimat, und ver-
knuͤpfet ihr Schickſal aufs innigſte mit einem unbekannten Manne,
und findet folglich ihr Gluͤck oder Ungluͤck, wo ſie es nimmermehr
geſucht haͤtte. Das alles iſt gluͤckliche Entwickelung un-
ſers Schickſals;
die nur dann erſt ungluͤcklich wird, wenn wir
Meutmacher ſind, und uns gegen die Vorſicht auflehnen.

Die Einwendung, daß wir es ganz anders und beſſer ver-
mutet haͤtten, heiſſet nichts, ſo lange der Allwiſſende hoͤchſt guͤtig,
und der Menſch ein Thor iſt. Hier blutet ein Sterbender auf
dem Wahlplatz, der den Pflugſchaar ſeines Vaters fuͤhren ſolte
und wolte. Gezwungen diente er dem Vaterlande mit Blut,
und jeder zucket die Achſeln uͤber das harte Schickſal dieſes jungen

Menſchen.
N 2
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[195[225]/0232] Der 3te April. Jhn, ihn laß thun und walten, Er iſt ein weiſer Fuͤrſt. Und wird ſich ſo verhalten, Daß du dich wundern wirſt, Wenn er, wies ihm gebuͤhret, Mit wunderbarem Nath, Das Werk hinausgefuͤhret, Das dich bekuͤmmert hat. Sehr ſelten werden wir das, was die Unſtigen aus uns haben wolten, und was wir oder andre uns prophezei’ten. Wer kan im zehnten Jahre unſers Alters ſagen, wo wir unſre meiſte Lebenszeit zubringen, und in welcher Lebensart, mit welchen Per- ſonen in Verbindung wir ſie zubringen werden! Und dennoch durchdenken wir und unſre Angehbrigen es lange genug vorher. Ein Knabe komt zu einer Lebensart, und von der vieleicht zu ei- ner andern und dritten, die wider alle Erwartung war. Ein Frauenzimmer verlaͤßt Vater, Muttor und Heimat, und ver- knuͤpfet ihr Schickſal aufs innigſte mit einem unbekannten Manne, und findet folglich ihr Gluͤck oder Ungluͤck, wo ſie es nimmermehr geſucht haͤtte. Das alles iſt gluͤckliche Entwickelung un- ſers Schickſals; die nur dann erſt ungluͤcklich wird, wenn wir Meutmacher ſind, und uns gegen die Vorſicht auflehnen. Die Einwendung, daß wir es ganz anders und beſſer ver- mutet haͤtten, heiſſet nichts, ſo lange der Allwiſſende hoͤchſt guͤtig, und der Menſch ein Thor iſt. Hier blutet ein Sterbender auf dem Wahlplatz, der den Pflugſchaar ſeines Vaters fuͤhren ſolte und wolte. Gezwungen diente er dem Vaterlande mit Blut, und jeder zucket die Achſeln uͤber das harte Schickſal dieſes jungen Menſchen. N 2

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 195[225]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/232>, abgerufen am 21.11.2024.