Ich fühle es zwar recht gut, daß ich nicht schreiben sollte, allein es ist derselbe Fall, wie mit Ihnen, ich thu' es wider meinen Willen. Lieber, seltsamer Freund, warum machen Sie sich muthwillig Ihr Leben so unruhig und freu- denleer? Wenn ich Sie überführen könnte, daß Sie unrecht haben, so sollte mich ein sehr lan- ger Brief gar nicht gereuen, aber ich glaube, daß Sie sich selbst alles eben so gut und noch besser sagen, was ich Ihnen sagen könnte, da- her ist meine Weisheit überflüßig. Es ist zwar schon eine alte Bemerkung, daß die Menschen nie so sind, wie sie seyn sollten und könnten; allein versuchen Sie es einmal, diese Bemer- kung durch Ihre Handlungen zu widerlegen, und Sie werden finden, daß es weit leichter ist, als man gemeiniglich glaubt. Wenn ich münd- lich mit Ihnen sprach, waren Sie oft gutmü- thig genug, mir Recht zu geben und zu thun, als hielten Sie sich für überzeugt, aber ich
13. Emilie Burton an Karl Willmont.
Bonſtreet.
Ich fuͤhle es zwar recht gut, daß ich nicht ſchreiben ſollte, allein es iſt derſelbe Fall, wie mit Ihnen, ich thu’ es wider meinen Willen. Lieber, ſeltſamer Freund, warum machen Sie ſich muthwillig Ihr Leben ſo unruhig und freu- denleer? Wenn ich Sie uͤberfuͤhren koͤnnte, daß Sie unrecht haben, ſo ſollte mich ein ſehr lan- ger Brief gar nicht gereuen, aber ich glaube, daß Sie ſich ſelbſt alles eben ſo gut und noch beſſer ſagen, was ich Ihnen ſagen koͤnnte, da- her iſt meine Weisheit uͤberfluͤßig. Es iſt zwar ſchon eine alte Bemerkung, daß die Menſchen nie ſo ſind, wie ſie ſeyn ſollten und koͤnnten; allein verſuchen Sie es einmal, dieſe Bemer- kung durch Ihre Handlungen zu widerlegen, und Sie werden finden, daß es weit leichter iſt, als man gemeiniglich glaubt. Wenn ich muͤnd- lich mit Ihnen ſprach, waren Sie oft gutmuͤ- thig genug, mir Recht zu geben und zu thun, als hielten Sie ſich fuͤr uͤberzeugt, aber ich
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13.
Emilie Burton an Karl Willmont.
Bonſtreet.
Ich fuͤhle es zwar recht gut, daß ich nicht
ſchreiben ſollte, allein es iſt derſelbe Fall, wie
mit Ihnen, ich thu’ es wider meinen Willen.
Lieber, ſeltſamer Freund, warum machen Sie
ſich muthwillig Ihr Leben ſo unruhig und freu-
denleer? Wenn ich Sie uͤberfuͤhren koͤnnte, daß
Sie unrecht haben, ſo ſollte mich ein ſehr lan-
ger Brief gar nicht gereuen, aber ich glaube,
daß Sie ſich ſelbſt alles eben ſo gut und noch
beſſer ſagen, was ich Ihnen ſagen koͤnnte, da-
her iſt meine Weisheit uͤberfluͤßig. Es iſt zwar
ſchon eine alte Bemerkung, daß die Menſchen
nie ſo ſind, wie ſie ſeyn ſollten und koͤnnten;
allein verſuchen Sie es einmal, dieſe Bemer-
kung durch Ihre Handlungen zu widerlegen, und
Sie werden finden, daß es weit leichter iſt,
als man gemeiniglich glaubt. Wenn ich muͤnd-
lich mit Ihnen ſprach, waren Sie oft gutmuͤ-
thig genug, mir Recht zu geben und zu thun,
als hielten Sie ſich fuͤr uͤberzeugt, aber ich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/282>, abgerufen am 21.11.2024.
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