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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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39.
Walter Lovell an seinen Sohn
William.


Ich bekomme keine Antwort auf meinen Brief,
und ich werde mit jedem Tage schwächer. Der
Arzt findet es jetzt bedenklich, und ich fühl' es,
daß die Uhr meines Lebens zu Ende gelaufen
ist. -- Alles wird mir gleichgültig, was mir
sonst wichtig war, meine ehemaligen Plane ha-
be ich völlig vergessen, komm also ohne alle Scheu
nach England zurück, lieber Sohn, heirathe,
wenn Du durchaus willst, Amalien, ich will
und kann nichts weiter dagegen einwenden, nur
brich Dein Schweigen und komm. Ach, wenn
Du willst, muß ich Dich freilich auch noch we-
gen einer meiner Briefe um Vergebung bitten,
ich meinte es gut mit Dir, und damals war
auch die Lage der Sachen anders.

Wenn der Wind hier durch den Wald bläs't,
und die losgegangenen Tapeten im Nebenzimmer
rauschen und klatschen, o dann, lieber William,
fühl' ich mich so einsam, so heimathlos. Ich sehe

39.
Walter Lovell an ſeinen Sohn
William.


Ich bekomme keine Antwort auf meinen Brief,
und ich werde mit jedem Tage ſchwaͤcher. Der
Arzt findet es jetzt bedenklich, und ich fuͤhl’ es,
daß die Uhr meines Lebens zu Ende gelaufen
iſt. — Alles wird mir gleichguͤltig, was mir
ſonſt wichtig war, meine ehemaligen Plane ha-
be ich voͤllig vergeſſen, komm alſo ohne alle Scheu
nach England zuruͤck, lieber Sohn, heirathe,
wenn Du durchaus willſt, Amalien, ich will
und kann nichts weiter dagegen einwenden, nur
brich Dein Schweigen und komm. Ach, wenn
Du willſt, muß ich Dich freilich auch noch we-
gen einer meiner Briefe um Vergebung bitten,
ich meinte es gut mit Dir, und damals war
auch die Lage der Sachen anders.

Wenn der Wind hier durch den Wald blaͤſ’t,
und die losgegangenen Tapeten im Nebenzimmer
rauſchen und klatſchen, o dann, lieber William,
fuͤhl’ ich mich ſo einſam, ſo heimathlos. Ich ſehe

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[159/0165] 39. Walter Lovell an ſeinen Sohn William. Kenſea in Hampſhire. Ich bekomme keine Antwort auf meinen Brief, und ich werde mit jedem Tage ſchwaͤcher. Der Arzt findet es jetzt bedenklich, und ich fuͤhl’ es, daß die Uhr meines Lebens zu Ende gelaufen iſt. — Alles wird mir gleichguͤltig, was mir ſonſt wichtig war, meine ehemaligen Plane ha- be ich voͤllig vergeſſen, komm alſo ohne alle Scheu nach England zuruͤck, lieber Sohn, heirathe, wenn Du durchaus willſt, Amalien, ich will und kann nichts weiter dagegen einwenden, nur brich Dein Schweigen und komm. Ach, wenn Du willſt, muß ich Dich freilich auch noch we- gen einer meiner Briefe um Vergebung bitten, ich meinte es gut mit Dir, und damals war auch die Lage der Sachen anders. Wenn der Wind hier durch den Wald blaͤſ’t, und die losgegangenen Tapeten im Nebenzimmer rauſchen und klatſchen, o dann, lieber William, fuͤhl’ ich mich ſo einſam, ſo heimathlos. Ich ſehe

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/165>, abgerufen am 21.11.2024.