Sie verlangen also durchaus und unbedingt meine Meynung? -- Nun gut, so kann ich nichts weiter thun, als Ihnen sagen, wie ich an Ihrer Stelle handeln würde. Ich darf Sie wohl nicht erst daran erinnern, liebe Freundinn, daß das im Grunde sehr wenig gesagt ist, denn der wichtigste Umstand ist eben der, daß Sie nicht Emilie sind. Indeß wir wollen den Ver- such wagen, da es Ihr Wille ist.
Lovell hat Sie gänzlich vergessen, und Mor- timer liebt sie: beides gestehn Sie selber ein. Mortimer kann durch Sie glücklich werden, Lo- vell nicht mehr: Sie schätzen Lovell nicht mehr, wie ehedem, sondern lieben im Grunde Morti- mer aufrichtiger, als ihn; -- mich dünkt, hier sollte keine lange Untersuchung der Frage ent- stehen: Was zu thun sey? Die Erinnerungen, die Sie quälen, sollten Sie vielmehr durch Ihre Vernunft unterdrücken, als ihnen nachhängen;
22. Emilie Burton an Amalie Wilmont.
Bonſtreet.
Sie verlangen alſo durchaus und unbedingt meine Meynung? — Nun gut, ſo kann ich nichts weiter thun, als Ihnen ſagen, wie ich an Ihrer Stelle handeln wuͤrde. Ich darf Sie wohl nicht erſt daran erinnern, liebe Freundinn, daß das im Grunde ſehr wenig geſagt iſt, denn der wichtigſte Umſtand iſt eben der, daß Sie nicht Emilie ſind. Indeß wir wollen den Ver- ſuch wagen, da es Ihr Wille iſt.
Lovell hat Sie gaͤnzlich vergeſſen, und Mor- timer liebt ſie: beides geſtehn Sie ſelber ein. Mortimer kann durch Sie gluͤcklich werden, Lo- vell nicht mehr: Sie ſchaͤtzen Lovell nicht mehr, wie ehedem, ſondern lieben im Grunde Morti- mer aufrichtiger, als ihn; — mich duͤnkt, hier ſollte keine lange Unterſuchung der Frage ent- ſtehen: Was zu thun ſey? Die Erinnerungen, die Sie quaͤlen, ſollten Sie vielmehr durch Ihre Vernunft unterdruͤcken, als ihnen nachhaͤngen;
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0115"n="109"/><divn="2"><head>22.<lb/><hirendition="#g">Emilie Burton</hi> an <hirendition="#g">Amalie<lb/>
Wilmont</hi>.</head><lb/><dateline><placeName><hirendition="#right"><hirendition="#g">Bonſtreet</hi>.</hi></placeName></dateline><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>ie verlangen alſo durchaus und unbedingt<lb/>
meine Meynung? — Nun gut, ſo kann ich<lb/>
nichts weiter thun, als Ihnen ſagen, wie ich<lb/>
an Ihrer Stelle handeln wuͤrde. Ich darf Sie<lb/>
wohl nicht erſt daran erinnern, liebe Freundinn,<lb/>
daß das im Grunde ſehr wenig geſagt iſt, denn<lb/>
der wichtigſte Umſtand iſt eben der, daß Sie<lb/>
nicht <hirendition="#g">Emilie</hi>ſind. Indeß wir wollen den Ver-<lb/>ſuch wagen, da es Ihr Wille iſt.</p><lb/><p>Lovell hat Sie gaͤnzlich vergeſſen, und Mor-<lb/>
timer liebt ſie: beides geſtehn Sie ſelber ein.<lb/>
Mortimer kann durch Sie gluͤcklich werden, Lo-<lb/>
vell nicht mehr: Sie ſchaͤtzen Lovell nicht mehr,<lb/>
wie ehedem, ſondern lieben im Grunde Morti-<lb/>
mer aufrichtiger, als ihn; — mich duͤnkt, hier<lb/>ſollte keine lange Unterſuchung der Frage ent-<lb/>ſtehen: Was zu thun ſey? Die Erinnerungen,<lb/>
die Sie quaͤlen, ſollten Sie vielmehr durch Ihre<lb/>
Vernunft unterdruͤcken, als ihnen nachhaͤngen;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[109/0115]
22.
Emilie Burton an Amalie
Wilmont.
Bonſtreet.
Sie verlangen alſo durchaus und unbedingt
meine Meynung? — Nun gut, ſo kann ich
nichts weiter thun, als Ihnen ſagen, wie ich
an Ihrer Stelle handeln wuͤrde. Ich darf Sie
wohl nicht erſt daran erinnern, liebe Freundinn,
daß das im Grunde ſehr wenig geſagt iſt, denn
der wichtigſte Umſtand iſt eben der, daß Sie
nicht Emilie ſind. Indeß wir wollen den Ver-
ſuch wagen, da es Ihr Wille iſt.
Lovell hat Sie gaͤnzlich vergeſſen, und Mor-
timer liebt ſie: beides geſtehn Sie ſelber ein.
Mortimer kann durch Sie gluͤcklich werden, Lo-
vell nicht mehr: Sie ſchaͤtzen Lovell nicht mehr,
wie ehedem, ſondern lieben im Grunde Morti-
mer aufrichtiger, als ihn; — mich duͤnkt, hier
ſollte keine lange Unterſuchung der Frage ent-
ſtehen: Was zu thun ſey? Die Erinnerungen,
die Sie quaͤlen, ſollten Sie vielmehr durch Ihre
Vernunft unterdruͤcken, als ihnen nachhaͤngen;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/115>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.