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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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das Getreide, was mehr als zum eigenen Bedarf gebauet
ist, keine andere Konsumenten, als die Bewohner der
Stadt. Wird nun aus so sehr entfernten Gegenden Korn
nach der Stadt gefahren, daß das Zugvieh während der
Reise die eine Hälfte der Ladung selbst verzehrt, und nur
die andere Hälfte zum Verkauf und zur Konsumtion nach
der Stadt gelangt: so ist es sehr begreiflich, daß man
auf dem Lande mit 2 Schfl. Rocken nicht mehr Geld er-
kaufen kann, als mit einem Scheffel in der Stadt.

Doch dieser Satz bedarf vielleicht so wenig einer Er-
läuterung als eines Beweises.

Zweiter Satz. Die Preise der Bedürfnisse des
Landwirths stehen nicht alle im Verhältniß mit dem Korn-
preise; oder die Kosten, die die Kultur des Bodens erfor-
dert, können in verschiedenen Gegenden nicht mit einer
und derselben Quantität Getreide bezahlt werden.

Dieser Satz geht aus dem ersten Satze hervor; denn
eine Waare, die in der Stadt mit einem Schfl. Rocken
in gleichem Preise steht, muß in der entfernten Gegend,
wo der Rocken nur den halben Werth hat, im Preise
gleich 2 Schfl. Rocken seyn, vorausgesetzt, daß diese Waare
nicht anders als aus der Stadt zu haben ist.

Wir haben oben Salz und Metalle als Waaren von
dieser Gattung genannt; dasselbe gilt vom Tuch und von
andern Waaren, die nicht auf dem Lande fabrizirt werden
können.

Dies erstreckt sich aber auch auf die Besoldungen und
Honorare der höhern Stände. Der Arzt, der Beamte u. m. a.
können ihre Bildung nur in der Stadt erhalten; das Ka-
pital, was sie auf ihre Ausbildung verwandt haben, rich-
tet sich nach den Preisen in der Stadt, und um dies
Kapital wieder vergütet zu erhalten, dürfen ihre Arbeiten
nicht im Verhältniß des Rockenpreises der Gegend, wo
sie wohnen, bezahlt werden.


das Getreide, was mehr als zum eigenen Bedarf gebauet
iſt, keine andere Konſumenten, als die Bewohner der
Stadt. Wird nun aus ſo ſehr entfernten Gegenden Korn
nach der Stadt gefahren, daß das Zugvieh waͤhrend der
Reiſe die eine Haͤlfte der Ladung ſelbſt verzehrt, und nur
die andere Haͤlfte zum Verkauf und zur Konſumtion nach
der Stadt gelangt: ſo iſt es ſehr begreiflich, daß man
auf dem Lande mit 2 Schfl. Rocken nicht mehr Geld er-
kaufen kann, als mit einem Scheffel in der Stadt.

Doch dieſer Satz bedarf vielleicht ſo wenig einer Er-
laͤuterung als eines Beweiſes.

Zweiter Satz. Die Preiſe der Beduͤrfniſſe des
Landwirths ſtehen nicht alle im Verhaͤltniß mit dem Korn-
preiſe; oder die Koſten, die die Kultur des Bodens erfor-
dert, koͤnnen in verſchiedenen Gegenden nicht mit einer
und derſelben Quantitaͤt Getreide bezahlt werden.

Dieſer Satz geht aus dem erſten Satze hervor; denn
eine Waare, die in der Stadt mit einem Schfl. Rocken
in gleichem Preiſe ſteht, muß in der entfernten Gegend,
wo der Rocken nur den halben Werth hat, im Preiſe
gleich 2 Schfl. Rocken ſeyn, vorausgeſetzt, daß dieſe Waare
nicht anders als aus der Stadt zu haben iſt.

Wir haben oben Salz und Metalle als Waaren von
dieſer Gattung genannt; daſſelbe gilt vom Tuch und von
andern Waaren, die nicht auf dem Lande fabrizirt werden
koͤnnen.

Dies erſtreckt ſich aber auch auf die Beſoldungen und
Honorare der hoͤhern Staͤnde. Der Arzt, der Beamte u. m. a.
koͤnnen ihre Bildung nur in der Stadt erhalten; das Ka-
pital, was ſie auf ihre Ausbildung verwandt haben, rich-
tet ſich nach den Preiſen in der Stadt, und um dies
Kapital wieder verguͤtet zu erhalten, duͤrfen ihre Arbeiten
nicht im Verhaͤltniß des Rockenpreiſes der Gegend, wo
ſie wohnen, bezahlt werden.


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[31/0045] das Getreide, was mehr als zum eigenen Bedarf gebauet iſt, keine andere Konſumenten, als die Bewohner der Stadt. Wird nun aus ſo ſehr entfernten Gegenden Korn nach der Stadt gefahren, daß das Zugvieh waͤhrend der Reiſe die eine Haͤlfte der Ladung ſelbſt verzehrt, und nur die andere Haͤlfte zum Verkauf und zur Konſumtion nach der Stadt gelangt: ſo iſt es ſehr begreiflich, daß man auf dem Lande mit 2 Schfl. Rocken nicht mehr Geld er- kaufen kann, als mit einem Scheffel in der Stadt. Doch dieſer Satz bedarf vielleicht ſo wenig einer Er- laͤuterung als eines Beweiſes. Zweiter Satz. Die Preiſe der Beduͤrfniſſe des Landwirths ſtehen nicht alle im Verhaͤltniß mit dem Korn- preiſe; oder die Koſten, die die Kultur des Bodens erfor- dert, koͤnnen in verſchiedenen Gegenden nicht mit einer und derſelben Quantitaͤt Getreide bezahlt werden. Dieſer Satz geht aus dem erſten Satze hervor; denn eine Waare, die in der Stadt mit einem Schfl. Rocken in gleichem Preiſe ſteht, muß in der entfernten Gegend, wo der Rocken nur den halben Werth hat, im Preiſe gleich 2 Schfl. Rocken ſeyn, vorausgeſetzt, daß dieſe Waare nicht anders als aus der Stadt zu haben iſt. Wir haben oben Salz und Metalle als Waaren von dieſer Gattung genannt; daſſelbe gilt vom Tuch und von andern Waaren, die nicht auf dem Lande fabrizirt werden koͤnnen. Dies erſtreckt ſich aber auch auf die Beſoldungen und Honorare der hoͤhern Staͤnde. Der Arzt, der Beamte u. m. a. koͤnnen ihre Bildung nur in der Stadt erhalten; das Ka- pital, was ſie auf ihre Ausbildung verwandt haben, rich- tet ſich nach den Preiſen in der Stadt, und um dies Kapital wieder verguͤtet zu erhalten, duͤrfen ihre Arbeiten nicht im Verhaͤltniß des Rockenpreiſes der Gegend, wo ſie wohnen, bezahlt werden.

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/45>, abgerufen am 26.04.2024.