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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 14. H. von der vernünfft. Kunst/
sehr schön sey/ die Schönheit/ der Stand und
das Reichthum in gleicher Proportion oder Voll-
kommenheit vorgebildet werde/ ingleichen/ daß
ebenfalls bey dem Mangel der andern Güter eine
gleichmäßige Proportion in acht genommen wer-
de/ und daß z. e. die eine Person so heßlich als die
andere geringen Standes/ und die dritte arm
sey. Denn wo dieses nicht beobachtet wird/
wird z. e. ein Wohllüstiger sich leicht betriegen/
und nicht meinen/ daß die Wohllust bey ihm
Passio dominans sey/ weil er sich die vornehme
oder reiche zu nehmen determiniret/ wenn er bey
diesen sich einen Mangel der Schönheit impri-
mir
et/ der doch für keine Heßligkeit eben zu ach-
ten; sondern etwan eine solche Gestalt ist/ die
zwar nicht zur Schönheit/ aber doch zur Artig-
keit kan gerechnet werden/ wie dann dißfalls in
der Frantzösischen Sprache ein mercklicher Un-
terscheid entre une fille belle & jolie gemachet
wird.

13. Dieweil aber diese Proportion recht
zu beobachten/ Kunst und Mühe erfordert/

und man also gar leichte solches versehen kan;
Als wil nöthig seyn/ daß ein Mensch dergleichen
Exempel sich mehr vorstelle/
und z. e. prüfe/
was er thun wolte/ wenn er entweder eine schöne
Weibes-Person/ die er liebte/ fahren lassen/
oder die Gnade eines Fürsten entbehren/ oder
eine reiche Erbschafft/ die er hoffte/ verlieren
solte/ bey welchem Verlust er sich am meisten

trö-

Das 14. H. von der vernuͤnfft. Kunſt/
ſehr ſchoͤn ſey/ die Schoͤnheit/ der Stand und
das Reichthum in gleicher Proportion oder Voll-
kommenheit vorgebildet werde/ ingleichen/ daß
ebenfalls bey dem Mangel der andern Guͤter eine
gleichmaͤßige Proportion in acht genommen wer-
de/ und daß z. e. die eine Perſon ſo heßlich als die
andere geringen Standes/ und die dritte arm
ſey. Denn wo dieſes nicht beobachtet wird/
wird z. e. ein Wohlluͤſtiger ſich leicht betriegen/
und nicht meinen/ daß die Wohlluſt bey ihm
Paſſio dominans ſey/ weil er ſich die vornehme
oder reiche zu nehmen determiniret/ wenn er bey
dieſen ſich einen Mangel der Schoͤnheit impri-
mir
et/ der doch fuͤr keine Heßligkeit eben zu ach-
ten; ſondern etwan eine ſolche Geſtalt iſt/ die
zwar nicht zur Schoͤnheit/ aber doch zur Artig-
keit kan gerechnet werden/ wie dann dißfalls in
der Frantzoͤſiſchen Sprache ein mercklicher Un-
terſcheid entre une fille belle & jolie gemachet
wird.

13. Dieweil aber dieſe Proportion recht
zu beobachten/ Kunſt und Muͤhe erfordert/

und man alſo gar leichte ſolches verſehen kan;
Als wil noͤthig ſeyn/ daß ein Menſch dergleichen
Exempel ſich mehr vorſtelle/
und z. e. pruͤfe/
was er thun wolte/ wenn er entweder eine ſchoͤne
Weibes-Perſon/ die er liebte/ fahren laſſen/
oder die Gnade eines Fuͤrſten entbehren/ oder
eine reiche Erbſchafft/ die er hoffte/ verlieren
ſolte/ bey welchem Verluſt er ſich am meiſten

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[470/0482] Das 14. H. von der vernuͤnfft. Kunſt/ ſehr ſchoͤn ſey/ die Schoͤnheit/ der Stand und das Reichthum in gleicher Proportion oder Voll- kommenheit vorgebildet werde/ ingleichen/ daß ebenfalls bey dem Mangel der andern Guͤter eine gleichmaͤßige Proportion in acht genommen wer- de/ und daß z. e. die eine Perſon ſo heßlich als die andere geringen Standes/ und die dritte arm ſey. Denn wo dieſes nicht beobachtet wird/ wird z. e. ein Wohlluͤſtiger ſich leicht betriegen/ und nicht meinen/ daß die Wohlluſt bey ihm Paſſio dominans ſey/ weil er ſich die vornehme oder reiche zu nehmen determiniret/ wenn er bey dieſen ſich einen Mangel der Schoͤnheit impri- miret/ der doch fuͤr keine Heßligkeit eben zu ach- ten; ſondern etwan eine ſolche Geſtalt iſt/ die zwar nicht zur Schoͤnheit/ aber doch zur Artig- keit kan gerechnet werden/ wie dann dißfalls in der Frantzoͤſiſchen Sprache ein mercklicher Un- terſcheid entre une fille belle & jolie gemachet wird. 13. Dieweil aber dieſe Proportion recht zu beobachten/ Kunſt und Muͤhe erfordert/ und man alſo gar leichte ſolches verſehen kan; Als wil noͤthig ſeyn/ daß ein Menſch dergleichen Exempel ſich mehr vorſtelle/ und z. e. pruͤfe/ was er thun wolte/ wenn er entweder eine ſchoͤne Weibes-Perſon/ die er liebte/ fahren laſſen/ oder die Gnade eines Fuͤrſten entbehren/ oder eine reiche Erbſchafft/ die er hoffte/ verlieren ſolte/ bey welchem Verluſt er ſich am meiſten troͤ-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/482>, abgerufen am 26.04.2024.