Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Zorn des Menschen.

31. Lasset uns nun aber auch von dem
Zorne als dem Kind des Ehrgeitzes etwas
melden. Es ist unmöglich/ daß aus einem bösen
Affect ein guter herkommen könne. Und dero-
wegen habe ich bald anfangs gesagt/ daß der
Zorn allezeit ein böser
Affect sey/ (a) auch her-
nach solches in meinen Oster-Gedancken etwas
weitläufftiger ausgeführet. Dieweil mir aber
wohl bewust/ daß an diesen Lehrsatz sich auch
fromme Leute zu weilen stossen/ die den Zorn/ wie
etwan andere indifferente Affecten, für indiffe-
rent
halten; andern aber entweder die autorität
des Aristotelis oder des Lactantii im wege lieget;
noch andere die Boßheit des Menschlichen Her-
tzens noch nicht recht kennen/ welches seinen un-
rechtfertigen Zorn gerne unter der indifferenz
mit verbergen wolte/ und also in der Lehre der
selbst Erkäntniß sehr viel dran gelegen ist/ daß
man dem Ehrgeitz/ der ohne dem allzulistig ist/
nicht ein Haar breit einräume/ als will ich mich
befleissen/ die Wahrheit meiner Lehre so deutlich
als möglich vorzustellen. Und mögen meine
Gegner wohl versichert seyn/ daß ich durch die
Erkäntniß der Wahrheit gezwungen/ nicht so
wohl wider einigen andern Menschen/ in dieser
und der vorigen Materie (nehmlich von dem ge-
lehrten Müßiggang) als wider mein eigenes

Hertz
(a) c. 6. n. 30. n. 32. seq.
Dd 3
Von dem Zorn des Menſchen.

31. Laſſet uns nun aber auch von dem
Zorne als dem Kind des Ehrgeitzes etwas
melden. Es iſt unmoͤglich/ daß aus einem boͤſen
Affect ein guter herkommen koͤnne. Und dero-
wegen habe ich bald anfangs geſagt/ daß der
Zorn allezeit ein boͤſer
Affect ſey/ (a) auch her-
nach ſolches in meinen Oſter-Gedancken etwas
weitlaͤufftiger ausgefuͤhret. Dieweil mir aber
wohl bewuſt/ daß an dieſen Lehrſatz ſich auch
fromme Leute zu weilen ſtoſſen/ die den Zorn/ wie
etwan andere indifferente Affecten, fuͤr indiffe-
rent
halten; andern aber entweder die autoritaͤt
des Ariſtotelis oder des Lactantii im wege lieget;
noch andere die Boßheit des Menſchlichen Her-
tzens noch nicht recht kennen/ welches ſeinen un-
rechtfertigen Zorn gerne unter der indifferenz
mit verbergen wolte/ und alſo in der Lehre der
ſelbſt Erkaͤntniß ſehr viel dran gelegen iſt/ daß
man dem Ehrgeitz/ der ohne dem allzuliſtig iſt/
nicht ein Haar breit einraͤume/ als will ich mich
befleiſſen/ die Wahrheit meiner Lehre ſo deutlich
als moͤglich vorzuſtellen. Und moͤgen meine
Gegner wohl verſichert ſeyn/ daß ich durch die
Erkaͤntniß der Wahrheit gezwungen/ nicht ſo
wohl wider einigen andern Menſchen/ in dieſer
und der vorigen Materie (nehmlich von dem ge-
lehrten Muͤßiggang) als wider mein eigenes

Hertz
(a) c. 6. n. 30. n. 32. ſeq.
Dd 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0433" n="421"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Zorn des Men&#x017F;chen.</hi> </fw><lb/>
        <p>31. La&#x017F;&#x017F;et uns nun aber auch von dem<lb/>
Z<hi rendition="#fr">orne</hi> als dem <hi rendition="#fr">Kind des Ehrgeitzes</hi> etwas<lb/>
melden. Es i&#x017F;t unmo&#x0364;glich/ daß aus einem bo&#x0364;&#x017F;en<lb/><hi rendition="#aq">Affect</hi> ein guter herkommen ko&#x0364;nne. Und dero-<lb/>
wegen habe ich bald anfangs ge&#x017F;agt/ <hi rendition="#fr">daß der<lb/>
Zorn allezeit ein bo&#x0364;&#x017F;er</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Affect</hi></hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;ey/</hi> <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">c. 6. n. 30. n. 32. &#x017F;eq.</hi></hi></note> auch her-<lb/>
nach &#x017F;olches in meinen O&#x017F;ter-Gedancken etwas<lb/>
weitla&#x0364;ufftiger ausgefu&#x0364;hret. Dieweil mir aber<lb/>
wohl bewu&#x017F;t/ daß an die&#x017F;en Lehr&#x017F;atz &#x017F;ich auch<lb/>
fromme Leute zu weilen &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/ die den Zorn/ wie<lb/>
etwan andere <hi rendition="#aq">indifferente Affecten,</hi> fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">indiffe-<lb/>
rent</hi> halten; andern aber entweder die <hi rendition="#aq">autori</hi>ta&#x0364;t<lb/>
des <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;totelis</hi> oder des <hi rendition="#aq">Lactantii</hi> im wege lieget;<lb/>
noch andere die Boßheit des Men&#x017F;chlichen Her-<lb/>
tzens noch nicht recht kennen/ welches &#x017F;einen un-<lb/>
rechtfertigen Zorn gerne unter der <hi rendition="#aq">indifferenz</hi><lb/>
mit verbergen wolte/ und al&#x017F;o in der Lehre der<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Erka&#x0364;ntniß &#x017F;ehr viel dran gelegen i&#x017F;t/ daß<lb/>
man dem Ehrgeitz/ der ohne dem allzuli&#x017F;tig i&#x017F;t/<lb/>
nicht ein Haar breit einra&#x0364;ume/ als will ich mich<lb/>
beflei&#x017F;&#x017F;en/ die Wahrheit meiner Lehre &#x017F;o deutlich<lb/>
als mo&#x0364;glich vorzu&#x017F;tellen. Und mo&#x0364;gen meine<lb/>
Gegner wohl ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn/ daß ich durch die<lb/>
Erka&#x0364;ntniß der Wahrheit gezwungen/ nicht &#x017F;o<lb/>
wohl wider einigen andern Men&#x017F;chen/ in die&#x017F;er<lb/>
und der vorigen <hi rendition="#aq">Materie</hi> (nehmlich von dem ge-<lb/>
lehrten Mu&#x0364;ßiggang) als wider mein eigenes<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Dd 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Hertz</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0433] Von dem Zorn des Menſchen. 31. Laſſet uns nun aber auch von dem Zorne als dem Kind des Ehrgeitzes etwas melden. Es iſt unmoͤglich/ daß aus einem boͤſen Affect ein guter herkommen koͤnne. Und dero- wegen habe ich bald anfangs geſagt/ daß der Zorn allezeit ein boͤſer Affect ſey/ (a) auch her- nach ſolches in meinen Oſter-Gedancken etwas weitlaͤufftiger ausgefuͤhret. Dieweil mir aber wohl bewuſt/ daß an dieſen Lehrſatz ſich auch fromme Leute zu weilen ſtoſſen/ die den Zorn/ wie etwan andere indifferente Affecten, fuͤr indiffe- rent halten; andern aber entweder die autoritaͤt des Ariſtotelis oder des Lactantii im wege lieget; noch andere die Boßheit des Menſchlichen Her- tzens noch nicht recht kennen/ welches ſeinen un- rechtfertigen Zorn gerne unter der indifferenz mit verbergen wolte/ und alſo in der Lehre der ſelbſt Erkaͤntniß ſehr viel dran gelegen iſt/ daß man dem Ehrgeitz/ der ohne dem allzuliſtig iſt/ nicht ein Haar breit einraͤume/ als will ich mich befleiſſen/ die Wahrheit meiner Lehre ſo deutlich als moͤglich vorzuſtellen. Und moͤgen meine Gegner wohl verſichert ſeyn/ daß ich durch die Erkaͤntniß der Wahrheit gezwungen/ nicht ſo wohl wider einigen andern Menſchen/ in dieſer und der vorigen Materie (nehmlich von dem ge- lehrten Muͤßiggang) als wider mein eigenes Hertz (a) c. 6. n. 30. n. 32. ſeq. Dd 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/433
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/433>, abgerufen am 26.04.2024.